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Bayreuther Festspiele 2016 starten ohne roten Teppich. Foto: Stadt Bayreuth
Hartmut Haenchen dirigiert «Parsifal» in Bayreuth. Foto: Stadt Bayreuth
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Hartmut Haenchen dirigiert «Parsifal» in Bayreuth [update, 7.7.]

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Bayreuth - Nach dem überraschenden Rückzug des lettischen Dirigenten Andris Nelsons (37) haben die Bayreuther Festspiele einen Nachfolger gefunden. Hartmut Haenchen (73) wird nun die diesjährigen Festspiele am 25. Juli mit dem «Parsifal» eröffnen. «Die Festspielleitung freut sich sehr, dass es gelungen ist, mit Hartmut Haenchen einen ebenso spannenden Künstler wie leidenschaftlichen Musiker zu gewinnen, dem das Werk Wagners in ganz besonderem Maße vertraut ist», teilte Festspielsprecher Peter Emmerich am Dienstagabend mit.

Festspielleiterin Katharina Wagner sagte der Mitteilung zufolge: «Ich bin Maestro Haenchen sehr dankbar, dass er sich kurzfristig bereit erklärte, das Dirigat der Neuproduktion zu übernehmen, und freue mich auf sein erstes Mitwirken bei den Bayreuther Festspielen.»

Haenchen, ein gebürtiger Dresdner, hat nach eigenen Angaben schon zu DDR-Zeiten den «Parsifal» von Richard Wagner dirigiert. Zum Teil waren damals aber szenische Aufführungen verboten und nur konzertante Aufführungen erlaubt.

Erst Ende Juni war Nelsons' Abgang bekanntgeworden, sein Vertrag wurde auf seinen eigenen Wunsch aufgelöst. Die genauen Gründe für die Trennung wurden nicht bekannt, angeblich soll eine ständige Einmischung des musikalischen Leiters Christian Thielemann in Nelsons' Arbeit eine Rolle gespielt haben. Thielemann selbst hatte dies zurückgewiesen.

Der erneute Zwist auf dem Grünen Hügel hatte für erhebliches Aufsehen gesorgt, überraschend schnell konnte die Nachfolge geklärt werden - und somit heißt es jetzt erst einmal wieder «Vorhang zu».

 

[update, 7.7.]

Glücksfall für die Lücke im Graben: Haenchen dirigiert in Bayreuth
Von Sophie Rohrmeier

So plötzlich der Junge weg war, so schnell reist der Alte an: Einen Tag, nachdem die Bayreuther Festspiele erleichtert verkündeten, dass Dirigent Hartmut Haenchen (73) einspringen wird für Andris Nelsons (37), ist der Meister schon auf dem Weg zum Grünen Hügel. Er hat nicht viel Zeit. Am Mittwoch musste er gleich zu seiner ersten Probe für den «Parsifal». Danach gibt es noch eine weitere, und am 25. Juli ist schon Eröffnungspremiere. Eine knappe Angelegenheit, aber für die Festspiele hat das Dirigenten-Desaster ein - vorerst - glückliches Ende genommen. Im doppelten Sinne.

«Haenchen ist ein fabelhafter Dirigent, erste Wahl, keine Frage», sagt ein Kenner der Wagner-Szene, der seinen Namen nicht nennen möchte. Und er setzt hinterher: «Da hatten sie wieder Glück. Man wundert sich immer wieder, dass sich noch jemand darauf einlässt.»

Er sei sehr froh, Teil des Teams in Bayreuth zu werden, ließ der in Dresden geborene Haenchen hingegen sein Management mitteilten. Der «Parsifal» bedeute ihm sehr viel und begleite ihn seit Jahren. Er will sich einbringen - auch wenn er, wie er sagt, mit zwei verbleibenden Orchesterproben «keine Welten bewegen» könne.

Als Nelsons vergangene Woche absprang, war das für so manchen Beobachter dennoch nur ein weiteres Symptom dafür, dass die einst so glanzvolle Institution der Bayreuther Festspiele bröckelt.

Die Aufmerksamkeit ist dem Grünen Hügel dank des überraschenden Wechsels inklusive Emotion jedenfalls nun doch wieder garantiert. Und mit Haenchen geht das Drama für Bayreuth auch künstlerisch gut aus. Experten schätzen ihn als erfahrenen Wagner-Interpreten, nach eigenen Angaben hat er 34 komplette Ring-Zyklen dirigiert. Im versteckten Orchestergraben von Bayreuth stand er allerdings noch nie.

«Wir gehen fest davon aus, dass sich Hartmut Haenchen gut einfügen wird», sagt der Sprecher der Festspiele, Peter Emmerich. «Das etwas Nebulöse hier, das muss man hinnehmen.»

Nelsons war es wohl zu viel geworden. Er reiste nach Unstimmigkeiten ab und kam trotz Anstrengungen von Katharina Wagner nicht wieder. Die Stimmung ist angespannt, und das nicht erst seit kurzem.

Der Sänger Evgeny Nikitin sagte vor vier Jahren seine Auftritte wegen eines verdächtigen Tattoos ab (das nach einem Hakenkreuz aussah) - auf Druck der Festspielleitung. Bayreuths Leitung beendete 2014 auch die Zusammenarbeit mit dem Skandalkünstler Jonathan Meese, der mehrfach verklagt wurde wegen Hitlergruß-Gesten bei Performances. Er hätte eigentlich dieses Jahr den «Parsifal» inszenieren sollen (was jetzt Uwe Eric Laufenberg macht).

Diesmal soll es Zwist gegeben haben zwischen Nelsons und dem musikalischen Leiter, dem renommierten Dirigenten Christian Thielemann. Der hatte sich gegen die Gerüchte gewehrt: Er habe ein «sehr gutes» Verhältnis zu Nelsons, sagte er in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung». «Ich bin mit ihm fast befreundet.»

Insider dagegen erzählten, Thielemann habe sich zu sehr eingemischt in die Arbeit von Nelsons, öffentlich sagen wollten sie das aber nicht. Der Sprecher der Festspielleitung, Peter Emmerich, hatte den Medien gegenüber lieber darüber spekuliert, ob die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen rund um das Festspielhaus wegen latenter Terrorgefahr die Künstlerseele Nelsons zu sehr gestört haben könnten.

So hinderlich sind die zusätzlichen Wachleute und Kontrollen aber wohl doch nicht. Denn die Festspiele hätten Haenchen nicht extra darauf vorbereitet, sagt Emmerich. Der 73-Jährige dürfte ohnehin versuchen, sich auf die Arbeit mit dem Orchester und weniger auf das Atmosphärische drumherum zu konzentrieren. «Es ist immer eine Herausforderung, kurzfristig in eine Produktion einzusteigen, besonders in diesem Fall, da die Proben schon seit einiger Zeit laufen», so Haenchen.

Über Erfolg spricht der Dirigent auch in seinem zweibändigen Buch «Werktreue und Interpretation». «Ich habe nicht getan, was andere getan hätten», schreibt er, «nämlich auf Effekte zu bauen, um schnelle Resultate zu verbuchen.» Den «Parsifal» in Bayreuth muss er jetzt trotzdem schnell zu einem Erfolg machen.

 

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