Hauptrubrik
Banner Full-Size

Umfrage der nmz zur Halbzeit der NNM-Projekte

Untertitel
Freiburg
Publikationsdatum
Body

Achim Könneke, Kulturamtsleiter der Stadt Freiburg und Mitglied im Vorstand von mehrklang Freiburg

1. Welche konkreten Auswirkungen hatte das Projekt auf das städtische Musikleben?

Erstmalig gibt es ein andauerndes Miteinander der in Freiburg ja recht großen und bunten Szene der Neuen Musik. Allein, dass wir gemeinsam einen Verein als Träger von mehrklang gegründet haben, in dem sich alle Akteure, von der Musikhochschule, dem Theater dem SWR bis hin zu den zahlreichen Ensembles engagieren und an gemeinsamen Zielen und Projekten arbeiten, die sie dank der Bundesmittel auch umsetzen können, ist eine zentrale Auswirkung, die echte Nachhaltigkeit generiert. Diese Bündelung der Potentiale und Kompetenzen, der nun permanente Austausch ist mir für Freiburg viel wichtiger als zusätzliche Konzertreihen. Zweitens haben dank dem Vorbild bereits existierender Projekte wie „Hör Mal!“ vom ensemble recherche oder „SurPlus macht Schule“ alle mehrklang-Partner selbstverständlich ihre Vermittlungsaktivitäten stark ausgebaut. Es gibt ganz neue Formate wie die „BLINDDATEMUSIC“ oder die Lange Nacht der elektronischen Musik, die ganz neue Zielgruppen ansprechen. Wir selbst, das Kulturamt, haben zum Beispiel mit „klong“ ein neues Schülermusikfestival gestartet, bei dem mehrtägige Workshops in Schulen in ein ganztägiges Musikfest im Stadttheater münden.

2. Das NNM wurde als Projekt der Vermittlung konzipiert: Wurde das Ziel, ein breites Publikum mit qualitativ hochwertiger Gegenwartsmusik anzusprechen, erreicht? Verstehen die Bürger Ihrer Stadt die Sprache der neuen Musik besser als vorher?

Erstens: Qualitativ hochwertige Gegenwartsmusik zu bieten, ist kein neues Ziel, sondern schon immer die Grundlage unserer Arbeit in Freiburg - und nicht nur hier in Freiburg! Das Netzwerk Neue Musik ist ja bei uns nicht angetreten eine Wüste zu bewässern. Alle unsere Ensembles haben schon immer ein treues Publikum, allerdings meist ein eigenes Stammpublikum mit erschreckend geringen Überschneidungen. Dieses aufzubrechen, ist ein wichtiges erstes Ziel von mehrklang, das uns durch die oben erwähnte Zusammenarbeit immer besser gelingt. Ganz neue und viel breitere Publika wirklich zu gewinnen ist ein Ziel, das seriös nicht nach zwei Jahren erreichbar ist, das ist ein langer Weg, für den auch die vier Jahre Förderung der Bundeskulturstiftung nicht ausreichend sind. Deshalb wird auch in der Musikstadt Freiburg die Neue Musik nicht demnächst zur neuen Popularmusik avancieren, da sollten wir auf dem Teppich bleiben. Realistische Ziele und langer Atem sind gefragt. Wichtig ist zum Beispiel, dass sich bei mehrklang eine Gruppe herausgebildet hat, die intensiv an der Professionalisierung der Vermittlungsarbeit Neuer Musik arbeitet. So fand gerade ein großes Symposion zur Vermittlung Neuer Musik mit und in der Musikhochschule Freiburg statt, auch, um angehende LehrerInnen und MusikerInnen für das Thema zu sensibilisieren. Das ist nachhaltige Vermittlungsarbeit.

Wir konnten durch mehrklang dank insgesamt steigender Veranstaltungszahl die Besuchszahlen für Neue Musik signifikant steigern. Aber natürlich sind das nur zum Teil wirklich neue Interessierte. Wir merken aber schon, dass die neue Vielfalt der Vermittlungsmethoden sehr positiv aufgenommen wird und dadurch die Hemmschwellen sinken. Ganz wichtig wird es dabei bleiben, neue Kontexte zu schaffen, raus aus den eingeführten Spielstätten zu gehen, immer wieder ungewöhnliche und schräge Allianzen zu suchen. Unsere gerade gestartete Hausmusikreihe BLINDDATEMUSIC in Privaträumen ist hier ein spannendes Experiment.

3. Inwieweit hat sich die Vernetzung innerstädtischer/regionaler Netzwerke verbessert?

Nachhaltige Mehrwerte durch starke Basis- und Netzwerkarbeit sind für uns elementare Ziele, wie ich oben erläutert habe. Mehrklang ist ja ein neues Netzwerk der Akteure. Besonders wichtig ist, dass da auch diejenigen dabei sind, die nicht ausschließlich Neue Musik vertreten und sowohl die Big Player wie der SWR als auch kleine Ensembles. Das bringt ein ganz neues Wir-Gefühl aus dem vieles erwächst. Und das bringt auch eine neue Stärke und Sichtbarkeit, durch die längerfristige Kooperationen, wie die Medienpartnerschaft mit der Badischen Zeitung, die Promotion-Partnerschaft mit der Sparkasse Freiburg Nördlicher Breisgau und die Kooperation mit der Freien Hochschule Freiburg für Graphik & Design erst möglich wurden. Das Netzwerk mehrklang zieht zunehmend größere Kreise und etabliert sich auch als Name.

4. Werden die Projekte und Konzertreihen weitergehen, wenn die Mittel der Bundeskulturstiftung entfallen? Welche Folgen gibt es (Nachhaltigkeit)?

Mehrklang will seine Arbeit unbedingt auch über 2011 hinaus fortführen. Alles andere wäre ja auch absurd, die Initiative war ja von Beginn an strukturell darauf angelegt. Leider sind die Förderungen der Bundeskulturstiftung aber grundsätzlich nicht auf Nachhaltigkeit angelegt, was sich bei allen Struktur-Initiativen der Stiftung, zum Beispiel auch bei „Jedem Kind ein Instrument“, zunehmend als nachhaltiges Problem darstellt. Die Stiftung zieht sich nach vier Jahren nicht nur finanziell, sondern wahrscheinlich komplett zurück, um ein neues Thema anzuschieben. Und so steht für die künftige Basisfinanzierung die Kommune allein in der Verantwortung, Dadurch wird den Kommunen eine große Last aufgebürdet, denn sehr wahrscheinlich kann keine die Lücke der wegfallenden Bundesmittel kompensieren. Da ist deshalb schon in der Struktur der Stiftungsarbeit eine gigantische Sollbruchstelle eingebaut, die die Nachhaltigkeit gefährdet. Ob und wie in Freiburg mehrklang auch nach 2011 fortgesetzt werden kann, entscheidet der Gemeinderat Ende dieses Jahres, ein Antrag liegt uns bereits vor. Ich glaube daran, dass es gelingt. Denn Freiburg will seinen Status als besondere Musikstadt weiter ausbauen, die Szene der Neuen Musik ist hier einzigartig stark und mehrklang leistet hervorragende Arbeit, die zumindest wir als Kulturamt nicht mehr missen möchten.

5. Eine kurze Halbzeitbilanz? (z. B. Was war gut? Was ist verbesserungsbedürftig?)

Wir haben uns zu Beginn basisdemokratisch entschieden, nicht den leichten Weg des Andockens von mehrklang an eine bestehende Einrichtung zu gehen, sondern den Netzwerkgedanken der Initiative auch strukturell ernst zu nehmen. Das war mühsam, langwierig und: für Freiburg genau richtig! Mehrklang ist jetzt kein zusätzliches Projekt in der Stadt, sondern wirklich eine neue Struktur, eine von allen gemeinsam verantwortete Dachorganisation ober eben ein echtes Netzwerk mit kompetenten Spinnen in Geschäftsstelle und Vorstand. Ebenso gut war, dass wir uns nicht von widerkehrenden Leuchtturm-Ansprüchen aus dem Umfeld der Kulturstiftung anstecken ließen, sondern konsequent den zentralen Anspruch des Projekts, die Vermittlung vor Ort, in das Zentrum der Arbeit gestellt haben. Da haben wir manche Kuriosität erlebt. Gut waren dann alle der zahlreichen Fehler und Umwege, die wir gemacht haben, um daraus zu lernen. Allein für die Chance, bestimmte Formate experimentell ausloten zu können, hat sich mehrklang gelohnt. Für Experimente ist heute aufgrund des extremen ökonomischen Drucks auch in der Kultur ja leider immer weniger Raum und – schlimmer noch – Verständnis. Insofern sehe ich die Bundesmittel primär als Risikokapital und mehrklang als Versuchsanordnung. Manchmal habe ich das Gefühl, dass mehrklang jetzt, im dritten Jahr, in mehrfacher Hinsicht noch einmal ganz neu durchstartet, manches über Bord wirft und sich neu definiert. Dass dies möglich ist, macht die zentrale Qualität des Netzwerks und der Freiburger Szene aus.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!