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14.12.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Kleist-Gesellschaft und Museum wollen fusionieren +++ HOT «Unterwegs» - «Frau Jenny Treibel» kommt ins Palais Lichtenau +++ König David in Oberammergau - Stückl inszeniert Laien-Spektakel +++ Peymann lockt Berliner Abgeordnete zum Schnäppchenpreis ins Theater +++ Jelineks Theatertexte «Bambiland» bei Rowohlt erschienen


Kleist-Gesellschaft und Museum wollen fusionieren
Frankfurt (Oder) (ddp-lbg). Die Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft und das Kleist-Museum Frankfurt (Oder) streben eine intensive Kooperation an. Ziel sei es, mittelfristig miteinander zu fusionieren, sagte am Dienstag der Vorstandsvorsitzende des Museums, Bernd Kauffmann. In den nächsten Monaten solle eine entsprechende Vereinbarung erarbeitet werden.
Es sei «geradezu geboten», dass zwei dem literarischen und geistigen Kleist-Erbe gewidmete Institutionen ihre Arbeit unter Wahrung der jeweiligen Identität miteinander verzahnen, sagte Kauffmann. Das sei in einer Zeit der «Ökonomisierung alles Irdischen» umso dringlicher, zumal die Aufgaben der beiden Institutionen in nicht unerheblichen Bereichen komplementär seien.
Das Frankfurter Haus ist das einzige Museum, das sich dem Leben und Werk des in der Oderstadt geborenen Kleist (1777 bis 1811) widmet. Es war 1969 eingerichtet worden. Die 1960 gegründete Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft ist eine internationale literarische und wissenschaftliche Vereinigung mit Sitz in Berlin. Sie will durch Tagungen und Veröffentlichungen das Erbe des Dramatikers und Novellisten erschließen und in die Gegenwart fortwirkende Einflüsse seiner Dichtung fördern.

HOT «Unterwegs» - «Frau Jenny Treibel» kommt ins Palais Lichtenau
Potsdam (ddp-lbg). Das Potsdamer Hans Otto Theater (HOT) wird auch im kommenden Jahr unter dem Motto «Unterwegs» Stücke an verschiedenen Spielorten aufführen. So feiert am 14. Januar 2005 «Frau Jenny Treibel» mit Katharina Thalbach in der Titelrolle Premiere im Palais Lichtenau, wie Intendant Uwe Eric Laufenberg am Dienstag in Potsdam sagte. Die ursprünglich für das Stück nach Theodor Fontane angedachte Villa Kampffmeyer stand als Spielort nicht mehr zur Verfügung. Sie wurde verkauft.
Die Zahl der Aufführungen von «Frau Jenny Treibel» und die Zuschauerzahl müssten daher eingeschränkt werden, sagte Laufenberg. Im Palais Lichtenau stünden 81 Zuschauerplätze zur Verfügung. Insgesamt gebe es dort acht Vorstellungen. Die Zuschauer könnten die Dinner-Gesellschaft im Hause Treibel in verschiedenen Räumen erleben. Am 28. Januar werde es dann eine zweite Premiere in der Reithalle an der Schiffbauergasse geben, für die Textfassung und Szenerie des Stücks neu konzipiert werden.
Mit dem Ergebnis der zurückliegenden Premierenstaffel «Sieben auf einen Streich» zeigte sich Laufenberg zufrieden. Das Theater habe bewiesen, dass es einen solchen Kraftakt gut bewältigen könne. Am besten liefen in Potsdam Stücke mit attraktivem Titel, Spielort oder Schauspielernamen. An andere, nicht so schnelle Attraktionen müsse das Publikum herangeführt werden. Das sei ein Projekt der kommenden zwei Jahre.

König David in Oberammergau - Stückl inszeniert Laien-Spektakel
München/Oberammergau (ddp-bay). Fünf Jahre nach der Millenniumspassion zeigt Oberammergau im nächsten Sommer das Leben des König David von Israel. Der Intendant des Münchner Volkstheaters, Christian Stückl, übernimmt im weltberühmten Passionstheater die Regie und erweckt die große Gestalt aus dem Alten Testament zum Leben. 400 Darsteller, Chor und Orchester aus dem Dorf werden an dem Stück mitwirken, wie der Regisseur am Dienstag in München ankündigte.
Stückl, der bereits Spielleiter der beiden vergangenen Passionsspiele war, will mit dem Historienspektakel an eine König-David-Aufführung der Oberammergauer im Jahr 1905 anknüpfen und eine neue Bühnenfassung erstellen. Für das Bühnenbild und Kostüme zuständig ist Stefan Hageneier, Markus Zwink übernimmt die musikalische Leitung. Auf der Bühne agieren nur örtliche Laienschauspieler.
König David wird ab 22. Juli an insgesamt vier Wochenenden jeweils freitags und samstags aufgeführt. Karten gibt es ab 15 Euro unter der Telefonnummer 08822 923158.

Peymann lockt Berliner Abgeordnete zum Schnäppchenpreis ins Theater
Berlin (ddp-bln). Theaterintendant Claus Peymann zeigt Herz für Abgeordnete. Der Chef des Berliner Ensembles (BE) lud in einem Brief alle Abgeordneten des Landes Berlin ein, mit einer ermäßigten Karte für neun oder elf Euro im Januar eine Aufführung seines Hauses zu besuchen. Die Politiker sollen sich mit dem Besuch im «gut geheizten BE» über den langweiligen und kalten Januar hinwegretten. Außerdem sollen sie erkennen, «wie wichtig unsere Theater für die Lebendigkeit dieser Stadt sind», schrieb Peymann.

Jelineks Theatertexte «Bambiland» bei Rowohlt erschienen
Berlin (ddp). Das Grauen wird zur Unterhaltung, zum Bestandteil des Alltags. «Wartainment» heißt die dazugehörige Wortneuschöpfung. Den Irak-Krieg als Medienspektakel beleuchtet die österreichische Autorin Elfriede Jelinek in ihrem Theatertext «Bambiland». In Kombination mit den unter dem Titel «Babel» zusammengefassten Monologen «Irm sagt», «Margit sagt» und «Peter sagt» ist der Text jetzt im Rowohlt Verlag als Buch erschienen. Der 270 Seiten starke Band «Bambiland», mit einem Vorwort von Theatermacher Christoph Schlingensief, ist seit Samstag im Handel. Am Freitag hatte Jelinek in Stockholm den Literaturnobelpreis erhalten.
«Bambiland» entstand zeitgleich mit dem Krieg im Irak. Aktueller kann ein Theatertext nicht sein. Jelinek verknüpft Nachrichten vor allem von CNN mit Zitaten aus der griechischen Kriegstragödie «Die Perser» von Aischylos. Sie beobachtet die Beobachter, kommentiert die Kommentatoren. Schlingensief, Jelineks Wunsch-Regisseur für das Stück, brachte das Werk, in dem es keinen personenzugeordneten Text gibt, im Dezember 2003 am Wiener Burgtheater zu Uraufführung. Die Autorin sagte damals über die Inszenierung: «Dieser Text ist ein Amalgam aus Medienberichten zum Irak, und Schlingensief hat es mit
dieser überwältigenden visuellen Ebene nochmals amalgamiert».
In «Babel» werden die Ereignisse weiter reflektiert. Im März 2005 sollen die Monologe in der Regie von Nicolas Stemann am Akademietheater der Burg uraufgeführt werden. Jelinek sei für ihn «die Krönung des zeitgenössischen Theaters», weil sie ihm die Freiheit lasse «im eigenständigen Umgang mit ihrem Werk», sagte Stemann im Vorfeld.
Auch in «Babel» geht es um den Irak-Krieg, aber auch um die Pornoindustrie, Prostitution, Folter und Religion. Es gebe viele Antriebe, «die wir als Menschen alle immer ausprobieren müssen», schreibt Jelinek: «Religion, Kultur, Krieg, Sport». Sie schreibt «ich», «wir», «sie» oder «man» und somit sind alle gemeint. Sie beobachtet, klagt und analysiert. Sie spielt mit Worten, wie das Leben mit den Menschen. Ihre Sprache ist schonungslos. Sie versteht und kennt doch keine Gnade, so kindlich harmlos der Titel des Buches auch klingt. Jelinek verschont ihre Leser nicht - wie das Leben die Menschen. «Wir schreiten und schreiten», schreibt sie, «über Selbstgänger hinweg, über Gelähmte hinweg. Über Blindgänger sowieso. Wenn einer scharf auf uns ist, dann sind halt wir wieder die Dummen. Das nächste Mal machen wir es besser.»
In ihrem Leben und Arbeiten führt Jelinek einen Kampf gegen sich selbst, aber auch gegen das, was politisch und historisch gern unter den Tisch gekehrt wird. «Ich mache das, was ich tue, nicht gerne. Aber ich muss es tun», sagt sie über ihre Arbeit. Jelinek umschreibt die Dinge und nennt sie doch beim Namen. Immer wieder bezog sie sich auch in der Vergangenheit dabei auf aktuelle Ereignisse oder aktuelle politische Entwicklungen.
Bambiland ist derzeit auch am Deutschen Nationaltheater in Weimar zu sehen. In der Inszenierung des jungen Regisseurs Marco Storman bewerben sich vier Personen - ein Sportler, ein Banker, eine Autorin und eine Arbeitslose - für einen «Workshop für angehende Kriegsteilnehmer». «Wartainment».
Ulrike Geist
(Elfriede Jelinek: «Bambiland», Rowohlt, Reinbek, Dezember 2004,
ISBN: 3498032259, 14,90 Euro)