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Erb-Schleicher: Theo Geißler über die Abgründe des Zuwendungsrechts

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Das „Menschliche“ an dieser tragikomischen Oper ist rasch erzählt: Eine der Musik und der musikalischen Bildung äußerst zugewandte ältere Dame wollte den Künsten und vor allem dem Nachwuchs Gutes tun. Deshalb vermachte sie ihr Häuschen und sonstiges Hab und Gut Ende der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts testamentarisch den „Jugend musiziert“-Wettbewerben.

Bekanntlich begab sich zu Beginn des neuen Milleniums die traurige Insolvenz des „Jugend musiziert“-Trägers namens Deutscher Musikrat e.V. Und inmitten dieser Finanz-Wirren starb die Gönnerin. Eine von der Intention her zweckgebundene gute Million Euro drohte in der Misswirtschaft des damaligen Musikrates zu versacken. Es wird noch genauer nachzuvollziehen sein, wie es zunächst gelang, diese Summe zumindest vorläufig aus dem Pleitestrudel zu retten. Das Geld landete schließlich als Teil des „Insolvenzgewinnes“ in der Bilanz der 2003 neugegründeten „Musikrats-gGmbH“.

Spätestens hier beginnt der politische, ökonomische und juristische Teil der Story. In der aus GmbH-Blick vernünftigen Absicht, einen kleinen Stock an Rücklagen für die Projektgesellschaft zu bilden, unternahmen Geschäftsführung und Gesellschafter den Versuch, solches zu realisieren. Angesichts der stets stotternden, immer wieder verzögerten und keineswegs planmäßigen Finanzierung der gGmbH durch fördernde Bundesministerien sicherlich ein vernünftiger Anlauf. Musikalische Bildung braucht Planungssicherheit.

Dem aber stehen offensichtlich die Erbsenzähler-Rituale des Bundesverwaltungsamtes und das in Finanzangelegenheiten bängliche Misstrauen untergeordneter – aber zuständiger – Ministerialer diametral entgegen. Sie bestanden darauf, die jährliche Fördersumme um den „Insolvenzgewinn“, also eben jene „Jugend musiziert“-Erbschaft  inbegriffen, zu kürzen. Gegen diese „Erbschleicherei“ klagte die gGmbH – und unterlag soeben in erster Instanz.

Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass hierzulande blanker Ökonomismus und simple Formalien-Reiterei das Sagen haben statt zivilgesellschaftlicher Vernunft und menschlich angemessener Verhaltensweise: hier ist er. Und ausgerechnet Ministerien wie das für Jugend, Familie und so weiter, vor allem aber auch der Staatsminister für Kultur – stets zu fetten Pathos-Bekenntnissen in Sachen Bürgerschaftliches Engagement bereit – entlarven sich als gefügige Wasserträger primitiver Rechenschieber-Intelligenz eines inhomogenen, willkürlichen Zuwendungsrechts.

Also: Folgen Sie – sollten Sie über eine Erblassung für kulturelle oder soziale Zwecke nachdenken – den gierigen Sirenenrufen geldgeiler Politiker nur, wenn Sie Folgendes in Kauf nehmen wollen: Ihre gern zweckgebundene, gutgemeinte Zuwendung landet – als Reisekostenzuschuss für einen von Westerwelles Auslands-Show-Trips, als Beitrag zum Rettungsfonds maroder Spekulanten-Banken oder als EU-Förderung für die Vermessung von Schweinefleisch-Konserven – im kulturellen Nirwana. Mehr Hintergrund-Infos zu diesem kultur- und finanzpolitischen Schildbürger-Streich samt enthirnter Justitia in der kommenden Ausgabe.

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