Felix Draeseke: Requiem in h-Moll für Soli, Chor und Orchester, op. 22. Klavierauszug herausgegeben von Nick Pfefferkorn. Pfefferkorn Musikverlag, OB-2013/Ka (PF-02013), ISMN 979-0-50139-034-2
Ein Ziel des Musikverlages Pfefferkorn ist es, „die Werke unbekannter oder in Vergessenheit geratener Komponisten einem breiten Publikum“ zu eröffnen. Eine kritische Neuausgabe des von Zeitgenossen geschätzten Requiems von Felix Draeseke – anlässlich seines 100. Todesjahres – scheint hierzu tatsächlich „publikumswirksam“. Doch erreicht man einen breiten Rezipientenkreis nicht mit Dirigierpartituren, sondern vielmehr mit kleineren Ausgaben wie Klavierauszügen. Warum man in einem solchen dann allerdings jegliche Informationen zu Komponist und Werk ausspart und auf eine noch nicht erschienene Partitur verweist, erscheint leider etwas rätselhaft.
Würde sich doch gerade dieses, zu Teilen nahezu pädagogisch komponierte, Requiem bestens eignen, um in die ästhetischen Meinungskämpfe des 19. Jahrhunderts einzuführen oder zumindest Draesekes Vermittlungsversuch zwischen Bach’scher Tradition und Wagner’scher Neutönerei zu beleuchten. Doch selbst auf der Verlagshomepage erhält man bislang nur spärlich Informationen zu dem „in Vergessenheit geratenen Komponisten“ und seinem Werk, welches dem breiten Publikum doch eigentlich bekannt gemacht werden soll.
Es scheint, als sollte die Musik für sich selbst sprechen. Daher nun der Blick auf das Eigentliche, auf die Neuausgabe des 1880 vollendeten Requiems: Nur wenige Eingriffe des Herausgebers entschlacken den vom Komponisten stammenden Klavierauszug, sodass er recht gut in den Fingern liegt und überschaubar bleibt. Leider wurden jedoch die wenigen vorhandenen Instrumentenabkürzungen nicht ergänzt, sondern komplett getilgt. Schade für Chor und Solisten, die sich dafür über das sehr handliche Format der Ausgabe freuen dürfen, wobei insbesondere das „Domine Jesu“ ein gelungenes Beispiel für einen modernen Klavierauszug ist, welcher genügend Platz für Einzeichnungen lässt und gleichzeitig auch noch den verarbeiteten Bach-Choral „Jesu meine Zuversicht“ hervorhebt. Dieses Layout kann aber nicht durchgehalten werden, sodass die Seiten mehrfach überfrachtet wirken.
Bedauerlich ist zudem, dass die von Draeseke gegebenen Hilfestellungen für Laiensänger nicht übernommen wurden. An über 50 Stellen schrieb dieser in den Klavierauszug tiefere Alternativstimmen, um „eine bequemere Aufgabe zu bieten, die sie [die Sänger] lösen können ohne Gefahr zu laufen, unrein zu singen“ und ferner, um bei dem häufigen Mangel an hohen Tenören, deren Stimme durch den zweiten Alt zu verstärken. Draeseke schreibt im Vorwort weiter: „Will man aus irgend welchen Gründen sich ihrer [der Alternativen] nicht bedienen, so lasse man die kleinen Noten unbeachtet.“ Demnach macht es den Anschein, als wären diese Zusätze mehr als nur eine Notlösung, weswegen sie in einer Ausgabe, welche sich an ein breites Publikum richten soll, durchaus Erwähnung finden sollten!