Richard Williams versucht sein Glück. Und er hat gute Voraussetzungen. Hierzulande kennt man den 68-jährigen Briten kaum, auch wenn er Bücher über Miles Davis oder Bob Dylan geschrieben hat und den angesehenen Insider-Blog thebluemoment.com betreibt. Außerdem startet er mit neuem, verjüngtem Team in die Zukunft der Berliner Jazztage. Viel Freiheit also für ein Festival mit großer Tradition.
neue musikzeitung: Herr Williams, wie wurden sie in Deutschland empfangen?
Richard Williams: Ich verstehe die Leute gut, die überrascht waren, dass jemand kommt, der die vergangenen zwei Jahrzehnte vor allem über Fußball geschrieben hat. Aber auf der anderen Seite habe ich seit rund fünfzig Jahren mit Jazz zu tun. In Berlin war ich zum ersten Mal 1969 bei den Jazztagen und hatte daher eine Ahnung von der historischen Dimension des Festivals. Insgesamt bin ich sehr freundlich und warmherzig empfangen worden.
Ich habe viel Zeit damit verbracht, mehr über die Berliner Musikszene zu lernen, auch weil mir viel daran liegt, die Verbindung zwischen dem Festival und der schöpferischen Community zu festigen.
nmz: Berlin 1969 war ein anderes Pflaster …
Williams: Ich hatte Joachim-Ernst Berendt kennengelernt. Wir freundeten uns an, ich bewunderte seine Arbeit, und es war schnell klar, dass sich die Berliner Jazztage deutlich von anderen Festivals unterschieden. Sie waren abenteuerlustiger als andere, und als ich gefragt wurde, ob ich die Rolle als Künstlerischer Leiter übernehmen wolle, habe ich lange überlegt. Ich hatte so etwas noch nie gemacht, aber das Jazzfest ist zugleich die einzige Veranstaltung dieser Art, die mich reizt. Ich will kein Museum für Vergangenes kuratieren, es geht um die Gegenwart, die Zukunft dieser Musik.
nmz: Wird es nun mehr britische Künstler auf der Berliner Bühne geben?
Williams: Nicht zwingend. Meine erste Intention ist es, Musik von überall nach Berlin zu bringen, die ich selbst aufregend finde und von der ich meine, dass es dem Publikum genauso gehen könnte.
nmz: Nicht nur die künstlerische Leitung hat sich verändert …
Williams: Letztes Jahr habe die letzte Ausgabe erlebt, zu der noch Ihno von Hasselt gehörte. Dieses Jahr ist das Team neu, wir starten in die zweite Jahrhunderthälfte, und das nicht mit weiteren Geburtstagsfeiern oder Tributes. Wir wollen zeigen, wo die Musik jetzt steht und wo es hingehen könnte.
nmz: Was sind die Herausforderungen?
Williams: Jazz kann durch Eigenschaften wie Spontaneität oder Improvisation viele andere Künstler anstecken und in veränderter Form zurückgeben, was er selbst in seiner Geschichte an Einflüssen erlebt hat. Am letzten Abend beispielsweise haben wir den „Diwan der Kontinente“ auf der Bühne, ein Ensemble mit Musikern vieler Kulturen. Sie spielen Ins-trumente ihrer Welten, als neue Verbindung unter dem Dach des Jazz. Es ist eine Weltpremiere, wird drei Tage lang im Jazz-Institut erarbeitet, so dass auch die Studenten etwas davon haben.
nmz: Also mehr Berlin auf der Bühne?
Williams: Berliner Musiker sollten durchaus vom Festival unterstützt werden und nicht das Gefühl bekommen, dass es sich nur um einen Ort für große Namen aus Amerika handelt. Wenn man deutsche oder Berliner Bands einlädt, dann sollte es aber auch etwas sein, was man sonst nicht jeden Tag vor Ort im Club hören kann.
nmz: Und mehr Festival in Berlin?
Williams: Ich sehe es auch als Verantwortung, neues Publikum zu erreichen und Menschen zu motivieren, in das Haus der Festspiele nach Wilmersdorf zu kommen. Ich will aber das Jazzfest nicht auf die ganze Stadt ausdehnen, sondern den Menschen klarmachen, dass sie das Festival auch betrifft, wenn sie in anderen Vierteln wohnen und sich auf den Weg machen.
Interview: Ralf Dombrowski