Nach einer fünfstündigen Sitzung hat der Hörfunk-Ausschuss des SWR am gestrigen Abend ein Moratorium in Sachen Orchesterfusion empfohlen. Auf diese Weise soll Zeit für eine mögliche GmbH-Lösung unter Beteiligung weiterer Geldgeber, darunter die Städte Stuttgart und Freiburg, gewonnen werden. Stimmen der Verwaltungsrat (der heute tagt) und der Rundfunkrat (am 29. Juni) diesem Vorschlag zu, besteht Hoffnung auf Rettung beider Orchester in der jetzigen Form. [Update: SWR will nicht von „Moratorium“ sprechen]
In der Sitzung des Ausschusses, der lediglich beratende Funktion hat, hatten unter anderem die Vorstände und Manager des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg sowie die Freundeskreis-Vorsitzenden der beiden Klangkörper vorgesprochen. Offensichtlich konnten deren Argumente die Ausschussmitglieder davon überzeugen, welche fatalen Folgen die von der Intendanz des SWR geplante Fusion der beiden Orchester hätte. Im Lauf der Sitzung sei die Stimmungslage, so verlautete aus den Reihen des Gremiums, nach anfänglicher Zustimmung zu den Fusionsplänen noch gekippt: das Moratorium wurde empfohlen.
So könnten – vorausgesetzt Verwaltungsrat und Rundfunkrat schließen sich der Empfehlung an – zunächst einmal bis zur nächsten Sitzung des Hörfunk-Ausschusses Ende September die Möglichkeiten dafür ausgelotet werden, weitere Träger, möglicherweise in Form einer GmbH, an der Finanzierung der Orchester zu beteiligen, allen voran die Städte Stuttgart und Freiburg.
In den vergangenen Tagen hatten sich die Proteste gegen die Fusionspläne noch einmal verschärft: Offene Briefe, unter anderem von den Berliner Philharmonikern (siehe Fotos) und den Studierenden der Musikhochschulen wurden veröffentlicht, eindringliche Plädoyers für den Erhalt der Orchester kamen von den Dirigenten Michael Gielen und Pierre Boulez sowie von der Bratschistin Tabea Zimmermann. Die Webseite „Orchesterretter.de“ registriert mittlerweile über 26.000 Unterzeichner.
Am 17. Juni findet ab 16 Uhr auf dem Kirchplatz St. Stephan in Karlsruhe ein Solidaritätskonzert statt: François-Xavier Roth, Chefdirigent des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, leitet ein Orchester aus Studierenden der fünf Musikhochschulen Baden-Württembergs. Auf dem Programm stehen Werke von Strawinsky, Beethoven und Ravel (siehe Foto).
[Update, 15.6.2012, 14 Uhr:]
Unterdessen liegt ein Statement des SWR vor. Auf Anfrage teilte die Pressestelle mit, das Wort „Moratorium“ habe „in der Sitzung keine Rolle gespielt“. Ergebnis der Gespräche sei gewesen: „Der Hörfunkausschuss wird sich in seiner nächsten Sitzung am 28. Juni erneut mit dem Thema beschäftigen und hat Intendant und Hörfunkdirektor gebeten bis dahin möglichst rasch eine Auslagerung der Orchester in eine GmbH-Lösung zu prüfen. Diese Prüfung wurde zugesagt. Für eine solche Auslagerung muss zunächst die Bereitschaft der Musikerinnen und Musiker eingeholt werden. Erst wenn diese gegeben ist, sollen die Sitz-Städte zu einer konkreten Zusage einer Beteiligung aufgefordert werden.“
Desweiteren wurde SWR-Intendant Peter Boudgoust mit folgendem Statement zitiert:
„Es war von Anfang an meine Linie, dass alle Lösungen geprüft werden, die auf Dauer tragfähig sein könnten. Ziel muss die nachhaltige Zukunftssicherung der Klangkörper des SWR sein. In diesem Sinne haben wir uns bei den Beratungen im Hörfunkausschuss darüber verständigt, dass wir den Vorschlag einer GmbH-Lösung für die Orchester in Baden-Württemberg jetzt nochmals intensiv prüfen. Zunächst sprechen wir darüber zeitnah mit allen unseren Musikern. Wir sind uns mit unseren Gremien einig, dass wir zu einer raschen Entscheidung kommen müssen. Eine Hängepartie ist den Musikern beider Orchester nicht zuzumuten und ginge nur auf Kosten der künstlerischen Qualität ihrer Arbeit.“