Was zunächst als intuitives Ausprobieren bei einem Fünfjährigen begann, entwickelte sich schon sehr bald zu einer intensiven philosophischen Auseinandersetzung mit Musik, die sich seither in einem beachtlichen Erfolg nicht nur als Komponist, sondern auch als Konzertpianist zeigt. Seine erste Sinfonie mit dem Titel „Kraftwerk“ (2012 auf CD bei OehmsClassics erschienen), die er im zarten Alter von 14 Jahren komponierte, begeisterte nicht nur Kritiker, sondern zeigt auch eine erstaunliche Tiefe und Reife, die noch mehr Erfolg in der Zukunft vermuten lässt.
Obwohl Alexander M. Wagner den Eindruck eines intellektuellen und vergeistigten Jugendlichen vermittelt, erkennt man bisweilen eine humorvolle Unbekümmertheit, die trotz oder gerade angesichts seiner ersten Erfolge angenehm überrascht. So erfreut es, dass er nicht nur als Knabe im Geiste Mozarts wandelte, sondern den verschiedenen schönen Künsten ein ausgesprochenes Interesse zu widmen scheint. „Ja, man lüstet sich nicht immer nach dem Klavier!“, meint er schmunzelnd. „Auch würde ich nie sagen, ich höre ausschließlich Klassik oder Jazz.“
Die intensive Beschäftigung mit der Musik bedeutet für ihn nicht nur das bloße Studium der Noten, sondern eine geistige Verbindung zwischen allen Künsten wie Lyrik, Kunst und Philosophie. Musik bedeutet für ihn eine philosophische Grundhaltung, die sich als Reflexion des eigenen Lebens definiert und sich als das erweist, was uns innerlich antreibt: „Ich glaube, dass es eine innere Befriedigung in der Auseinandersetzung mit dem gibt, was wir nicht kennen. Dies verhält sich bei der Musik tatsächlich so. Sie fasziniert uns in ihrer Natürlichkeit.“
Dabei stammt Wagner aus einer Familie, in der Kunst und Musik nicht ursprünglich im Zentrum stand, in der er jedoch sehr gefördert wurde. „Ich habe früher immer alle Bruckner-Symphonien gehört, so laut, dass das ganze Haus gebebt hat“, erinnert er sich lachend.
Bereits mit fünf Jahren war er so vom Pianoforte fasziniert, dass er nach stetem Drängen tatsächlich eines von seinen Eltern bekam. Seine ersten kleineren Kompositionen entstanden anfangs allein durch reines Ausprobieren und den Widerhall des Klangs. Als junger Tastenlehrling schon hatte er das Glück, von Franz Hummel einen durch Freiheit geprägten Klavierunterricht zu erhalten, der ihm die kompositorischen Grundlagen auf spielerische Weise vermittelte. Noch heute ist er dafür dankbar, scheint doch Offenheit ein wesentlicher Aspekt in seinem künstlerischen Schaffen und seiner Persönlichkeit zu sein.
Seine Inspiration erwächst aus Anspruch und absoluter Freiheit. Deshalb beschreitet er oft ganz ungewöhnliche Wege. Zum Beispiel, wenn er mit dem Gedanken spielt, Bach als zeitreisenden Komponisten abseits seiner eigenen Schaffensperiode in die heutige Zeit zu transferieren, um seine Werke unter Berücksichtigung der bisherigen Musikentwicklung neu betrachten zu können. „Auch Beethoven hätte heute ganz anders komponiert, aber mit dem gleichen eigensinnigen Charakter.“
Sowohl das Komponieren als auch das Interpretieren an sich prägen und ergänzen sich seiner Meinung nach gegenseitig. „Als Interpret glaubt man zu verstehen, wie alles entsteht und sieht das mit ganz anderen Augen. Als Komponist schreibt man Dinge anders, weil man weiß, dass der Interpret es anders ausdrückt.“
Nicht nur als Komponist, sondern auch als gefragter Pianist feiert Wagner große Erfolge. Wobei er sich nicht nur technische Perfektion erschließt, sondern Orientierung an der alten Kunst der Interpreten sucht, an den Richtlinien der ‚alten Meister‘, an denen noch die eigene Persönlichkeit und die Individualität des Intellekts bewundert wurde: „Das wirklich beeindruckende einer großen Interpretation ist ihre innere und verborgene ‚Unordnung‘.“
Wagner erkennt im Gegensatz zu früher eine deutliche Verschiebung hin zum technisch Perfekten, das leider aber das Wesentliche der Musik außen vor lässt: „Das Traurige an der Musikwelt heute ist, dass das wirkliche Individuum in der Kunst leider kaum mehr gefragt ist. Eine Interpretation verlangt nämlich eine durchdringende Selbstreflexion. Warum ist man zu Swjatoslaw Richter ins Konzert gegangen? Weil er einfach eine Persönlichkeit war. Was mich interessiert, ist, wie Emil Gilels Beethoven sieht. Zerreißt er ihn, verwirft er ihn, verehrt er ihn?“
Wagner schätzt auch die Epoche eines Horovitz oder Cortot sehr, da eine Freiheit und eine Gelassenheit in der Luft lag, welche sich auch auf die Spontaneität der Gestaltung auswirkte.
„Nimm dir Zeit und betrachte jedes Stück, als würdest du dich auf einen neuen Freund einlassen“, so seine abschließende Botschaft für heutige Künstler. Dabei scheint Wagner schon früh bewusst zu sein, dass es Menschen geben muss, die einen auf diesem musikalischen Lebensweg begleiten. „Ich bin froh, dass ich diese schon ganz früh gefunden habe. Die Auseinandersetzung dauert ja das ganze Leben an, aber man braucht Leute, denen man Vertrauen schenkt. Ohne den Rückhalt in der Familie könnte man das gar nicht leisten.“