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Comeback für Cosima

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Neue Biografie und Opern-Uraufführung erinnern an die «Herrin des Hügels» - Das bewegte Leben der Cosima Wagner


Berlin (ddp-bay). «Ich bin aufgewachsen mit einem sehr negativen Bild von Cosima - doch nach und nach muss ich es revidieren», sagt Nike Wagner über ihre berühmte Urgroßmutter. Als starr, konventionell, deutsch, weihevoll und antisemitisch habe sie Cosima lange Zeit wahrgenommen. «Mit Cosima zog das Unheil in die Familie» hatte Urenkelin Nike gar in einem Buch geschrieben. Die 61-Jährige leitet heute selbst Festspiele in Weimar und blickt auch deshalb milder auf die durchsetzungsstarke zweite Ehefrau ihres Urgroßvaters Richard Wagner (1813-1883). «Und ich habe aus dem neuen Buch von Oliver Hilmes viel über Cosima gelernt», sagt Nike Wagner bei der Vorstellung der Hilmes-Biografie «Herrin des Hügels - Das Leben der Cosima Wagner» in Berlin.

An Cosima (1837-1930) war so ziemlich alles außergewöhnlich, berichtet Hilmes: Sie war die uneheliche Tochter des Jahrhundertpianisten Franz Liszt und der französischen Schriftstellerin Marie d\'Agoult. Trotz des unkonventionellen Elternhauses musste sie sich einer erstickend konformen Erziehung durch lieblose Gouvernanten beugen. Ihre Mutter sah Cosima nach der frühen Trennung der Eltern so gut wie nie, ihren Vater als junges Mädchen erst nach neun Jahren zum ersten Mal wieder. Im Leben der Eltern spielten sie und ihre beiden Geschwister eine unbedeutende Rolle. Cosimas Leben änderte sich, als sie mit 19 Jahren den Lieblingsschüler ihres Vaters und späteren Dirigenten der Berliner Philharmoniker, den exzentrischen Hans von Bülow, heiratete.

Die Ehe war ein Irrtum, so urteilt der Biograf. Doch bereits auf der Hochzeitsreise traf sie Bülows Freund: Richard Wagner. Schnell entwickelte sich eine Affäre zwischen den beiden, Cosima brachte im Laufe der Jahre drei uneheliche Kinder des Komponisten zur Welt. «Ich glaube, Bülow hat den Ehebruch und die Demütigungen ausgehalten, weil es ihm nur um die Kunst ging», sagt Nike Wagner. 1870 heiratete Cosima schließlich den über 20 Jahre älteren Richard Wagner. «Es ist absolut meisterhaft, wie sie ihre Männerwirtschaft mit Bülow und Wagner gehandhabt hat - immer bestrebt, niemanden zu verletzten», urteilt die Urenkelin heute.

Was Wagner an Cosima fasziniert haben mag? «Sie war nicht schön, eher knochig. Ihr Geheimnis liegt wohl im Zauber der Bewegung», sagt Nike, die Tochter Wieland Wagners. «Sie hatte eine große Sanftheit und Grazie und muss in ihren Kimonos sehr erotisch gewirkt haben.» Für den exzentrischen Komponisten außerdem in den Augen der Urenkelin anziehend: «Sie konnte sich vollkommen unterordnen und solidarisch sein, ohne sich selbst aufzugeben. Sie war ja schließlich die Tochter Liszts.»

In den 47 Jahren, die sie ihren Gatten überlebte, betrieb die Witwe ihre totale Identifizierung mit der Person Richard Wagners. Bei der Stilisierung dieses Bildes schreckte sie auch vor drastischen Mitteln nicht zurück, schreibt Hilmes. Noch am Tage von Wagners Tod 1883 ließ sie ihre langen Haare abschneiden. Sie nähte sie in ein Plüschsäckchen ein und legte sie zu dem Toten in den Sarg.

«Ohne Cosima gäbe es die Bayreuther Festspiele nicht», sagt Hilmes, der zuvor eine viel beachtete Biografie über die Künstler-Witwe Alma Mahler-Werfel geschrieben hatte. Mit Geschick und Verschlagenheit habe sie daraus ein florierendes Familienunternehmen und eine gesellschaftliche Institution gemacht. Wenn Frau Wagner in den späteren Jahren ihren Witwenschleier ablegte, habe man eine humorvolle Dame erkennen können, deren Lachen als «erderschütternd» galt und die gerne ein Glas Bier oder noch lieber Champagner trank. Aber auch an der posthumen Politisierung von Richard Wagners Werk, die später von den Nationalsozialisten aufgegriffen wurde, habe Cosima maßgeblichen Anteil gehabt.

Nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen der neuen Biografie über Cosima Wagner wurde an den Theatern in Braunschweig und Gera die Oper «Cosima» von Siegfried Matthus/Friedrich Nietzsche uraufgeführt. Nietzsche, der in eine emphatische Liebe zu Richard Wagner verfallen war, betete ebenso übertrieben dessen Frau Cosima an. Er begann, das Fragment der Oper zu komponieren, bevor seine Liebe in Hass umschlug. Matthus ergänzte das Fragment jetzt um eine Rahmenhandlung und machte daraus eine «veritable Oper», wie die Kritik urteilte.

(Oliver Hilmes: «Herrin des Hügels - Das Leben der Cosima Wagner», Siedler Verlag, 469 Seiten, 24,95 Euro, ISBN: 987-3-88680-836-6)
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