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Syrische Klänge aus dem Sendesaal Bremen. Foto: Rolf Schöllkopf
Syrische Klänge aus dem Sendesaal Bremen. Foto: Rolf Schöllkopf
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„Wir kämpfen jetzt mit unseren Instrumenten“

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In Bremen spielte das Syrian Expat Philharmonic Orchestra (SEPO) ein begeisterndes Einstandskonzert
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„Eure Sehnsucht nach der Heimat, die müsst ihr spielen“: der Dirigent Martin Lentz sagt es eindringlich vor der Probe zu den Musikern. Es ist die Ouvertüre zum Singspiel „Die Heimkehr aus der Fremde“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, das der hochbegabte 20-Jährige zur Silberhochzeit seiner Eltern schrieb. Die Musiker sind aus Syrien gekommen, einige vor vielen Jahren, einige legal mit Visum oder auch mit Schleppern ohne ihre Familien oder auch wie die Harfenistin, die vor einem Jahr von Damaskus über die Türkei, dann über das Mittelmeer nach Griechenland reiste und erst vor drei Wochen in Deutschland angekommen ist. Der Kontrabassist Raed Zabeh, der mit einem Visum kam und seit zwei Jahren in Bremen lebt, suchte europaweit syrische Musiker – und fand sie in Schweden, Holland, in Frankreich und in Dänemark.

„Wir möchten den Menschen ein anderes Bild von Syrien zeigen, jenseits von Krieg und IS. Syrien ist ein Land der Musik und der Kultur“, so Zabeh. Nun war es so weit: Das „Syrian Expat Philharmonic Orchestra“ trat im hoffnungslos ausverkauften Sendesaal Bremen mit einem gemischten Programm aus traditioneller und zeitgenössischer syrischer Musik, Jazz und deutscher Musik auf.

In der Generalprobe, die nach nur drei Probentagen stattfand, läuft alles hochprofessionell. Die meisten kommen aus dem Syrischen Philharmonischen Orchester Damaskus und die Geigerin Hiuran Mirkhan, die in Bremen lebt und gerade ihr zweites Kind erwartet, sagt: „Wir haben uns alle so lange nicht gesehen. Es ist einfach unglaublich emotional, was hier passiert.“  Und die heute in Frankreich lebende Michella: „Ich kann kaum glauben, dass wir uns nach so vielen Jahren wiedergefunden haben. Während der Proben fühle ich mich, als wäre ich wieder in Damaskus. Das ist sehr berührend.“

Denn sie kennen sich alle, da alle in Damaskus, dem einzigen musikalischen Ausbildungsinstitut des Landes, studiert haben. Zabeh hat etwa dreißig Musiker in ganz Europa gefunden und für die Instrumente, die jetzt (noch) nicht besetzt werden konnten, halfen bremische Musiker/-innen aus – zum Beispiel aus der deutschen Kammerphilharmonie.

Auch gab es Musiker, die gar kein Instrument hatten und es geliehen bekamen. „Überhaupt war die deutsche Hilfe überwältigend“, sagt Mirkhan. Sie nennt ihr Orchester sogar „eine Familie“. Mirkhan ergänzt Zabehs Aussage: „Wir haben zwar sozusagen europäisch studiert, aber die Deutschen kennen unsere Kultur überhaupt nicht. Es ist für uns eine Mission, sie zu zeigen.“

So spielt der Konzertmeister Jehad Jazba als Solist leidenschaftlich ein eigenes Arrangement eines bekannten arabischen Liedes: „My beautiful homeland“. Für den Dirigenten Martin Lentz, Leiter des Jugend-Sinfonie-Orchesters Bremen Nord, ist die Arbeit mit den Syrern nicht ganz neu: „Ich kenne den Kontrabassisten Raed Jazbeh schon lange. Wir haben immer wieder Projekte zusammen gemacht, in dem Syrer im Orchester als Solisten aufgetreten sind.“ Aber dieses Orchesterprojekt ist für ihn in einem anderen Sinne natürlich auch neu. „Es hat unglaublich von der Energie gelebt, die die Musiker wegen ihres Hintergrundes mitgebracht haben. Durch die Persönlichkeiten und die Literatur ist das natürlich eine willkommene Horizonterweiterung.“ Sie wollen nicht nur musizieren, sie wollen, wie Jazbeh sagt, nicht nur zeigen, welches Kulturland Syrien ist, sie wollen etwas zurückgeben, „durchaus im Sinne von kulturellem Austausch“ (Lentz).

Natürlich soll es weitergehen, natürlich ist das Orchester nach dem sensationellen Anfangserfolg jetzt auch auf der Suche nach einem Profil: „Wir werden weitere Konzerte mit wunderbarer Musik spielen, darüber hinaus bin ich auf der Suche nach noch mehr syrischen Musikern aus Europa“, so Jazbeh, aber mehr soll noch nicht verraten werden.

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