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Heimkehr nach Berlin - Wolf Biermann stellt seine neue CD vor

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Berlin (ddp). Wolf Biermanns neue CD heißt «Heimkehr nach Berlin Mitte», aber vorgestellt hat er sie am Freitag im früheren West-Berlin, in Kurfürstendamm-Nähe. Und tatsächlich ist es nicht nur ein Titel: Biermann will eventuell wieder in Berlin wohnen.

«Mir ging nämlich die Ehrenbürgerei nicht gerade am Arsch vorbei», sagt er und grinst. Diese Würde war ihm Ende März verliehen worden.
Vorangegangen war eine scharfe Debatte zwischen den politischen Lagern und Diskussionen sogar innerhalb der SPD. Das hat Biermann gefallen. «Denn ich will ja dahin, wo es wehtut.»

Bereits zweimal habe er nach der Wende eine Rückkehr versucht.
Aber da war seine geliebte Wohnung in der Chausseestraße 131 - die Adresse war 1965 der Titel seiner zweiten Platte - besetzt. «Von einem Spitzel, dem heutigen Feuilletonchef des \'Neuen Deutschland\'.» Das ärgert Biermann nachhaltig. «Ausgerechnet am einzigen Ort, an dem sich jahrzehntelang anständige Leute getroffen haben. Das wollte ich nicht.»

Hanno Harnisch, so heißt Biermanns Wohnungs-Nachfolger, gehörte seinerzeit zu denselben Kreisen wie Biermann, in denen sich DDR-Kulturschaffende - so weit sie das wagten - mit Künstlern und Intellektuellen wie Biermann trafen und austauschten, die den
«Arbeiter- und Bauernstaat» mit Schärfe und Witz kritisierten und dafür drangsaliert und mit Verboten belegt wurden.

In den 90er Jahren beriefen sich Journalisten auf Akten in den Beständen der Bundesbehörde für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes, als sie Harnisch als den inoffiziellen Stasimitarbeiter identifizierten, der unter dem Decknamen «Egon» aus diesen Kreisen berichtet hatte. Freunde Harnischs meinten, mit seiner Akte könne er auch Senator werden, schrieb dagegen vor einigen Jahren die Zeitschrift «Blättchen». «Biermann sollte die Akten lesen und nicht den \'Spiegel\'», kommentierte Hanno Harnisch selbst am Freitag auf ddp-Anfrage Biermanns Angriff und wollte mehr nicht sagen.

Wohin also mit Biermann, wenn die alte Wohnung «besetzt» ist?
Heute würde er vielleicht in die Linien-, Invaliden-, Kleine Hamburger Straße ziehen, sagt Biermann. «Oder so um den Alex rundrum.» Nicht wohnen will er in Lichtenberg, «weil sie da meine Tochter klatschen würden, die mit einem Schwarzen geht«. Auch Marzahn käme nicht in Frage, «weil da die PDS ist, und sie mich klatschen würden». Nach West-Berlin wolle er aus «Daffke» nicht. Osten soll es sein. Da habe er seine alten Freunde und Feinde.

Zu letzteren gehören die »linken Linken«, wie Biermann sie nennt.
Er, der 1956 idealistisch aus dem Westen »gegen den Strom« in die DDR gezogen und 20 Jahre später von deren Führung ausgesperrt worden war, sieht »gar keine Veränderung bei der PDS", nun Die Linke. «Weil ich der Meinung bin, dass der feste Kern die alte Nomenklatura ist.» Die Partei habe nichts von deutscher Geschichte begriffen, sie sei reaktionär. Die Linke als kommende dritte Kraft, wie sie Lafontaine und Gysi sehen, hält Biermann durchaus für möglich: «Das ist der Konstruktionsfehler von Demokratie. Das bricht mir das politische Herz.»
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