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Zusätzlicher Musikunterricht durch „klasse.im.puls“: Evelyn Beißel mit ihren Schülern im fränkischen Naila. Foto: Reinhard Feldrapp, Naila
Zusätzlicher Musikunterricht durch „klasse.im.puls“: Evelyn Beißel mit ihren Schülern im fränkischen Naila. Foto: Reinhard Feldrapp, Naila
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Klassenmusizieren im bayerischen Netzwerk

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Das Projekt „klasse.im.puls“ beginnt gezielt erst ab dem fünften Schuljahr
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Seit rund drei Jahren gibt es in Bayern „klasse.im.puls“, eine gemeinschaftliche Initiative der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und des bayer- ischen Kultusministeriums. Das erklärte Ziel ist, das aktive Musikmachen im Musikunterricht der Haupt-,Mittel- und Realschule zu akzentuieren. Evelyn Beißel, Realschullehrerin im fränkischen Naila, ist Projektmanagerin von „klasse.im.puls“. Sie gibt im Gespräch mit nmz-Chefredakteur Andreas Kolb einen Einblick in ihre Arbeit und erklärt, warum die Initiative eigentlich das „bessere JeKi“ ist.

neue musikzeitung: Sie sind Projektmanagerin für „klasse.im.puls“ an der Universität Erlangen. Was verbirgt sich hinter diesem Markenzeichen?

Evelyn Beißel: Das Projekt unterstützt Schulen bei der Einführung oder Durchführen von Modellen zum Klassenmusizieren. Das geschieht einerseits durch Beratung, die auf individuellen Voraussetzungen der Schulen eingeht. Andererseits bietet es Fortbildungen für einzelne Klassenmusizier-Konzeptionen, zum Beispiel um das Klassenmusizieren überhaupt erst kennenzulernen. Dann bietet „klasse.im.puls“ Hilfen bei der Umsetzung solcher Konzeptionen, bei denen Instrumente durch Projektpartner angeschafft werden, und natürlich bei der Vermittlung von Sponsoren oder gleich durch Bezuschussung beim Kauf von Instrumenten.

nmz: Wie setzt sich die Projektstelle zusammen? 

Beißel: Projektleiter ist Professor Wolfgang Pfeiffer; Tobias Fichte und ich teilen uns das Projektmanagement, jeder hat unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte. Seit einiger Zeit werden wir durch eine Projektkoordinatorin unterstützt, Annika Lux. Sie ist unsere Schnittstelle und hält den Informationsfluss am Laufen, wenn wir jeweils nur einen Tag in der Woche im Büro sind. Zusätzlich haben wir noch einen Beirat: eine Musiklehrerin, die auch an der Projektfindung beteiligt war und mit ihrer Schule am Projekt teilnimmt, eine Dame aus dem schulischen Kontext, aber ganz bewusst nicht aus dem musikalischen, und einem Herrn aus der freien Wirtschaft.

nmz: „klasse.im.puls“ ist damit ein Projekt des Freistaates Bayern?

Beißel: Sagen wir so, die ursprünglichen Haupt-Projektpartner sind das Kultusministerium und die Universität. Vom Kultusministerium bekommen wir unsere Stellen bezahlt und einen kleinen Zuschuss für Fortbildungsveranstaltungen, aber keine Finanzmittel.

nmz: Keine Instrumente zum Beispiel?

Beißel: … keinerlei Instrumente. Die teilnehmenden Schulen tragen ihre Kosten selbst, zum Beispiel mit der Unterstützung der Hauptsponsoren aus der Wirtschaft, einigen Stiftungen und weiteren örtlichen Unterstützern und Sponsoren. 

nmz: Sie sitzen an der Uni Erlangen, sind aber für ganz Bayern zuständig?

Beißel: Ursprünglich war das Projekt für einen begrenzten geografischen Raum angelegt: die Metropolregion Nürnberg. Aber dann kamen zunehmend Anfragen aus und Fördergelder für ganz Bayern. 

nmz: Wer hatte denn die Idee für das Projekt, und was ist eigentlich das Neue an Klassenmusizieren? 

Beißel: Das Neue ist der Netzwerk-Gedanke. Die Universität arbeitet mit dem Kultusministerium zusammen, die Schulen haben direkt einen Zugang zur Universität, Einbahnstraßen sind zu einem Gegenverkehr geworden. Darunter fällt auch, dass die Fortbildungen an der Universität stattfinden und dass Lehrer mehr in die Universität eingebunden sind. Institutionen, die ehemals getrennt voneinander agiert haben, können sich jetzt vernetzen: Das ist einfach ein wunderbares Forum, eine Plattform, um die Qualität des Klassenmusizierens zu steigern, Ängste zu nehmen und durch die individuellen Beratungen Konzepte zu schnüren, die wirklich zu den einzelnen Schulen passen.

nmz: Wenn man nun bei Ihrem Projekt mitmachen möchte, dann muss man Musiklehrer oder Schulmusiker an einer Schule sein, oder kann auch ein örtlicher Musikschulleiter sagen, er möchte an der allgemeinbildenden Schule etwas unternehmen?

Beißel: Zunächst sprechen wir natürlich Schulmusiker an, aber auch Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, die einen privaten musikalischen Hintergrund haben. Sehr gerne bilden wir Netzwerke mit Musikschulen oder außerschulischen Institutionen. Es ist uns wichtig, dass der hauptverantwortliche Projektträger ein Lehrer an einer Schule vor Ort ist, weil uns Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. Wir fördern nur Schulen, die über einen Zeitraum von vier Jahren dieses Modell durchziehen. Notfalls holen wir die gesponserten Instrumente wieder zurück, sofern ein Projekt aus organisatorischen Gründen nicht fortgesetzt werden kann. Mitmachen kann aber grundsätzlich jeder, der das Musizieren an Schulen oder mit Kindern fördern möchte. 

nmz: WelcheFormate bietet „klasse.im.puls“?

Beißel: Hinter „klasse.im.puls“ steht ein ausgearbeitetes, methodisch-didaktisches Konzept, das offen ist für jegliche Form des Klassenmusizierens. Sehr beliebt sind derzeit die Bandklassen – gerade an Schulen, an denen bisher noch nicht so viel musiziert wurde, Hauptschulen zum Beispiel. Eine solche Schulklasse besteht dann aus fünf Bands; jeder Schüler hat ein Band-Instrument. Es gibt aber auch Streicherklassen, ganz neue Entwicklungen von Gitarren- und Mandolinenklassen, oder Mischformen, wo ein Chor mit einer Perkussionsgruppe arbeitet und dergleichen. Wir sind für alle diese Modelle offen. 

nmz: Sie machen jetzt kein „Yamaha-Klassenmusizieren“, sondern die Lehrer müssen sich etwas überlegen? 

Beißel: Es muss von den Lehrern schon selbst Hand angelegt werden. Aber wir schulen die Lehrer auch. Das „Yamaha-Modell“ bieten wir zwar an, jedoch verpflichten wir niemanden, ein Modell umzusetzen, hinter dem er nicht steht.

nmz: Stichwort: „Überfördern wir unsere Kinder?“ Wie sieht sich „klasse-im-Puls“ denn in der gegenwärtigen  bildungspolitischen Diskussion?

Beißel: „klasse.im.puls“ ist doch der ideale Schlüssel: einerseits ein rein kognitiver Zugang zu einer Sache, andererseits ein emotionaler oder handlungsorientierter Zugang. Besser geht’s eigentlich gar nicht. Die Lehr- und Lernforschung bestätigt dies.

nmz: Hat denn „klasse.im.puls“ ein zusätzliches Stundendeputat? Oder tritt es an die Stelle des üblichen Musikunterrichts?

Beißel: Eigentlich kann „klasse.im.puls“ nur mit einer dritten Musikstunde oder mehr funktionieren. Es sollte aber ein Teil des üblichen Musikunterrichts sein. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, noch Stunden dazu zu bekommen, zum Beispiel durch Fördervereine. 

nmz: Wird „klasse.im.puls“ nur von Schulmusikern durchgeführt oder nimmt man sich zum Beispiel auch externe Musikschullehrer/-innen?

Beißel: Das ist individuell offen. Ich würde mir wünschen, dass es wirklich Tandems gibt, dass Musikschulen mit an den Schulen sind, mit den Musiklehrern zusammen Talente suchen, dass man voneinander lernt und natürlich auch, dass man gemeinsam vermittelt. Kinder, die aufgrund eines familiär bedingten nicht-musikalischen Hintergrunds kein Instrument lernen würden, sollten leichter diese Schwelle überwinden können. Ich sehe das auch ein Stückchen weit als „Zuliefer-Möglichkeit“ oder Talentsuche für Musikschulen. Das ist doch eigentlich das Größte, wenn man so einen „Rohdiamanten“ gefunden hat.

nmz: Sie sagten einmal „klasse.im.puls“ sei das „bessere JeKi“ ...? 

Beißel: „JeKi“ fängt relativ früh mit dem Instrumentalspiel an. Wir steigen dagegen ganz gezielt erst in der Sekundarstufe ein, weil wir da über einen längeren Zeitraum hinweg Kinder haben, die von ihrer Entwicklung und Lernstruktur her den ähnlichen Stand haben. In der Grundschule ist es noch eine sehr heterogene Gruppe. Wir wollen ja auf die Persönlichkeitsentwicklung mit eingehen, und die ist natürlich am Spannendesten in der ausgehenden Kindheit, im Übergang zur Pubertät, bis zum Erwachsenwerden. Die vier Jahre können wir nur wirklich ab der fünften Klasse überblicken.

nmz: Was sind denn die beliebtesten Projekte bei den Kindern? In ländlichen Regionen vielleicht eher Bläserklassen …?

Beißel: Bläserklassen sind regional unterschiedlich stark beliebt. Neben den Bandklassen sind Chorklassen oft sehr beliebt, da eigentlich jeder Musiklehrer eine gewisse vokale Grundausbildung hat, und weil sie die Schule nicht wirklich viel kosten. Streicherklassen werden immer noch unterschätzt, sind aber erfreulicherweise langsam im Kommen. 

nmz: Darf man Leihinstrumente mit nach Hause nehmen?

Beißel: Das ist eigentlich der Hauptknackpunkt. In der Regel ist es so, dass die Schüler die Instrumente mit nach Hause nehmen. Außer natürlich, eine Schule hat das Ganztageskonzept so geschnürt, dass Lehrer Übezeiten in der Schule mit begleiten und anleiten. In manchen Schulen, sogenannten „Brennpunktschulen“, ist es so, dass im ersten Lernjahr die Instrumente zunächst an den Schulen bleiben. Es ergibt sich aber immer relativ schnell, dass die Schüler die Instrumente auch mit nach Hause nehmen können.

nmz: Was bieten Sie einem Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule für einen Mehrwert an, wenn er bei „klasse.im.puls“ mitmacht, anstelle selbst eine Schul-Band zu gründen?

Beißel: Der fachliche Austausch, der an einer einzelnen Schule kaum möglich ist. Dann die Möglichkeit, sich individuell Fortbildungspakete zu nehmen. Der fachliche Austausch in den Foren. Die Möglichkeit, an musikalischen Großveranstaltungen teilzunehmen, eigenes Material einzuspeisen, zu diskutieren und anderes Material dafür zu bekommen. 

Eine schriftliche Dokumentation des Projektes ist nun erschienen und kann angefordert werden: 

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Musikpädagogik
Department Fachdidaktiken
Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie
Regensburger Straße 160
90478 Nürnberg
Tel.: 0911/53 02-134
Fax: 0911/53 02-719

 

s. auch: Videobeitrag von nmzMedia zum Thema "klasse.im.puls – Das Klassenmusikkonzept in Bayern"

 

 

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