Eine Facebook-Seite hat nahezu jede Kulturinstitution. Man will schließlich die Jugend erreichen. Neueste Umfragen zeigen, dass jene da inzwischen aber nicht mehr sind. Letzter Hype: Snapchat. Doch ist es auch für Kulturinstitutionen interessant?
Pinterest, Facebook, foursquare, Twitter, Instagram, tumblr, Peach, Vine, Snapchat – ein Social-Media-Hype jagt den nächsten und die Nachhaltigkeit ist manchmal kaum messbar. Doch wer nicht auf den richtigen Zug aufspringt, gilt schnell als konservativ und altbacken. Ein Vorwurf, dem sich so manche Kulturinstitution sowieso oft ausgesetzt sieht. Social-Media-Kanäle zu bedienen ist der Versuch, diesem entgegenzuwirken. Es gibt zahlreiche tolle Beispiele für gelungenes Social-Media-Marketing in der Kultur.
Doch das Netz ist schnelllebig. Jeder neue Hype wirft einen wieder an den Anfang. Mitmachen? Wie funktioniert es? Wie sich präsentieren? Lohnt sich das? Wen erreichen wir? Muss man das überhaupt und warum? Fragen, die hier am Beispiel Snapchat einmal durchgespielt werden sollen.
Snapchat war ursprünglich ein Messenger-Dienst, bei dem man sich Fotos zuschickte, die nach maximal 10 Sekunden verschwanden und nie wieder aufgerufen werden konnten. Inzwischen wurden die Funktionen entwickelt und erweitert. Seit einiger Zeit kann jeder Nutzer eine „Story“ anlegen, was diesen Dienst für Marketingzwecke interessant macht. Bilder und Videoschnipsel werden aneinandergereiht und sind 24 Stunden sichtbar für alle „Freunde“. Genutzt wird es von den meisten wie ein Tagebuch. Man fotografiert und erzählt, was man erlebt. Kurz und prägnant. Denn auch hier sind zehn Sekunden die Zeitspanne eines Snaps – die sich natürlich auflöst, indem man mehrere Snaps hintereinander aufnimmt und in die Story stellt. Bilder, die sich über den Tag sammeln, erscheinen für andere als eine Geschichte. Das ist die Herausforderung: im richtigen Moment das richtige Bild machen, sodass es sich dann für den Zuschauer wie eine Geschichte anfühlt. Das Neue und Andere an Snapchat: man wird persönlich. Videos und Bilder von kurzer Haltbarkeit lohnen nicht den Aufwand von Inszenierung, der inzwischen in Instagram und YouTube steckt. Man darf ungeschminkt, im Bett und alltäglich sein. Aber wo steckt nun die Chance für eine Kulturinstitution? Die folgenden Abfragepunkte kann man sich für jeden Dienst bereit legen und werden hier an Snapchat beantwortet:
Besonderes Merkmal: Eine Art Tagebuch – man gibt sich und seiner Institution ein Gesicht, Routine und Authentizität.
Schwierigkeiten: Erstelltes hält nur 24 Stunden, es bedarf viel Kreativität, damit es nicht eintönig wird, App bedient sich einer Haptik, die für viele Digital Immigrants schwierig zu verstehen ist.
Vorteile: man bekommt mitgeteilt, welche „Freunde“ sich die Story angeschaut haben, von diesen kann man sich sehr sicher sein, dass sie den Inhalt bewusst wahrgenommen haben – kein Durchrauschen einer Timeline, 24 Stunden Haltbarkeit erlauben Experimente und Fehler.
Nachteile: Keine Verlinkung auf andere Dienste möglich, sehr kurze Haltbarkeit, Tagebuch-Art läuft Gefahr die Institution auf ein Gesicht zu reduzieren.
Technisches Equipment: Smartphone (kein Desktop-Zugang)
Know-How: Ein wenig Zeit zum Reinfinden oder eine kurze Einführung durch einen Bekannten genügen.
Aufwand: Unter Umständen groß für die kurze Präsenz.
Fanbindung: Hoch – man bekommt Hintergründe, Zwischentöne und Erklärungen, die in Textform und mit Aufwand nicht dieselbe Authentizität hätten.
Die Handykamera ist immer nur eine Armlänge entfernt
Snapchat bietet die Möglichkeit etwas zu zeigen, was neben der Standard-Marketing-Strategie liegt. Der Beleuchter könnte einen Tag lang seinen Arbeitsablauf dokumentieren, die Hospitantin von ihren Erlebnissen berichten. Die kleinen Schritte der Prozesse statt großer Ergebnisse werden sichtbar.
Snapchat ist nicht gut geeignet, um neue Fans zu generieren. Es werden einem seit Neuestem zwar einige Vorschläge gemacht, wem man folgen könnte, doch Snapchat versteht sich primär als Messenger, weniger als ein Netzwerk. Doch man kann die bereits vorhandenen Fans über andere Kanäle auf Snapchat aufmerksam machen und auf diese Weise die Bindung und Loyalität erhöhen. Denn eine Snapchat-Story suggeriert einen Live-Moment. Zudem ist die Handykamera höchstens die Armlänge des Nutzers entfernt, und somit fühlt sich der Zuschauer ganz nah dabei. Der Zuschauer bekommt das Gefühl, dass der Snapper diesen Moment nur für ihn festgehalten hat.
Auch ein Aufhören nach einer Testphase oder wenn der Hype vorbei ist, zeugt von kompetentem Medienumgang. Niemand verübelt es einem, wenn man nicht mehr auf ICQ-Nachrichten antwortet oder die Myspace-Seite seit Jahren nicht gepflegt wurde. Obwohl schon zu raten wäre, den Account einfach zu löschen.
Das Spannende an neuen Hypes ist die Möglichkeit des Experimentierens. Es gibt noch keine festen Gewohnheiten und Rituale. Eine Chance, die gerade der Kreativwirtschaft zuspielen sollte. Wie immer gibt es nicht den einen Weg, nicht die goldene Regel. Wer sein Publikum mit Flyern, die beim Bäcker ausliegen, erreicht, damit den Saal zufriedenstellend füllt und noch dazu positives Feedback erhält, hat auch alles richtig gemacht.