Erschreckende Zahlen steuerten jüngst die Jazzmusikverbände mit einer Studie bei: Das durchschnittliche Einkommen eines deutschen Jazzers liegt bei 12.500 Euro im Jahr. Die Meister des Improvisierens im doppelten Wortsinn sind jedoch nur Teil eines breiten, verarmten Künstler-Proletariats. Den meisten mit Musik befassten Freiberuflern geht es schlecht – und es werden immer mehr. Wenn es nicht zynisch wäre, müsste man von einer Musikerschwemme sprechen, die daran schuld ist. Tatsächlich wächst die Zahl der Absolventinnen und Absolventen von Musikhochschulen, staatlichen wie kirchlichen. Waren es 2001 noch 1645, so machten zuletzt 2.200 ihre Abschlüsse.
Gleichzeitig gingen nach Angaben der Deutschen Orchestervereinigung DOV die Stellen an den 131 Orchestern zurück von 12.150 vor zehn Jahren auf zuletzt 9.800. Das wirkt auf den ersten Blick nicht alarmierend. Doch bei der KSK sind 50.000 freie MusikerInnen gemeldet, und es gibt nur 25.000 sozialversicherte Musiker. Alarmierend ist es zudem, wenn wie in Baden-Württemberg zwei Orchester zwangsfusioniert werden oder man sich vorstellt, einer von 500 Bewerbern auf eine 2. Tutti-Geigen-Stelle in Frankfurt/Main zu sein, wovon der Musikprofessor Klaus Fessmann berichtet. Überhaupt gab es – so meldete es das Lehrerportal Musikhochschule – im Sommer des vergangenen Jahres lediglich 276 freie Stellen in Orchestern. Die hohen Bewerberzahlen kommen zusätzlich dadurch zustande, dass die Zahl der früheren Absolventen und heute freien Musikerinnen beständig wächst. Absolut befinden sich tatsächlich nur etwas mehr als ein Drittel der Musiker in festen Arbeitsverhältnissen, je nach Instrumentengruppe gibt es freilich Unterschiede.
Noch katastrophaler sind die Zustände für Musikschullehrer, von denen viele Mitglieder in der Gewerkschaft ver.di sind, um ihre Interessen gemeinsam mit anderen Kollegen zu vertreten. Musiklehrer gehören vorrangig der Gewerkschaft GEW an, freie Musiklehrer sind in der Minderheit. Etliche Kommunen sind einem verantwortungslosen Trick gefolgt und haben ihre Musikschulen aus der städtischen Trägerschaft entlassen, um feste Stellen zu kündigen und dann andere Trägerschaftsmodelle zu deklarieren. So sind die festen Stellen in den letzten Jahren beständig reduziert worden – die Lehrer arbeiten oft in mehreren Anstellungen als Honorarkräfte, allerdings unter viel schlechteren Bedingungen, finanziell wie sozial. Diese Modelle werden gewählt, um Tarifbindung zu umgehen. Es ist ein harter Kampf an vielen Fronten, menschliche Arbeitsbedingungen für die hochqualifizierten Menschen zu schaffen. Erfolge lassen sich am ehesten über eine breite Solidarität erzwingen, dienen sie doch gesamtgesellschaftlich der musischen Persönlichkeitsentwicklung, die inzwischen bei 94 Prozent der Jugendlichen nicht mehr kontinuierlich gewährleistet ist. Klaus Fessmann, der mit den deutschen wie den österreichischen Verhältnissen vertraut ist – er ist Professor am Mozarteum in Salzburg, sagt; „Das System kollabiert.“
Zeichen dafür sind für ihn die Sparpläne in Baden-Württemberg, aber auch die Verhältnisse in Österreich. Zur Erinnerung: 2015 wollte das zuständige Ministerium bereits 500 von 2.500 Musik-Studienplätzen streichen, um die Schwemme zu stoppen und vier bis fünf Millionen Euro zu sparen. Hier wie in Österreich hat man darauf dann doch verzichtet, weil sich mit Studenten aus Nicht-EU-Staaten Geld verdienen lässt. In Salzburg, sagt Fessmann, seien 70 Prozent der Studenten asiatischer Herkunft. Gleichzeitig schrumpft dort bereits die Ausbildung von Pädagogen. Parallel dazu gingen beim Mozarteum 500 Bewerbungen auf 20 Studienplätze im Fach Flöte ein. Gewiss hören wir wieder in der nächsten Sonntagsrede, dass Bildung und Qualifikation Grundlagen unserer Zivilisation und Zukunft sind.