Im Schatten der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff ist in Hannover die Villa Seligmann als Europäisches Zentrum für Jüdische Musik (EZJM) eröffnet worden. Der Besuch bei der Einweihung am Dienstag war Wulffs erster öffentlicher Termin in Niedersachsen seit Beginn der Kredit- und Medienaffäre.
In seiner Heimat wurde der Bundespräsident trotz des öffentlichen Drucks der vergangenen Wochen mit viel Lob empfangen. Ohne sein Engagement sei die Eröffnung des EZJM nicht möglich gewesen, sagte Wulffs Nachfolger im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten, David McAllister (CDU).
Der Direktor des EZJM, Andor Izsàk, forscht seit Jahrzehnten weltweit nach verschollenen Tonaufnahmen und Noten aus den im Nationalsozialismus zerstörten Synagogen. In dem Zentrum sollen die gefundenen Werke künftig dokumentiert, wissenschaftlich erforscht und interessierten Bürgern zugänglich gemacht werden.
Wulff bezeichnete die Eröffnung als "herausragendes Ereignis für Stadt, Land und Kulturerziehung". In der deutschen Geschichte seien die Juden und ihre Kultur der Vernichtung preisgegeben worden. Insofern sei das Zentrum auch ein Zeugnis der deutschen Selbstwahrnehmung.
Zu Beginn der Einweihungsveranstaltung wurde im Beisein Wulffs die Mesusa, eine Schriftrolle mit einem Text aus der Thora, am Türpfosten des Hauses angebracht. Damit wurde die Bestimmung des Gebäudes als Hort jüdischen Glaubens kenntlich gemacht und nach jüdischer Tradition Schutz für seine Bewohner erbeten. Der Europäische Synagogalchor gab anschließend ein Konzert mit Werken unter anderem von Kurt Weill und Louis Lewandrowski.
Neben Wulff und McAllister waren zahlreiche Förderer des Zentrums zur Eröffnung gekommen, unter anderem Drogerieunternehmer Dirk Roßmann und RWE-Chef Jürgen Großmann. Insgesamt etwa sechs Millionen hatten Unternehmer und Privatleute über die Siegmund Seligmann-Stiftung für den Umbau der Villa Seligmann aufgebracht.
Auch Roßmann lobte Wulffs Engagement für das EZJM. "Er hat im positiven Sinne genervt und die Unternehmer angesprochen", sagte er. Die derzeitige Kritik am Bundespräsidenten halte er deswegen auch für "unfair". Ihn "ärgere" es, dass in den Medien nie erwähnt werde, "was der Bundespräsident Positives tue"
Selbst aus der SPD gab es kaum Kritik an Wulff. Der niedersächsische Spitzenkandidat und hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil betonte am Rande der Veranstaltung lediglich, dass die "quälende Diskussion" um Wulff bald beendet werden müsse. Inzwischen handle es sich um ein Thema, "das die gesamte deutsche Politik beherrscht und das nicht gut für die Demokratie" ist. Eine umfassende Aufklärung sei nun wichtig, sagte Weil, fügte aber gleich hinzu: "Wir tun alle miteinander gut daran, dem Amt des Staatsoberhauptes mit dem nötigen Respekt entgegen zu treten."
Die Niedersachsen wird die Affäre um Wulff unterdessen auch in den kommenden Tagen intensiv beschäftigen. Das Thema wird gleich mehrfach in der am Mittwoch beginnenden Plenarwoche des Landtags behandelt werden.