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Nur das halbe Werk. Montage: Hufner
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NDR Kultur – Neues von der Norddeutschen Tiefstebene

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Über die öffentlich-rechtliche Ignoranz gegenüber Kritik
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Karl Kraus schrieb einmal: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst die Zwerge lange Schatten.“ Die Wirkungsmächtigkeit dieser Schnellanalyse hat sich auch im Rundfunk des Nordens, bei NDR Kultur durchgesetzt. Anders lässt sich nicht interpretieren, mit welchen Mitteln auch der Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks die Kritik an seinem „Kultur“-Programm, ausgehend von der Initiative „Das GANZE Werk“ (www.dasganzewerk.de), abgebügelt hat.

Die Vorsitzende des Rundfunkrates, Dagmar Gräfin Kerssenbrock (als Vertreterin des Landesnaturschutzbundes Schleswig-Holstein), äußerte sich in einem Brief gegenüber der Initiative folgendermaßen: „Die Fülle der Beschwerden und die aufgeführten Details und Verbesserungsvorschläge, mit denen sich der Programmausschuss u.a. in einer eigenen Arbeitsgruppe befasst hat, ändern (…) nichts an der grundsätzlichen Feststellung des Programmausschusses, dass die eingeleitete Reform und Neuorientierung des Programms richtig gewesen sind. Ein weiterer Handlungsbedarf jenseits der regulären Programmbeobachtung und des gefassten Beschlusses wird daher nicht gesehen.“ Die Kritik der Initiative „Das GANZE Werk“ sei im Prinzip insgesamt hinfällig, weil man sich im Internet auch satirischer Mittel bedient habe. Diese seien geschmacklos gewesen, so die Rundfunkratsvorsitzende: „Die niveauvolle Ebene, auf der Gespräche über Kulturthemen geführt werden sollten, wurde damit verlassen und macht eine weitere Diskussion unmöglich.“ Wer hier die Hoheit über den Begriff des Niveaus hat, ist offensichtlich und absurd; dazu später.

Thema Medienkrise in der nmzWer die Kritik der Initiative „Das GANZE Werk“ am Programm von NDR „Kultur“ nachliest, wundert sich dann schon. Sie ist in der Regel sehr differenziert, an Fakten orientiert und immer gekennzeichnet gewesen durch die Suche eines Gesprächs mit den Verantwortlichen des Senders. Dieser jedoch verweigert beharrlich das Gespräch. Dass nun der Rundfunkrat seinerseits einseitig die Kritik ablehnt, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Die Aufgabe des Rundfunkrates besteht gerade in einer möglichst unabhängigen Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese Aufgabe ist unter anderem so definiert: „Der Rundfunkrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit im Sendegebiet des NDR. Dabei berücksichtigt er die vielfältigen Meinungen der Bürger und Bürgerinnen.“ Es steht da, er „berücksichtigt“ die Meinungen; es steht dort nicht, dass er sie „ignoriere.“ Was also ist von so einem Rundfunkrat zu halten, der offenbar gegen seine ureigenen Prinzipien verstößt?

Bei der Initiative „Das GANZE Werk“, die übrigens über 1.600 Mitglieder vereinigt, darunter viele namhafte Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie auch eine große Anzahl Mitglieder von Chören und Orchestern, zeigte man sich über diese Reaktion des Rundfunkrates enttäuscht. Man hat das eigentliche Ziel, die Veränderung des Programms von NDR „Kultur“, nicht erreicht.

Dennoch macht die Initiative weiter. In letzter Zeit werden in der Tat genaue Protokolle des Sendeablaufes akribisch notiert. Und damit ist man wieder bei der Satirefrage. Für den 11. Februar 2005 protokollierte man folgende Konstellation: Nach dem Abspielen eines Satzes aus Beethovens dritter Sinfonie erklärt der Moderator: „‚Es ist überhaupt unmöglich in der Musik Beethovens, nicht die Musik eines Betrunkenen zu erblicken. Nichts davon wird bleiben.’ So hat es ein Konzertkritiker einmal geschrieben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ja, und ich sag nur: Alle Fakten sprechen gegen diese Einschätzung. Wir haben den 11.2.2005 und hörten eben den dritten Satz der Sinfonie Nr. 3 Es-Dur, der Eroica, von Ludwig van Beethoven, und das in einer Aufnahme mit dem NDR-Sinfonieorchester und Günter Wand am Pult.“ [O-Ton, NDR Kultur] Theodor Clostermann, Sprecher der Initiative, kommentiert dazu: „Der Moderator hätte mal lieber den Mund gehalten! Der 1. und der 2. Satz und beinahe auch der 4. Satz der Eroica scheinen bei NDR Kultur tagsüber nicht zu existieren. Nach den Programmfahnen seit Mitte Mai 2004 gab es an diesem Freitag zum sechzehnten Mal einen Ausschnitt aus der Eroica. Es war jedes Mal der dritte Satz, das Scherzo, zu hören, am 7. Juli 2004 gnädigerweise außerdem noch der vierte Satz.

Bei NDR Kultur gibt es nur zwei Interpretationen: die gesendete mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Günter Wand (zwölfmal) und eine mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado (viermal). Die Daten: 17.5.04, 27.5.04, 22.6.04, 7.7.04, 23.8. 04, 5.10.04, 29.10.04, 31.10.04, 26.11. 04 (2mal), 4.12.04, 6.12.04, 8.12.04, 6.1.05, 19.1.05 und jetzt am 11.2.05. Am 26.11.04 wurde der 3. Satz vormittags in der einen und nachmittags in der anderen Interpretation gesendet. Zur Erinnerung: „‚Nichts davon wird bleiben.’ – Ja, und ich sag nur: Alle Fakten sprechen gegen diese Einschätzung. Armer NDR Kultur…“

Nein, das ist keine erfundene oder nachgestellte Szene. Das ist die Realität des norddeutschen „Kultur“-Funks. Zurück zum Anfang: Was ist von einem Rundfunkrat zu halten, der dennoch hartnäckig daran festhält, dass derlei Kritik „nichts an der grundsätzlichen Feststellung des Programmausschusses ändert, dass die eingeleitete Reform und Neuorientierung des Programms richtig gewesen sind“? Da muss jemand schon eine wirklich lange Leitung haben und auf den Ohren sitzen; oder zumindest nicht das Programm hören, welches da verhandelt wurde.

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