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Gelegenheiten zum Tanzen sind überall

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Jazz-Neuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
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Seit je her ist Tanz verschiedener Formen eine integrale Komponente des Jazz und zumindest aufgrund bestimmter rhythmischer Muster präsent. Aktuell nehmen einige Ensembles dieses Sujet explizit ins Repertoire, so das Petter Bergander Trio aus Schweden, dessen Debüt „The Grand Dance“ (Brootby 001, Edel) gewidmet ist. Hier ist Bewegung an sich gemeint, die aus perkussiven Rock- und Latingrooves quillt und von melodischen Klavierphrasen (mit elektronischen Overdubs) gerahmt wird.

Ebenso elementar reflektiert die Sängerin Malia Erinnerungen an ihre Heimat im „Malawi Blues/ Njira“ (MPS 021091MS1, Edel), wenn sie in kleiner Besetzung (Klavier, Bass, Drums, Gitarre) mit ihrer festen Souljazz-Stimme über regionale Afrobeats ihre Landesprache und Englisch zum globalen Einklang bringt.

Wie eigentlich auch in der neuen Konjunktion „Tango Meets Cuba“ (Sony 88985382992) der deutschen Klazz Brothers (Bruno Böhmer Camacho, Klavier, Kilian Förster, Bass, Tim Hahn, Drums) & Cuba Percussion, indem sie frechen Rock-Tango durch karibsche Rhythmen modifizieren, wobei ein Bajan (Knopfakkordeon) solistisch eine Prise Klezmer einstreut und Cool Jazz nicht nur den Klassiker „Por una Cabeza“ von Carlos Gardel verfremdet.

Ein ähnliches Konzept haben Dominic Miller (Gitarre) & Manolito Simonet (Klavier), weil sie aus dem Markenzeichen „Hecho En Cuba“ (Q-rious 136, Edel), nämlich indigenen Genres wie Son und Charanga, lässiges Latin-Movimento hören und mit Brass-Arrangements dekorieren. Diese dezenten Songs, so etwa das subtile Gitarren-Flöten-Duo „La Boca“, mildern tropisches Temperament, ohne es zu leugnen.

Deutlicher dem Jazz zugewandt ist der Perkussionist Mokhtar Samba, denn seine  für die WDR Big Band Köln komponierte „Musique d’Afrique“ (Jazzline N 77034, Delta Music) feiert unter anderem beim „Valse des Pharaons“ erdige Afro-Grooves in Call & Res­ponse-Strukturen, die Raum für klasse Solo-Exkursionen lassen. Mit seiner stilistischen Melange erreicht Tanz per se artistisches Niveau.

Ein Modell, das Emiliano Sampaio und sein Mereneu Projekt durch analytischen Stil zu Parodien führt, nämlich „The Forbidden Dance“ (Session Work Records 90/16, Harmonia Mundi), der als Kanon-Salsa fast eine Groteske ist. Noch schroffer ist „Mereneu Sings In The Rain“ als komplexer Reggae oder die metrisch verzackten „Drums Your Mind“, sodass nach diesem koketten Kalkül ein Ballett die passende Adresse wäre.

Wem möglicherweise schwindelig geworden ist, sollte zur Beruhigung die auf „Sand“ (Unday Records, Rough Trade) entstandenen Club-Nocturnes des belgischen Trios Dans Dans (so der gedoppelte Name) auflegen: ihre Elektro-Adaptionen von Filmmusk wie „TV Dreams“ oder Themen von Minimalist Ennnio Morricone swingen angenehm unaufgeregt durch Nachtgefühle – Balsammusik.

Den skizzierten Novitäten zufolge haben sich Trends verschoben: geografisch ist nicht mehr die US-amerikanische Unterhaltungsbranche dominant im Einfluss auf den Jazz, sondern populäre Sujets anderer Kontinente. Gelegenheiten zum Tanzen sind überall, es kommt drauf an, je nach Gusto den passenden Jazz dazu zu finden.

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