Das Netzwerk Neue Musik in Ihrer Stadt/Region: chiffren
1.
Welche konkreten Auswirkungen hatte das Projekt auf das städtische/regionale Musikleben?
Das Gesamtprojekt chiffren konnte sich in den letzten zwei Jahren entfalten, weiterentwickeln und neuen Ideen Raum geben, die nicht nur Kiel, sondern auch die gesamte Region befruchten.
„chiffren überschreitet die Grenzen eines Musikfestivals. Es setzt auf neue Formen der Musikvermittlung, u.a. durch vielfältige Begegnungen mit Komponisten, Musikern und Künstlern – auch über die Zeit des Festivals hinaus. Schüler, Lehrer, Nachwuchsmusiker und Musikinteressierte werden angesprochen. Das ist ein starker Impuls und willkommener Beitrag zur kulturellen Bildung in Schleswig-Holstein.“, so Dr. Ekkehard Klug, Minister für Bildung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein. Außerdem Torsten Albig, Oberbürgermeister der Stadt Kiel: „Kiel besticht nicht nur durch seine einmalige Lage an der Ostsee, sondern ist auch ein Ort mit vielfältiger und innovativer Kultur. Das Projekt für zeitgenössische Musik „chiffren“ ist ein wunderbares Beispiel dafür.“
Als Kern des Gesamtprojektes konnte das Festival „kieler tage für neue musik“ auch 2010 wieder stattfinden und das in den ersten zwei Festivals angelegte Niveau halten. Für die Stadt Kiel, aber auch für das gesamte Land Schleswig-Holstein ist es damit gelungen, ein auf dem Gebiet der neuen Musik einzigartiges Angebot zu etablieren, das durch die Mischung von neuer Musik auf höchstem Niveau und verschiedenen Vermittlungsangeboten das Publikum überzeugt hat.
Da die „kieler tage für neue musik“ nur alle zwei Jahre stattfinden, verstärkt chiffren seine Konzerttätigkeit auch außerhalb des Festivals mehr und mehr und bereichert somit das städtische und regionale Kulturleben um den Bereich neue Musik, der sonst kaum abgedeckt werden kann. Vor allem auch die Zusammenarbeit des Projektes mit außermusikalischen Institutionen wie der Muthesius Kunsthochschule oder der Kunsthalle zu Kiel erweitert das vorhandene Konzertleben um innovative Musikveranstaltungen.
Durch die ganzjährig stattfindenden Vermittlungsangebote wirkt sich chiffren nicht nur positiv auf das regionale Konzertleben aus, sondern fördert auch vermehrt die Präsenz neuer Musik in Schulen. Projekte wie das „Ensemble in Residence“, bei welchem professionelle Musiker mit Schulklassen in ganz Schleswig-Holstein arbeiten, oder die Kompositions-Lehrerfortbildung „Musiklabor“ tragen dazu bei, aktives Musikleben in der Schule stetig präsenter werden zu lassen.
Mit der erfolgreichen Gründung eines LandesJugendEnsembles Neue Musik Schleswig-Holstein, das auch beim Festival eingebunden war, ist ein Ensemble ins Leben gerufen worden, das jungen und qualifizierten Musikerinnen und Musikern aus Schleswig-Holstein die im Land einzigartige Möglichkeit bietet, neue Musik in einem größeren Ensemble kennenlernen zu können.
2.
Das NNM wurde als Projekt der Vermittlung konzipiert:
Wurde das Ziel, ein breites Publikum mit qualitativ hochwertiger Gegenwartsmusik anzusprechen, erreicht? Verstehen die Bürger Ihrer Stadt die Sprache der neuen Musik besser als vorher?
Eine Besucherbefragung der „kieler tage für neue musik 2010“ hat gezeigt, dass das Festival mit der Mischung aus musikalisch hohem Niveau und verschiedenen Vermittlungsangeboten beim Publikum sehr gut angenommen wird. Die Altersstruktur der ca. 1.100 Besucher war gemischt. Mit ca. 20% der Zuhörer unter 25 Jahren konnte auch das junge Publikum von chiffren begeistert werden. Dies geschieht in großem Maße auch durch die speziell auf das Festival ausgerichteten Vermittlungsangebote von chiffren, wie z.B. „Tuchfühlung“. Im Rahmen dieses Projektes besteht vor einem Konzertbesuch der Schulklasse beim Festival die Möglichkeit, bestimmte Werke zusammen mit Lehrern, Schülern und Komponisten in den Schulen vorzubereiten. Eine Schülerin der Ricarda-Huch-Schule während des Festivals 2008 hierzu: "Wir (die Schüler) sind unserer Lehrerin so dankbar, dass sie uns in ein chiffren-Konzert geschleift hat. Wir wären niemals freiwillig gekommen, aber jetzt sind wir auch zu allen anderen Konzerten hier, weil es so spannend ist!" Dass die zeitgenössische Musik das Kieler Publikum begeistert, zeigt auch der regelmäßig lange und herzliche Applaus, der auswärtigen Besuchern und den engagierten Ensembles immer wieder auffällt.
Außerhalb des Festivals ist die Besucherzahl in der Regel abhängig von der Art der Konzerte. Label-Konzerte einheimischer Ensembles werden meist weniger besucht als Konzerte auswärtiger Ensembles mit größerem Bekanntheitsgrad, wie z.B. dem NDR Chor. Durch die Kooperationen mit musikfremden Institutionen innerhalb der Stadt und der Region, wie der Kunsthalle zu Kiel gelingt es chiffren stetig, auch neues Publikum für die zeitgenössische Musik zu interessieren.
Auch im wachsenden Interesse an den Vermittlungsprojekten ist die gesteigerte Offenheit gegenüber dem Thema Neue Musik spürbar. War es im ersten Jahr noch mit deutlich mehr Aufwand verbunden, Teilnehmer für das LandesJugendEnsemble zu begeistern, so hat sich die Begeisterung der 1. Arbeitsphase mittlerweile unter den Jugendlichen herumgesprochen. Viele werden in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei sein, neue Teilnehmer zu gewinnen ist einfacher geworden.
Auch das Interesse von Schulen in ganz Schleswig-Holstein an dem Projekt „Ensemble in Residence“ ist merklich gestiegen. Zahlreiche bisher bei chiffren nicht aktive Schulen haben sich für dieses Jahr für die Workshops mit dem ensemble Intégrales angemeldet und nutzen so die Möglichkeit, neue Musik live im Unterricht zu vermitteln.
3.
Inwieweit hat sich die Vernetzung innerstädtischer/regionaler Netzwerke verbessert?
chiffren arbeitet in vielen Projekten mit einem oder mehreren Kooperationspartnern zusammen, um Ideen zu realisieren, die für die verschiedenen Kooperationspartner allein jeweils nicht durchführbar wären. Dabei beschränkt sich das Projekt nicht nur auf den musikalischen Bereich, sondern sieht auch in der Vernetzung mit außermusikalischen Institutionen ein großes Potential. Das Interesse an dieser Art der Zusammenarbeit ist in den letzten zwei Jahren auf allen Seiten deutlich gewachsen.
Innerstädtisch haben sich mehrfache Kooperationen mit dem Landesmusikrat, der Muthesius Kunsthochschule, der Kunsthalle zu Kiel und dem Theater Kiel ergeben, wobei teilweise auch mehrere der Partner gemeinsam eingebunden waren.
Regional ist besonders die Zusammenarbeit mit Musikgruppierungen im Ansteigen begriffen (Norddeutsche Sinfonietta Rendsburg, Chorknaben Uetersen, Musik im Ostseeraum e.V. Lübeck), um vermehrt Neue-Musik-Konzerte in der Region zu initiieren. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit der Musikhochschule Lübeck, dem Kulturforum Schwimmhalle Plön, der Herbert-Gerisch-Siftung Neumünster sowie dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein im Bereich der Vermittlungsarbeit.
Der chiffren-Preis für die hervorragende Interpretation eines zeitgenössischen Werkes wird jährlich von chiffren als Sonderpreis im Rahmen des Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“ ausgelobt. Ferner bemüht sich chiffren um die Vernetzung von Kunststudenten der Muthesius Kunsthochschule Kiel und Kompositionsstudenten der Musikhochschule Lübeck, um gemeinsame Projektarbeit anzuregen.
4.
Werden die Projekte und Konzertreihen weitergehen, wenn die Mittel der Bundeskulturstiftung entfallen? Welche Folgen gibt es (Nachhaltigkeit)?
Ziel von chiffren ist es, das Festival auf dem bisherigen hohen Niveau als Kern des Gesamtprojektes zu erhalten. Für das nächste Festival 2012 gibt es bereits Planungen. Eine Zusage des NDR für ein Konzert in Kooperation mit NDR das neue werk für das Festival ist bereits abgesprochen. Ebenfalls weitergeführt werden soll das LandesJugendEnsemble Neue Musik. Im Bereich der Vermittlung wäre es wünschenswert, die Lehrerfortbildung „Musiklabor“ sowie das Schulprojekt „Ensemble in Residence“ weiter zu erhalten.
Das Land Schleswig-Holstein will seinen Beitrag zur Verstetigung der Vermittlungsangebote für zeitgenössische Musik leisten. Viele der anderen Förderungen sind jedoch, wie das Netzwerk Neue Musik, als Anschubförderung gedacht und werden nicht fortgeführt werden. Der größte Teil der bisher vorhanden Mittel wird damit entfallen.
chiffren bemüht sich um weitere Einwerbung institutioneller, aber auch privater Förderung.
5.
Eine kurze Halbzeitbilanz?
(z. B. Was war gut? Was ist verbesserungsbedürftig?)
Auch wenn der Startschuss des chiffren-Festivals schon vor dem Förderzeitraum des Netzwerk Neue Musik lag, so konnte sich das ganze Projekt in seiner Vielfältigkeit nur durch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes zum „Kieler Wunder“ (Kieler Nachrichten 23.1.2008) weiterentwickeln. Damit wurde auch die Rolle des Landes Schleswig-Holstein gewürdigt und anerkannt, denn das Land ist ebenso wie die Landeshauptstadt als Pionier und Initiator frühzeitig in die Verantwortung eingestiegen. „Die Landeshauptstadt Kiel wird dank chiffren weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus mit aktueller musikalischer Kultur verknüpft.“, so Torsten Albig, Kieler Oberbürgermeister.
Die Unterstützung durch das Netzwerk Neue Musik ist gut. Beratung und Hilfestellung sind jederzeit möglich und werden gerne gegeben.
Es stellt sich die Frage, ob - mit dem Ziel der Nachhaltigkeit vor Augen - das Mittel der Anschubförderung das richtige Instrument ist in einem so speziellen Bereich wie der zeitgenössischen Musik, die sich ohne Förderung nie selbst finanzieren wird.