Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht werden.
Nachrichten aus der neuen musikzeitung 2006/07:
Für qualifizierte Radioprogramme
„Das ganze Werk“ jetzt auch in Berlin und Brandenburg
In der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler wurde am 22. Juni die Initiative „Das ganze Werk“ für die Region Berlin/Brandenburg gegründet. Ihr Vorbild findet die Initiative in Norddeutschland, wo engagierte Radio-Hörer unter dem Motto „Das ganze Werk“ bereits seit zwei Jahren für eine Qualifizierung des NDR-Kulturprogramms eintreten.
Mit der Neu-Gründung sollen ähnliche Aktivitäten für den Sender Radio-Brandenburg (rbb) in Gang gesetzt werden. An der der Gründung vorausgehenden Podiumsdiskussion nahm auch der Komponist Manfred Trojahn, Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, teil. „Der Sender muss ein abwechslungsreiches, an Qualität und am Kulturauftrag orientiertes Programm bieten, das zum Zuhören einlädt“, heißt es in der Gründungsresolution der Initiative. Erst mit einem solchen Programm könne der Sender überzeugend der Verpflichtung nachkommen, die Musik durch Kompositionsaufträge und Produktionen mit neuem Repertoire fortzuentwickeln.
Manfred Trojahn berichtete, dass Komponisten in der GEMA Wertungspunkte für Sendungen im Radio kaum noch sammeln könnten. „Sie werden nicht mehr gespielt.“ Ebenso wie Trojahn bemängelten auch Rechtsanwalt Gerhart R. Baum sowie Gisela Nauck, Herausgeberin der Zeitschrift „Positionen“, dass die Redaktionen der Neuen E-Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit wesentlich gekürzten Sendeplätzen und Etats kämpfen müssen.
Deutsch-Polnische-Musikbörse
Bernd Neumann und Slawomir Tryc eröffnen Internetportal
Mit einem bedeutungsschweren Druck auf einen roten Knopf öffneten der Kulturattachée der polnischen Botschaft Slawomir Tryc und der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann im Berliner Bundeskanzleramt das Internetportal der Deutsch-Polnischen-Musikbörse. Fünf Jahre haben der Deutsche Musikrat und polnische Musikorganisationen im Zeichen der kulturellen Verständigung auf dieses Projekt hingearbeitet, haben zum Beispiel beim Warschauer Herbst und bei den Darmstädter Ferienkursen Austausch und gemeinsames Arbeiten in die Wege geleitet; dann, vor knapp zwei Jahren wurde die Idee entwickelt, die Kontakte vor allem an der Basis auf eine solidere Grundlage zu stellen. So kann man sich nun (über www.deutsch-polnische-musikboerse.de oder auf Polnisch über www.polsko-niemiecka-gielda-muzyczna.pl) über Aktivitäten im Nachbarland informieren und gemeinsame Projekte, Besucheraustausch, Teilnahme an Wettbewerben etc. vorantreiben. Europäische Einigung, das war auch der Tenor aller Redebeiträge, kann nur gedeihen, wenn die Barrieren zwischen den Ländern vor allem auf der breiten Basis abgetragen werden. In diesem Sinne versteht man die Deutsch-Polnische-Musikbörse (es ist die erste solide musikinformelle Brücke zwischen EU-Ländern) auch als Modell. Dominoartig wäre es auszubauen bis ein weit verzweigtes Netz geschlossen ist. Die Zweisprachigkeit des Portals soll noch, gewissermaßen als gemeinsamer Anker, durch Englisch erweitert werden. „Die kleinen Schritte sind oft wichtiger als große politische Projekte, die dann oft nicht gelingen“, meinte Neumann. Da wollte ihm niemand widersprechen.
Reinhard Schulz
Komponisten-Positionen 2006
Anlässlich seiner Mitgliederversammlung am 26. Juni 2006 in Berlin hat der Deutsche Komponistenverband (DKV) sein „Positionspapier 2006“ verabschiedet. Der Verband weist in dem Papier auf die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der Musik-urheber aller Sparten hin und setzt sich mit seinen Forderungen an die Politik ebenso wie an die Medien für die Interessen der Komponisten ein. Im Einzelnen beschäftigt sich das Papier mit der sozialen Situation der Urheber, mit der Musikalischen Bildung in Deutschland und mit den Medien. Der DKV fordert die Bundesregierung auf, die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt glaubhaft umzusetzen. Gleichzeitig ruft der Verband die öffentlich-rechtlichen Medien auf, den Anspruch der Konvention in seinen Programmen darzustellen und ein umfängliches musikalisches Repertoire zu senden, eingeschlossen die Werke lebender Komponisten. Der DKV wendet sich mit seinem Positionspapier gegen eine Rundfunkpolitik des Abbaues anspruchsvoller Programminhalte. Im Zusammenhang mit der alarmierenden sozialen Situation vieler Musikurheber richtet der DKV seine Bemühungen darauf, dass Novellierungen des Urheberrechts in Deutschland und Europa im Interesse der Urheber und nicht zu Gunsten der Verwerter von Musik beschlossen werden. Im Sinne eines „barrierefreien Zugangs zu jeder Art von Musik“ setzt sich der DKV dafür ein, die musikalische Bildung in den allgemein bildenden Schulen stärker zu verankern, und fordert ein starkes Engagement der Länder für alle Bereiche der musikalischen Bildung und Ausbildung. Der Deutsche Komponistenverband wird sich im Rahmen seiner internationalen Aktivitäten für die Gründung eines europäischen Komponistenverbandes einsetzen, der Komponisten aller Sparten und Richtungen vertritt. Nur die gemeinsam vorgetragenen Forderungen und Argumente könnten die Interessen der Musikurheber in einer primär wirtschaftlich bestimmten europäischen Politik durchsetzen.
Musiker von Outlandish setzen Zeichen
Die SchoolTour an der Berliner Rütli-Schule
Deutschlands schlimmste Schule? Wohl selten wurden Boulevard-Horrorbilder so schnell entlarvt wie hier. „Die SchoolTour zieht seit Jahren durch die Rütli-Schulen dieser Republik, dort leben keine Monster, sondern Menschen, und die benötigen Hilfe und Anregungen“, meint Projektleiter Jürgen Stark. In der Tat: Was die Projektwoche der Deutschen Phono-Akademie vom 26. bis 30. Juni 2006 in Neukölln in nur einer Woche vollbrachte, grenzt an ein kleines Wunder (nachhörbar und -ehbar auf dem Sampler „Rütli Action – Bei uns ist immer was los“). Die aus Dänemark angereisten Outlandish staunten beim Besuch, rappten und tanzten mit den Kids (siehe unser Foto) und lobten deren kreative Power. Ein neunköpfiges Team vermittelt Schülern in kleinen Teams unter anderem Musik- und Filmproduktion, Breakdance und DJ-Culture, Moderation und Medien sowie Event Management. Das Erarbeitete wird auf der selbst organisierten und moderierten Gala am Ende der Woche von den Schülern präsentiert. Als Coaches reisen zu den jeweiligen SchoolTours Experten Musiker und Filmemacher, Konzertveranstalter, DJs, Choreographen, Tänzer und Medienprofis an. Das Motto der Profis: „In jedem Schüler steckt ein – meist unerkanntes – Talent, dieses sollte gefördert werden!“ Die Initiative der Deutschen Phono-Akademie, gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung ins Leben gerufen, konnte in Berlin erstmals mit stark erweitertem Unterstützerkreis aufwarten: unter anderem School Jam, Jazz & Rock Schule Freiburg, Dean Guitars, Estrelle Convention Centre. Ein angeschlossenes Projekt zur Lehrerfortbildung wird von den Verlagen Schott und ConBrio unterstützt, sowie von der GEMA und dem Deutschen Musikrat. Für die SchoolTour in Berlin hatte der Landesmusikrat die Schirmherrschaft übernommen.
Der Meisterkurs der Popmusik
Neue Impulse für die Musikwelt: die PopCamp -Jury kürte in Berlin fünf Bands
Die fünf Teilnehmer-Bands des diesjährigen „PopCamp – Meisterkurs für Populäre Musik“ stehen fest: „Erik & Me“ und „Hotel“ aus Berlin, „K.ill Y.our D.arling!“ aus Weimar, „Pristine“ aus Bochum und „The Titans“ aus Stuttgart haben das Rennen gemacht.
Eine Jury aus zwölf Persönlichkeiten der Musik- und Medienbranche (siehe unser Foto) hatte sich am 10. Juni in dem Berliner Büro des Deutschen Musikrates zusammengefunden, um die fünf Besten der Besten auszuwählen. Ihr Ziel ist gleichzeitig das Anliegen des zum zweiten Mal veranstalteten Meisterkurses für Populäre Musik: die Förderung von Bands, die der Musikwelt durch Originalität, Qualität und Innovativität neue Impulse geben können. Acht Stunden wurden von der Jury Musik gehört, Videos angesehen, Pressetexte, Lebensläufe und Booklets gelesen. Es wurde darüber diskutiert, wer das meiste musikalische Potential, die besten technischen Fähigkeiten und die größten kommerziellen Chancen hat.
Die Wahl fiel schließlich auf die Berliner Popband „Erik & Me“. Jurymitglied Diane Weigmann, Musikerin und Songwriterin, ehemals Lemonbabies, war insbesondere von der Stimme des Leadsängers und Gitarristen Erik Lautenschläger angetan. Überzeugt war die Jury auch von der ebenfalls aus Berlin stammenden Band „Hotel“, die sich selbst als audiovisuelle Band beschreibt. Andreas Borcholte, Ressortleiter Kultur Spiegel Online, hat an der Band besonders ihre Inszenierung gereizt. „Für mich führt die Band den New Wave Gedanken weiter.“ Auch die avantgardistische Jazz-Formation „K.ill Y.our D.arling!“ aus Weimar fand den Zuspruch der Jury. Dazu Peter Weniger, Musiker und Künstlerischer Direktor des Jazz Institut Berlin: „Die Musik von K.Y.D. entspricht genau meiner Vorstellung von dem, wofür Musik da sein sollte: der Vermittlung von Gefühlen.“
Überzeugt haben auch die Punk’n Roller Band „Pristine“ aus Bochum. Auf ihrer comicartig gestylten Homepage beschreiben die vier Musikerinnen ihre Songs als Mixtur aus Garage Rock und Punk’n’Roll, mit einer guten Portion Indie-Charme und englischen Texten. Gut vermischt entstehen Songs von ungestümer Energie. „The Titans“, ein HipHop-Duo aus Stuttgart, haben die Jury durch ihren Humor und ihre kreativen Produktionen für sich eingenommen. Die Konkurrenz um die Teilnahme an dem Meisterkurs war groß gewesen: Über 80 Nominatoren, darunter Landesmusikräte, Medien und Wettbewerbe hatten 36 Nachwuchsbands für die Spitzenfördermaßnahme der Projektgesellschaft des Deutschen Musikrates vorgeschlagen. Udo Dahmen (unten, 4.v.li.), Vizepräsident des Deutschen Musikrats und künstlerischer Direktor der Popakademie Baden-Württemberg, zur Jury-Entscheidung: „Die Auswahl bildet einen wunderbaren Querschnitt von dem, was aktuell in der Musikszene möglich ist.“ Die Teilnehmer erwartet nun ein in mehrere Arbeitsphasen gegliedertes Spizenförderprogramm unter der künstlerischen Leitung von Henning Rümenapp (2. Reihe, 3.v.li.), ehemaliger Gitarrist der Guano Apes.
GEMA-Mitglieder appellieren an Bundeskanzlerin
Auf der Jahreshauptversammlung in Berlin haben die Mitglieder der GEMA einstimmig eine Resolution gegen die urheberfeindlichen Regelungen der geplanten Urheberrechtsnovelle verabschiedet. Vorstandssprecher Jürgen Becker rief Bundeskanzlerin Merkel dazu auf, die Existenzgrundlage der Musikautoren nicht zu gefährden und auch künftig in Deutschland das geistige Eigentum der Kreativen zu schützen. Besonders die vorgesehene Beschränkung der Vergütungen für die private Vervielfältigung von künstlerischen Werken hat nach Berechnungen der Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) katastrophale Auswirkungen. Allein bei den Vergütungen im Bereich Kopiergeräte (DVD-/CD-Brenner, Bildaufzeichnungsgeräte) ist ein Rückgang von 58 Prozent oder 54,3 Mio. Euro zu erwarten. Im Rahmen der Mitgliederversammlung der GEMA in Berlin wurde der Aufsichtsrat neu gewählt. Für die kommenden drei Jahre gehören die Komponisten Christian Bruhn (Aufsichtsratsvorsitzender), Klaus Doldinger, Jörg Evers, Enjott Schneider, Lothar Voigtländer, Dr. Ralf Weigand, Wolfgang Rihm (Stellvertreter) und Manfred Schoof (Stellvertreter); die Textdichter Frank Dostal (Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender), Burkhard Brozat, Egon Louis Frauenberger, Stefan Waggershausen, Frank Ramond (Stellvertreter) und Hans-Ulrich Weigel (Stellvertreter) sowie die Verleger Karl-Heinz Klempnow (Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender), Rolf Budde, Peter Ende, Prof. Klaus-Michael Karnstedt, Dagmar Sikorski, Dr. Peter Hanser-Strecker (Stellvertreter) und Gabriele Schulze-Spahr (Stellvertreter) an.
Kulturelle Vielfalt in Gefahr
Die Jahreskonferenz des Europäischen Musikrates in Malmö
Ende April trafen sich über 100 Vertreter des europäischen und internationalen Musiklebens zur Jahreskonferenz des Europäischen Musikrats (EMC) im schwedischen Malmö. Der Schwedische Musikrat als Gastgeber stellte einen einladenden Rahmen zur Verfügung.
Viele europäische Gesellschaften befinden sich an einem „Turning Point“, einem Wendepunkt. Migrantenbewegungen und weltpolitische Veränderungen der letzten Jahre haben die Gesellschaften wesentlich beeinflusst. Das Ideal eines multikulturellen Miteinanders erweist sich zunehmend als nicht realisierbar, stattdessen werden Parallelgesellschaften und mangelnde Integration beklagt. Der Verlust eines klaren Gesellschaftsbildes führt zu Verunsicherung und zu teilweise drastischen Reaktionen, auch in jenen europäischen Ländern, die noch zuvor Paradebeispiele des friedlichen Miteinanders unterschiedlicher Kulturen waren: seien es der Tod des Regisseurs Theo van Gogh in den Niederlanden, die Karikaturen in einer dänischen Zeitung, oder auch die Ausschreitungen in den französischen Banlieues und Hilferufe von deutschen Lehrern an multiethnischen Schulen. Wie kann ein interkultureller Dialog, der alle Partner gleichberechtigt einbezieht, intensiviert werden? Und mit welchen Mitteln können besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund angesprochen und in die Gesellschaft eingebunden werden? Diese Fragen stellte sich der Europäische Musikrat in seiner Jahreskonferenz 2006.
Die Projektbeispiele, die von EMC-Mitgliedern präsentiert wurden, zeig-ten, wie Jugendliche mit Migrationshintergrund durch Musikprojekte in die europäische Gesellschaft eingebunden werden können. Im norwegischen Konzept der Schulkonzerte arbeiten beispielsweise Musiker für einen Tag gemeinsam mit Schulklassen in sozial schwachen Gebieten. Die Arbeit resultiert in einem öffentlichen Konzert, bei dem die Musiker gemeinsam mit der Schulklasse spielerisch und improvisatorisch ihre Ergebnisse präsentieren. Die Schulkinder sind dabei gleichzeitig Publikum und Ausführende.
Ein anderes Projekt, „Roots and Routes“, findet in acht verschiedenen europäischen Städten (Amsterdam, Barcelona, Budapest, Florenz, Köln, Larissa, Lille und Lissabon) statt und führt talentierte Jugendlichen mit verschiedensten kulturellen Wurzeln in Workshops und Masterclasses zusammen und öffnet ihnen so neue Wege auf Bühnen, in Praktika und Ausbildungen. Die große Stärke von kulturellen Projekten dieser Art liegt darin, Gemeinschaft zu kreieren und erlebbar zu machen.