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Martin Maria Krüger. Foto: Hochschule für Musik München
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Dort weitermachen können, wo man schon ist

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Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates, stellt sich erneut zur Wahl
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Im Oktober 2009 wurde Martin Maria Krüger mit knapper Mehrheit für eine dritte Amtsperiode als Präsident des Deutschen Musikrats bestätigt. Jetzt steht die nächste Wahl vor der Tür: Der amtierende Präsident wird sich am 19. Oktober erneut zur Wahl stellen. Bis Redaktionsschluss gab es keinen Gegenkandidaten. Vier Jahre nach dem nmz-Kandidatengespräch im Konzerthaus Berlin (www.nmz.de) unterhielt sich Andreas Kolb für die neue musikzeitung mit Martin Maria Krüger über dessen Pläne.

neue musikzeitung: Was ist Ihre Motivation, sich zum vierten Mal dieser Herausforderung zu stellen?

Martin Maria Krüger: Der Deutsche Musikrat ist in den letzten vier Jahren sehr vorangekommen – gleichermaßen im politischen Bereich wie in dem der Projekte. Es macht mir große Freude, diesen Prozess mitgestalten zu dürfen. Ich habe den Eindruck, dass es für den Deutschen Musikrat gut wäre, in diesem Fluss zu bleiben. Das bedeutet auch, dass einige handelnde Personen dort weitermachen können, wo sie schon sind.

nmz: Wenn Sie die Wahlkampfthemen 2009 mit denen von 2013 vergleichen. Was sind die Hauptunterschiede?

Krüger: Ein Thema, das sich immer stärker in den Vordergrund schiebt, ist der Großkomplex Wert des geistigen Eigentums und Digitalisierung der Musikproduktion.

Dann haben wir die Kulturelle Vielfalt auf der Grundlage der UNESCO-Konvention in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt. Sehr intensiv bearbeitet wurde das Feld der Musikalischen Bildung, das absolute Bedeutung für das gesamte Musikleben hat. Einen Sonderfokus richteten wir dabei auf die Musikalische Bildung in den Grundschulen, also dem schulischen Bereich, in dem alle Kinder erreicht werden.

Vorangekommen sind wir auch im Dialog mit der Politik. So gab es Gespräche mit den Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz (KMK), Dr. Ludwig Spaenle und Ties Rabe, sowie mit den KMK-Ausschüssen für Schule und Kultur. Wir haben gemeinsam mit den Landesmusikräten gleichrangig neben unserem Grundsatzprogramm „Musikpolitik in der Verantwortung“ ein Grundsatzpapier gestellt: „Musikalische Bildung – ein Thema in 16 Variationen“ .

nmz: Es ist das Schicksal der Kulturpolitik, dass sie ständig mit neuen „Baustellen“ konfrontiert ist …

Krüger: Das ist kulturpolitischer Alltag. So sind die potenziellen Gefahren für den Erhalt und die Förderung der Kulturellen Vielfalt im Vorfeld der Verhandlungsaufnahme für das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA Dank des Engagements der organisierten Zivilgesellschaft, der Initiative von Kulturstaatsminister Bernd Neumann und der Standhaftigkeit der Franzosen deutlich in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Der Deutsche Musikrat wird sich gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat und vielen anderen weiterhin dafür einsetzen, dass die Exception culturelle tatsächlich kommt.

nmz: Gibt es neue, europäische Aufgaben für den Deutschen Musikrat?

Krüger: Europa bestimmt immer mehr auch unseren kulturpolitischen Alltag. Die Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Schutz der Kulturellen Vielfalt, der Schutz des geistigen Eigentums oder das eben erwähnte Freihandelsabkommen sind Herkulesaufgaben, die wir nur im Verbund mit unseren europäischen Mitstreitern wirkungsvoll bearbeiten können. Ich bin sehr froh, dass wir mit Christian Höppner als Vizepräsident des Europäischen Musikrates eine kraftvolle Stimme im europäischen Konzert haben.

nmz: Bleiben wir in Deutschland und greifen das Schlagwort „Schulzeitverdichtung“ auf …

Krüger: Die Zeit für musische Betätigung wird weniger. Dennoch, die reine Orientierung auf die MINT-Fächer würde heute kein Politiker mehr öffentlich formulieren wollen. Das ist ein großer Fortschritt im Denken der Bildungspolitik. Es wird jedoch großer Anstrengungen der schulischen und außerschulischen Akteure bedürfen, in den sich verändernden Strukturen die dringend erforderlichen Freiräume zu schaffen.

nmz: Was tun, wenn Abbau das Musikleben immer stärker bestimmt?

Krüger: Wir reagieren schnell. Nehmen sie das Beispiel Musikhochschulen in Baden-Württemberg. Unser Generalsekretär Christian Höppner schrieb sofort einen Offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Ich hatte die Möglichkeit, anlässlich einer Feier zum 10. Jubiläum der Popakademie Mannheim der zuständigen Ministerin, Theresia Bauer, öffentlich verdeutlichen zu können, dass das ein verhängnisvoller Prozess wäre. Völlig unverständlich in der Außenansicht der anderen Bundesländer: Ausgerechnet ein langjähriges Musterland rutscht auf ganz verschiedenen Gebieten in den Kennzahlen nach hinten. Auch im Bereich der Musikschulen. Zudem war Baden-Württemberg das Ausgangsland der Idee des unseligen Fächerkomplexes musisch-ästhetische Erziehung, derentwegen die Fachlichkeit an den allgemeinbildenden Schulen zurückgedrängt wurde. Jetzt stehen die Musikhochschulen unter Druck: Man versucht wie üblich mit Etiketten etwas aufrechtzuerhalten, de facto jedoch würde die Umsetzung dieser ministerialen Pläne eine regelrechte Entkernung der beiden Musikhochschulen in Trossingen und Mannheim bedeuten.

Wir hoffen, dass Baden-Württemberg zu der Erkenntnis kommt, dass es diesen Weg nicht gehen darf. Ich habe Ministerin Bauer daran erinnert, dass sie sich während einer Rede anlässlich des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ 2012 in Stuttgart gegen die Fusion der SWR-Orchester ausgesprochen und öffentlich zur musikalischen Bildung bekannt hat. Ich kann nicht musikalische Bildung wollen, aber dort den Ausbildungskern zur Disposition stellen, wo Schulmusiker ausgebildet werden.

In den letzten vier Jahren war allerdings auch zu beobachten: Die Akteure sind näher zusammengerückt. Wenn Probleme auftauchen, mobilisiert sich der Widerstand stärker und schneller. Beispielhaft nenne ich hier die Angriffe der BILD-Zeitung gegen die Klangkörper der Rundfunkanstalten oder die steuerliche Behandlung der privaten Musikschulen. Auch hier war der Musikrat frühzeitig und erfolgreich am Start – Dank des Netzwerkes und Frühwarnsystems unseres musikpolitischen Standbeins in Berlin.

nmz: Die Projekte gelten als das Aushängeschild des Deutschen Musikrates.

Krüger: Die Projekte des Deutschen Musikrates sind – trotz kaum gestiegener Förderung – in besonderer Weise vorangekommen. Aus den vorhandenen Ressourcen heraus einen Mehrwert zu schaffen, das verdanken wir hervorragenden Projektleitern und Geschäftsführern.

Nehmen wir als Beispiel, was das BuJazzO allein im Jahr 2013 bisher bewältigt hat: eine zweiwöchige Westafrikatournee, dann die Überbringung von Glückwünschen mit Bundespräsident Joachim Gauck zur EU-Ratspräsidentschaft Litauens in Vilnius, kürzlich in Kroatien die Überbringung der deutschen Glückwünsche zur EU-Mitgliedschaft auf Einladung des deutschen Botschafters auf dem Jazzfestival in Groznjan. Bei all diesen Projekten wurde gemeinsam mit Musikern der Gastgeberländer gearbeitet. Dieses Orches-ter nimmt aber auch nach innen einen herausragenden Stellenwert ein: Es gibt kaum einen namhaften deutschen Jazzer im letzten Vierteljahrhundert, der nicht durch das BuJazzO gegangen ist.

nmz: Der Musikrat ist wieder komplett besetzt: Seit diesem Jahr ist Dr. Benedikt Holtbernd der neue Künstlerische Geschäftsführer.

Krüger: Ich bin sehr glücklich über die Neubesetzung und ganz sicher, wir werden hier lebendige Impulse bekommen zur Weiterentwicklung der Projekte.

nmz: Wie sind die Zuständigkeitsbereiche von Generalsekretär und Künstlerischem Geschäftsführer geregelt?

Krüger: Es gibt einen Geschäftsverteilungsplan bezogen auf den Generalsekretär und die beiden GmbH-Geschäftsführer. Es gibt Bereiche, in denen kontinuierlich Zusammenarbeit erfolgen muss: etwa Öffentlichkeitsarbeit. Entscheidend für die Erfolge des DMR in den nächsten Jahren wird sein, dass die leitende Ebene eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet.

nmz: 2013 kann der Musikrat im Jubiläumsrausch schwelgen: 60 Jahre Deutscher Musikrat, 50 Jahre „Jugend musiziert“, 25 Jahre BundesJazzOrchester, 10 Jahre Deutscher Musikrat-Projekte GmbH. Und 2014? Wieder Schwarzbrot?

Krüger: Abgesehen davon, dass Schwarzbrot schmeckt und gesund ist, ist in diesem mehrfachen Jubiläumsjahr vor allem eines deutlich geworden: Musikpolitik und die Arbeit der Projekte gehören zusammen. Die erfolgreiche Arbeit des Generalsekretariates in Berlin und der Projektgesellschaft in Bonn zeigt sich zum Beispiel bei dem Wandelkonzert im Schloss Bellevue, welches Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich des 50. Geburtstag von „Jugend musiziert“ veranstaltet hat. Auch die Übernahme einer weitreichenden Partnerschaft für das Bundesjugendorches-ter durch die Berliner Philharmoniker und das Engagement Sir Simon Rattles muss man zu diesen Erfolgen zählen, genauso wie die Gründung der Stiftung Bundesjugendorchester im Jahr 2012.

Was die Förderung Neuer Musik angeht, haben wir uns bemüht, dort gezielt anzusetzen, wo Neue Musik als eine Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft gefördert werden muss: Es war uns wichtig, Neue Musik nicht nur innerhalb einer Szene zu fördern, sondern sie in die großen Laienwettbewerbe wie Deutscher Chor- und Orchesterwettbewerb oder bei „Jugend musiziert“ mit Hilfe des Festivals WESPE einzuführen.

nmz: Wie ist es mit der Zufriedenheit unter den Mitgliedern bestellt?

Krüger: Aus Sicht des Deutschen Musikrates bleibt es bedauerlich, dass die im DCV und in der BDC zusammengeschlossenen Chorverbände noch nicht wieder zu einem gemeinsamen Dach gefunden haben. Der Deutsche Musikrat hat aber zu allen Beteiligten ein vertrauensvolles Verhältnis.

nmz: … und es gibt neue Bündnisse …

Krüger: Das Projekt „Bündnisse für Bildung“ wurde durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Bildung initiiert, und wir freuen uns, dass einige unserer Mitgliedsverbände dank guter Konzepte mit erheblichen zusätzlichen Fördermitteln agieren können.
Hervorheben muss ich auch die hervorragende Zusammenarbeit mit den Landesmusikräten. Bildungspolitik kann nur erfolgreich sein, wenn in jedem einzelnen Bundesland die dortigen Verbände ihre Positionen vertreten.

nmz: Wie bespielt der Musikrat die Berliner Bühne?

Krüger: Es wurden zwei Zeichen gesetzt. Erstens: Als es darum ging, einen neuen Kulturratspräsidenten zu wählen. Aus der gesamten Breite der Kulturverbände tauchte der Wunsch auf, dass der Deutsche Musikrat seinen Generalsekretär, Christian Höppner, zur Wahl stellt. Er wurde in geheimer Wahl einstimmig gewählt, was zeigt, welches Vertrauen er als Person und auch als Repräsentant des Deutschen Musikrats genießt.
Zweitens: Kulturstaatsminister Bernd Neumann würdigte anlässlich des Empfangs zum 60-jährigen Bestehen des Deutschen Musikrates im Kanzleramt, welch enge, vertrauensvolle, auf Wirksamkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtete Zusammenarbeit sich zwischen der Bundespolitik und dem Deutschen Musikrat ausgebildet hat.

nmz: Welche Position bezieht der Musikrat in der aktuellen Debatte um die Einziehung der Beiträge für die KSK?

Krüger: Die Künstlersozialversicherung sichert die Existenz von Tausenden Künstlern und ist damit unverzichtbar für den Erhalt der Kulturellen Vielfalt in unserem Land – gerade auch angesichts des wachsenden Prekariates bei den kulturvermittelnden Berufen. Die Sicherung der KSK und die Verstetigung der Künstlersozialabgabe müssen daher weiterhin ganz oben auf der politischen Agenda stehen und nach der Bundestagswahl dringend Bestandteil der Koalitionsverhandlungen werden. Der Deutsche Musikrat wird sich weiterhin mit seinen Mitgliedern dafür stark machen, dass dieses Thema auf der politischen Agenda bleibt. Dazu ist es nach der Bundestagswahl notwendig, mit Aktionen wie der Petition des Deutschen Tonkünstlerverbandes das Bewusstsein für die dringend notwendige Kurskorrektur zu schaffen. Auch den sogenannten Verwertern unter unseren Mitgliedern ist bewusst: Wir brauchen die Kreativen. Gerade die vielen Freischaffenden müssen angemessen vergütet und vor Altersarmut geschützt werden.

nmz: Wird das neue Musikratspräsidium aus weniger Personen bestehen?

Krüger: Die Mitgliederversammlung entscheidet auf der Grundlage unserer Satzung über die Zusammensetzung des neuen Präsidiums.

nmz: Sie stellen sich wieder zur Wahl. Was sind Ihre Vorhaben?

Krüger: Ein zentrales Thema wird der Großbereich musikalische Bildung bleiben. Ein konkretes Vorhaben ist das Bemühen um einen Musikfonds, wie es ihn für andere Sparten im Bereich der Kulturstiftung des Bundes gibt. Ich bin diesbezüglich bereits in einen Dialog mit dem Kulturstaatsminister eingetreten. Weitere Schwerpunktthemen sind die Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Bürgerschaftliche Engagement, die Chancen und Risiken der Digitalisierung und das Bewusstsein für den Wert der Kreativität weiter zu schärfen. Ein zentraler Punkt wird sein müssen, die finanzielle Ausstattung unserer Projekte zu verbessern.

Nehmen wir das Deutsche Musikinformationszentrum, das MIZ: Dessen Leistungsfähigkeit stößt an ihre Grenzen, Bestandsverwaltung wird zunehmend zur Mängelverwaltung.

Als wesentlichen Erfolg unserer Arbeit möchte ich die Einführung des Tages der Musik seit 2010 nennen. 2013 waren es 1.700 Veranstaltungen bundesweit. Ein durchschlagender Erfolg unter dem Aspekt der kulturellen Vielfalt, aber auch hinsichtlich der Einbindung völlig unterschiedlicher Akteure.

Verstärkt bemühen müssen wir uns um die Gewinnung weiterer privater Partner. Wir freuen uns über den hervorragenden Start der Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken bei den Wettbewerben des Laienmusizierens.

Wir leben in einer Zeit, in der Förderung an vielen Stellen, wo sie selbstverständlich schien, auf den Prüfstand gestellt wird und sind deshalb besonders froh, dass sich Partner wie die Deutschen Sparkassen und ein Unternehmen wie Daimler weiterhin an unsere Seite stellen. Dies gilt auch für Skoda, ein Partner, der im Jazzbereich in den letzten Jahren dazu gekommen ist und nun die Zusammenarbeit nochmals ausgeweitet hat. Die Kontaktpflege und Überzeugungsarbeit, die wir hier zu leisten haben, ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen.

nmz: Was macht ein Musikratspräsident, wenn er einmal nicht diesen vielen genannten Tätigkeiten nachgeht?

Krüger: Im Rahmen meiner Hochschultätigkeit unterrichte ich Gitarre und lehre Kulturpolitik für angehende Kulturmanager. Meine Motivation und Leidenschaft, für die Musik zu arbeiten, geht nach wie vor von meinem Instrument aus.

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