„Franzpeter Messmer“ ergibt bei einer Eingabe in Google knapp 5.000 Treffer mit Hinweisen auf seine schriftstellerische Tätigkeit und die Herausgabe von Sachbüchern und Schriftenreihen. Seit 1990 ist er Künstlerischer Leiter der „Landshuter Hofmusiktage“. Seit März 2009 nun ist er Vorsitzender des Landesverbandes Bayerischer Tonkünstler e.V. (LVBT), dem bayerischen Landesverband im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV). Über die Pläne im neuen Amt, die Rolle seines Verbandes in der Musikvermittlung und die „ungezogenen Nuller-Jahre“ sprach er mit der neuen musikzeitung.
neue musikzeitung: Herr Dr. Messmer, Sie leiten ein Festival, sind Schriftsteller und Herausgeber zahlreicher Bücher – wie vereinbaren Sie die kreativen Aufgaben mit Ihrem Amt als führender Funktionär im LVBT?
Franzpeter Messmer: Ich sehe darin keinen Gegensatz, vielmehr möchte ich einen kleinen Beitrag leisten, damit Musik in unserer Gesellschaft den Stellenwert hat, den sie meiner Meinung nach haben sollte. Und ich hoffe, dass meine kulturpolitischen Positionen durch meine künstlerische Arbeit eine größere Glaubwürdigkeit gewinnen. Wie die Mehrzahl unserer Mitglieder im Landesverband bin ich freiberuflich tätig. Insofern habe ich da die gleiche Position und Perspektive.
nmz: Dem LVBT sind Sie ja schon viele Jahre verbunden.
Messmer: Seit mehr als 30 Jahren. Mit dem Verband kam ich 1978 in Berührung, als ich im Auftrag des Münchner Tonkünstlerverbandes die Konzertkritiken für die nmz verfasste. In den 80er-Jahren kümmerte ich mich als Vorstandsmitglied des Münchner Tonkünstlerverbandes vor allem um die Pressearbeit, 1989 wurde ich zum Vorsitzenden des Landesverbandes gewählt. Aus zeitlichen und gesundheitlichen Gründen musste ich das Amt 1992 wieder abgegeben. Die Doppelbelastung eines Ehrenamtes und der Aufbau einer Existenz waren damals für mich zu viel. Denn 1990 war ich Künstlerischer Leiter der Landshuter Hofmusiktage geworden. Dem Verband bin ich aber über all die Zeit eng verbunden geblieben.
nmz: Haben Sie denn nun mehr Zeit als früher?
Messmer: Meine Erfahrung ist gewachsen. Ich habe organisatorisch dazugelernt, da ich in der Zwischenzeit auch viele andere Festivals und Gedenkjahre geleitet habe. Ende der 80er-Jahre war der Landesverband noch nicht professionell ausgestattet. Heute hat er mit Andrea Fink eine äußerst fähige Geschäftsführerin, die alle Arbeiten mit hoher Professionalität erledigt, so dass ich im Amt des Vorsitzenden, das ja ein Ehrenamt ist, sehr entlastet werde.
nmz: Mit welchen kulturpolitischen Themen sind Sie nun konfrontiert?
Messmer: Verglichen mit den 80er-Jahren leben wir jetzt in einer neuen Situation, den so genannten „naughty zeros“, wie in England das Jahrzehnt von 2000 bis 2009 genannt wird: Nicht nur die weltweite wirtschaftliche Lage ist bedrohlich, es ist auch in den vergangenen zwanzig Jahren kulturell viel zerstört worden. Heute besteht die Gefahr, dass wir mit neuen sozialen Fragen konfrontiert werden: Denn jeder weiß, wenn gespart werden muss, betrifft das gerade die im Kulturbereich freischaffenden Berufe. Musiklehrer verzeichnen dann weniger Schüler. Wir müssen also die soziale Stellung der Musikpädagogen sichern und wir müssen auch die Bedeutung des Musik-Erlernens mehr in den Mittelpunkt stellen. So ist es wissenschaftlich erwiesen, dass sich beim Musizieren das Gehirn ungemein entwickelt. Musik ist mehr als nur eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Eltern, die ihr Kind in den Musikunterricht schicken, fördern auch seine kognitive, motorische und emotionale Entwicklung. Das muss den Eltern vermittelt werden.
nmz: Welche Mittel wählen Sie denn, um dieses Ziel zu erreichen?
Messmer: Im Tonkünstlerverband haben wir viele Konzerte, man könnte sagen, „Basiskonzerte“ mit Kindern und Jugendlichen, und auch viele Konzerte mit Neuer Musik. Sie müssen noch publikumswirksamer gestaltet werden.
nmz: Die Ganztagsschule macht es Allen nicht leicht, Kinder für qualifizierten Musikunterricht oder gar Konzerte zu begeistern.
Messmer: Mein Vorgänger im Amt, Herr Dr. Dirk Hewig, hat in den letzten Jahren wichtige Initiativen ergriffen, damit gerade auch die privaten Musiklehrer in die Ganztagsbetreuung einbezogen werden können. So wurde ein Zertifikat entwickelt, damit den Privatmusiklehrern die Werbung in Schulen, die Überlassung von öffentlichen Räumen und die Mitarbeit in der Ganztagsbetreuung und ähnliches ermöglicht werden kann. Dieses Zertifikat kann gegenüber Institutionen und Behörden wie auch zur Werbung für die Unterrichtstätigkeit genutzt werden. Ich bin sehr froh, dass Herr Hewig diesen Bereich auch künftig weiter betreut. Meine Entscheidung, das Amt des Vorsitzenden zu übernehmen, hat auch damit zu tun, dass er dem Verband beratend erhalten bleibt.
nmz: Um Konzerte zu veranstalten, die eine breite Öffentlichkeit erreichen, sind finanzielle Mittel nötig. Reichen die Mitgliedsbeiträge für diese Pläne aus?
Messmer: Unsere Mitglieder sind Einzelpersonen, der Verband vertritt alle Berufe des Musiklebens, vom Interpreten bis zum Instrumentenbauer. Der Mitgliedsbeitrag im Jahr liegt unter 90 Euro, was sehr günstig ist, da darin eine Berufshaftpflicht, eine kostenlose erste Rechtsberatung und ein Jahres-Abonnement der nmz eingeschlossen sind. Dieses Budget ist natürlich keineswegs ausreichend, wenn es um die Veranstaltung unserer „Tonkünstlerfeste“ geht oder um besondere Veranstaltungen zu Jubiläen. Hierfür müssen zusätzlich Sponsoren gefunden werden.
nmz: Um für seine Mitglieder attraktiv zu bleiben und neue zu werben, um Resonanz in der Öffentlichkeit zu finden, muss der Verband auf sich aufmerksam machen. Welche Maßnahmen sind künftig geplant?
Messmer: Ein Tonkünstlerverband kann in der Tat vor allem auf sich aufmerksam machen, indem er Musik macht. Ich habe bereits einige Pläne, die nun innerhalb des Verbandes beraten und entwickelt werden müssen. Allerdings denke ich dabei nicht nur an große Events, was auch nicht primär die Aufgabe eines kulturpolitisch arbeitenden Verbands ist. Wir sind dabei, Konzeptionen zu entwickeln, die Musik und vor allem auch Neue Musik noch mehr in die Öffentlichkeit bringt. Komponisten sollen in die Schulen gehen, Musik soll in Krankenhäusern oder Kindergärten eine Rolle spielen, nach der Idee von Yehudi Menuhin mit „Live music now!“. Das andere Projekt, das mir vorschwebt, ist eine „Triennale für Neue Musik“ in Bayern als Fortsetzung der bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Tradition der Tonkünstlerfeste.
nmz: Ein typisches kulturelles Kennzeichen des 21. Jahrhunderts ist seine „Eventkultur“. Sie sind Künstlerischer Leiter der „Landshuter Hofmusiktage“, einem Festival für Alte Musik. In Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des LVBT möchten Sie die vergleichsweise unspektakuläre musikalische Basisarbeit voranbringen. Bedeutet das für Sie einen Spagat?
Messmer: Als Festivalleiter weiß ich, dass man nur öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, wenn ein Festival eine bestimmte Größe hat. Denn sonst gibt es keine Resonanz in den Medien. Deshalb müssen wir Mittel und Wege finden, die Aufmerksamkeit von Events zu Nutze zu machen, um damit unsere Anliegen zu einem breiten Publikum zu transportieren. Als Musikverband müssen wir uns der Wirklichkeit des Musikmarktes stellen. Vor allem ist es in unserer heutigen Zeit nötig, dass wir uns mit Vermittlung von klassischer Musik und insbesondere von Neuer Musik auseinandersetzen, dass Vorurteile abgebaut werden, dass man mit dem Publikum ins Gespräch kommt. Da muss der VBLT Impulse geben.
nmz: In welcher Reihenfolge werden Sie die Themen nun anpacken?
Messmer: Ich denke, am allerwichtigsten ist es, die Bedeutung von Musik ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Und zwar im umfassenden Sinn: Für Musiker ist Musik ja eine Lebensform, für Nichtmusiker ist sie eher eine Form von Unterhaltung, von Konsum. Davon wegzukommen und ein Bewusstsein zu schaffen, ist entscheidend, damit unsere Musikkultur fortbesteht und auch Musiker noch in Zukunft ein Publikum haben, das ihre Qualität schätzt und honoriert.
Es ist typisch für die Festivaltage in Landshut, dass Musiker in den Dialog mit dem Publikum treten, dass sie sehr unprätentiös über Musik sprechen. Sehr leichtfüßig findet hier Musikvermittlung statt. Der LVBT ist ein Verband, der von seiner Tradition her aus der streng „klassischen“ Musik kommt. Er wird sich noch mehr öffnen müssen. Da ist „Cross over“ nur ein Stichwort.
nmz: Auch andere Musikverbände haben sich Musikvermittlung oder Musikalisierung von Kindern zum Ziel gesetzt. Arbeiten Sie themenbezogen mit Ihnen zusammen?
Messmer: Kooperationen sind sinnvoll und anzustreben, wann immer es möglich ist. Man kann es sich in dieser kleinen Musikwelt gar nicht leisten, nicht zusammen zu arbeiten. Unsere Mitglieder sind ja oft sowohl freiberuflich tätig, als auch als Teilzeitkraft an einer Musikschule, sind Pädagogen, treten aber zugleich als Solisten auf oder komponieren, und so gibt es häufig Überschneidungen mit den Anliegen anderer Verbände.
nmz: Der LVBT ist ein Landesverband des Deutschen Tonkünstlerverbandes, gibt es Aufgaben, die spezifisch für Bayern sind?
Messmer: Der DTKV insgesamt ist föderal aufgebaut, auch wir als LVBT sind ein Dachverband für 14 Orts- und Regionalverbände und es gilt das Prinzip, dass das, was direkt vor Ort getan werden kann, der jeweilige Ortsverband tut. Wir im LVBT haben die Klammerfunktion der 14 bayerischen Einzelverbände und vertreten diese im Landtag oder im Ministerium gegenüber dem Bundesverband sowie gegenüber anderen Verbänden und in den Medien.
nmz: Der LVBT hat seine Geschäftsstelle in München, und wir sprechen auch schwerpunktmäßig über musikalische Aktivitäten in München. Wie sehr ist denn das gesamte Bundesland Bayern in Ihre Pläne einbezogen?
Messmer: In der Tat hat München ein sehr starkes Gewicht. Von unseren Mitgliedern kommen etwa 40 Prozent aus München. Aber der Verband hat die Aufgabe, seine musikalischen Aktivitäten auf den gesamten Flächenstaat Bayern auszudehnen.
Das Gespräch führte Susanne Fließ