Lauschangriff in der Schule: Zwei seltsame Beamte – Spezialisten zur Überprüfung akustischer Verhältnisse – betreten den Klassenraum. Ausgestattet mit einem skurrilen Instrumentarium beginnen sie mit verschiedensten Untersuchungen und verwickeln die Kinder in ihre Experimente zur Messung der Lärmbelastung bei „Papierzerriss“, „Buchklapp“ oder auch der berüchtigten „Knallung der Tür“. Sie bringen den Raum zum Klingen und die Kinder zum Lachen und vor allem zum Lauschen. Wie von selbst verwandelt sich der alltägliche Klassenraum durch das bloße Hören in einen magischen Ort … Hinter den Beamten stecken die Theaterpädagogen und Schauspieler Elisabeth Bode und Torsten Schütte von der Theaterwerkstatt Pilkentafel Flensburg. Mit ihrer Performance „Die Hörer“ haben sie 2013 den junge ohren preis in der Kategorie „LabOhr“ gewonnen.
Mit der Kategorie „LabOhr“ sucht der seit 2006 im deutschsprachigen Raum etablierte junge ohren preis nach Formaten, die sich über den originären Musikbereich hinausbewegen. Projekte, die das Hören selbst künstlerisch thematisieren und neues Publikum dazu anregen, sich für akustische Sinneserfahrungen zu öffnen. Bisherige Preisträger der „LabOhr“-Kategorie haben mit Kindern Soundpuzzles entwickelt wie die ohrenhoch-Kids vom Geräuschladen ohrenhoch in Berlin (2009).
Es entstanden multimediale Kompositionen („Erhebe Deine Stimme!“, Berliner Cappella e.V. und Knut Remond, 2010) oder begehbare Klanginstallationen („HörHülle“, Mehr Musik! Augsburg, 2010). Das Projekt „Klangsport“ („LabOhr“-Preisträger 2011) brachte Musiker und Sportler in einer gemeinsamen musikalischen Performance in Bewegung und neben der eingangs beschriebenen amtlichen Intervention „Die Hörer“ wurde die Improvisations-Konzertreihe für Kinder „Konzerte im Mullbau“ in Luzern 2013 mit dem junge ohren preis „LabOhr“ ausgezeichnet. Die Nominierten der Kategorie bieten jedes Jahr ein Panoptikum der akustischen Kreativität – im besten Sinne. Daraus nicht nur zu schöpfen, sondern dazu anzuregen ist erklärtes Ziel des junge ohren preises. Den Mut finden, neue Wege zum Publikum experimentell zu erschließen und intelligente musikalische Aufführungsformate im weitesten Sinne zu (er)finden – das will der junge ohren preis mit „LabOhr“.
Ein Wettbewerb, der selbst Motor für eine moderne Musikkultur sein will, steht dabei selbst vor der Herausforderung, sich immer wieder zu reflektieren. Eine Frage stellt sich bei diesem Erneuerungsprozess immer: Wie kann der Wettbewerb wirklich Impulsgeber für neue Wege sein? Denn der junge ohren preis berücksichtigt bisher nur „fertige“ Produktionen oder Projekte, reagiert also gewissermaßen auf das, was in der letzten Spielzeit auf die Bühne gebracht oder an Workshop-Projekten abgeschlossen wurde.
Zweifellos eine herausfordernde und wunderbare Aufgabe, betrachtet man das große Spektrum von Produktionen, die jedes Jahr in den Kategorien „Best Practice: Konzert“, „Best Practice: Partizipatives Projekt“ und „LabOhr“ eingereicht werden. Gewissermaßen eine jährliche Werkschau der Musikvermittlung, die einen lebendigen Diskurs darüber anregt, was gerade als „State of the Art“ gilt, welche Themen die Musikvermittlung bewegen und wohin sie sich entwickelt. „Die intensive fachliche Diskussion gibt mir wertvolle Impulse für die eigene Arbeit“, bestätigt Jurymitglied Irena Müller-Brozovic von der Education Projekte Region Basel.
Der junge ohren preis wird aber auch von Veranstalterseite aufmerksam beobachtet. Nominierte und Preisträger sind regelmäßig zu Gast bei den unterschiedlichsten Festivals und Konzerthäusern. Stefan Dünser, Preisträger des junge ohren preis 2007 mit der Produktion „Kommissarin Flunke und die Schurken“ resümiert: „Die Auszeichnung mit dem junge ohren preises hat sich nachhaltig ausgewirkt: Viele Engagements schlossen sich an, und wir profitieren bis heute von den Kontakten, die daraus entstanden sind.“
Könnte man sich an dieser Stelle nicht einfach freuen und so weitermachen? Das wäre Lydia Grün, Geschäftsführerin des netzwerks junge ohren viel zu einfach: „Der junge ohren preis ist mehr als ein Qualitätssiegel, er will neue Konzeptionen von Anfang an begleiten und gute Ideen im wahrsten Sinne des Wortes beflügeln.“ Und so kommt in diesem Jahr etwas ganz neues: Die Kategorie „LabOhr“ wird zur Konzeptkategorie und als Ideenwettbewerb ausgerufen. Zusammen mit seinen Bewerbern begibt sich der junge ohren preis ins Experimentierfeld neuer Musik- und Hörformate und zeichnet vielversprechende Ideen aus. Gesucht werden Projektideen im experimentellen Randbereich von Musik, die sich mit ihren Klangerlebnissen über die Genregrenzen hinausbewegen und/oder spartenübergreifend arbeiten. Bewerben können sich Musiker und Ensembles, aber auch Professionelle aus anderen Kultursparten mit innovativen musikalischen Formaten, die sich an alle Altersgruppen wenden.
Die Gewinner werden mit dem Geldpreis, darin unterstützt, ihr Konzept zu realisieren. So öffnet sich 2014 ein neues Kapitel beim junge ohren preis und schon jetzt steigt die Spannung, welche neuen Formate in der Folge das Licht der Musikwelt erblicken werden.
Die Autorin ist Projektleiterin des junge ohren preises