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Nachschlag 2012/07

Untertitel
Narrentreiben
Publikationsdatum
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Manche Menschen tragen Gegensätze in sich selbst. Wer andere Leute gern kritisiert, verträgt meist keine Kritik an der eigenen Person. Wer anderen Fehler – genüsslich, höhnisch, herablassend – ankreidet, findet für die eigenen Fehlgriffe stets bequeme Ausreden. Wer sich im Fasching wahnsinnig lustig gibt, erweist sich im grauen Alltag oft als humorloser Misanthrop. Wer im Berufsleben eine gehobene Position bekleidet, teilt Tadel meist kalt und zynisch nach unten aus, aber wehe von dort kommt Widerspruch: der „Gehobene“ schnaubt wütend und rächt sich, bevorzugt mit einer fristlosen Entlassung.

In Köln zum Beispiel findet man für jeden Typ passende Exemplare, vornehmlich selbstverständlich in der Politik. Das Narrentreiben der Karnevalszeit erstreckt sich hier übers ganze Jahr. Der Absturz des Stadtarchivs in eine schlecht erkundete und ungenügend gesicherte Baugrube ist noch in lebhafter Erinnerung. Wer hatte Schuld? Vielleicht der kleine Baggerführer im U-Bahn-Stollen? Ein beliebtes Angriffsziel für Stadtpolitiker ist immer auch die Kultur. Die sogenannte Hochkultur, der angeblich nur Auserwählte und Begüterte teilhaftig werden, die sich teure Opernplätze leis-ten können. Also kann man der Oper ruhig ein paar Millionen wegnehmen. Wenn der Intendant – in diesem Fall Uwe Eric Laufenberg –  aufmuckt und in berechtigtem Zorn ein kräftiges Wort gegen die  politischen Opernwidersacher schleudert, fällt diesen nur mehr die fristlose Entlassung des Intendanten ein. Die lustigen Karnevalsjecken als beleidigte Mimosen. Dabei hat Laufenberg die ziemlich derangierte Kölner Oper in kurzer Zeit wieder auf ein ansehnliches Niveau gehoben, und das bei ungenügender Finanzierung. Jetzt wird man sich wohl vor Gericht wiedersehen.

Köln ist kein Einzelfall. Kulturabbau wird zur Mode. Mit schwindenden Einnahmen der Städte vor allem, aber auch der Länder, schwindet anscheinend auch der Verstand. Über die wirren Ideen für die deutsche Oper am Rhein, die Auflösung der Opern-Ehe  Düsseldorf/Duisburg, neue Verbindungen der Operntheater von Düsseldorf, Köln, Bonn hat Andreas Rossmann in der neuen musikzeitung Nr.6/2012 (Seite 13) alles Notwendige geschrieben.  Gewiss, viele Kommunen, besonders in Nordrhein-Westfalen, leiden an schwindenden finanziellen Ressourcen. Aber strukturell bedingte Schieflagen beseitigt man nicht, indem man die Kultur auszehrt. Das hilft überhaupt nicht, schadet vielmehr den Menschen, für die Kultur notwendiges „Lebensmittel“ (Hilmar Hoffmann) ist.

Es schon beängstigend, auch schon komisch, wie schnell manche Politiker die Nerven verlieren, wenn schlechte Nachrichten eintreffen. Zum Beispiel Frankfurt am Main. Die Einnahmen der Stadt sind gesunken (Bankenkrise mindert die Gewerbesteuer), die Tariferhöhungen für den öffentlichen Dienst belasten die Stadtkasse zusätzlich mit Millionen. Da muss auch die Oper bluten, sagen einige Kommunalpolitiker forsch. Sechs Millionen und mehr soll das städtische Zweispartentheater aufbringen, die Stadt kann nicht wie bisher die Tarifsteigerung allein auffangen. Helle Aufregung speziell in der Oper. Die Pläne für die nächsten drei Jahre sind schon vertraglich festgelegt. Wenn Produktionen gestrichen werden, fallen Ausfallhonorare an. Die Ersparnis wäre gering, zumal bei weniger Neuinszenierungen auch weniger Besucher kämen. Die Frankfurter Oper befindet sich gegenwärtig in einem absoluten Hoch, künstlerisch wie vom Besuch her. Vor dreißig Jahren haben der damalige Oberbürgermeister Walter Wallmann (CDU) und Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (SPD) realisiert, dass eine große Stadt wie Frankfurt für die Kultur ein Zentrum in ihrer Mitte braucht, mit Theater, Oper, Konzerthaus, Galerien. Das war richtig gedacht und wurde verwirklicht. Heute scheint niemand mehr solche Ansichten zu teilen. Statt Taten gibt es Geschwätz. Immerhin werden in Frankfurt konstruktive Gespräche geführt, um die finanziellen Engpässe für das Theater und die Oper erträglich zu gestalten. Es geht also!

Über einen weiteren Krisenherd, die Pläne für die Zukunft der beiden Radiosinfonieorchester des Südwestrundfunks (SWR) haben wir schon mehrfach ausführlich berichtet. Wenn diese Ausgabe der nmz erscheint, stehen noch zwei Sitzungen von Hörfunkausschuss und Rundfunkrat bevor. Danach wird man weitersehen, wie die drohende Fusion beider Orchester zu  verhindern ist.  Das schlimmste an allen geschilderten Vorgängen aber sind die Ignoranz, die Unwissenheit, um nicht zu sagen: Ungebildetheit, vieler Politiker und auch mancher Intendanten. Namen sind allgemein bekannt.

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