Hauptrubrik
Banner Full-Size

Kulturfinanzierungskrise: Die Union muss mehr bei der Unterstützung der Kultur wagen

Autor
Publikationsdatum
Body

Berlin - Gestern fand im Deutschen Bundestag eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien zum Thema „Lage der öffentlichen Kulturfinanzierung in der Finanz- und Wirtschaftskrise – Lösungsmöglichkeiten für den Erhalt der kulturellen Infrastruktur in den Ländern und Kommunen“ statt.

Neun Experten standen den Abgeordneten des Deutschen Bundestags für ihre Fragen zur Verfügung. Es waren: Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor, Deutscher Bühnenverein; Hajo Cornel, Abteilungsleiter, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg; Jörg Freese, Beigeordneter für Gesundheit, Jugend und Bildung des Deutschen Landkreistags; Klaus Hebborn, Beigeordneter für Bildung, Kultur und Sport des Deutschen Städtetags; Dr. Nikolas Hill, Staatsrat, Behörde für Kultur, Sport und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg; Peter Lönnecke, Referatsleiter, Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst; Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Meyer, Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät; Prof. Dr. Christian Waldhoff, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät; Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats e.V.
 
Übereinstimmend erklärten die Experten, dass die Situation der Kulturfinanzierung in den Ländern und Kommunen äußerst angespannt ist. Dabei sind regionale Unterschiede festzustellen, die unter anderem mit dem Kommunalisierungsgrad der Kulturfinanzierung und der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Länder bzw. Regionen zusammenhängen. Die Experten aus dem Kulturbereich und von den kommunalen Spitzenverbänden schilderten, dass es eben nicht mehr um einzelne Einsparungen, sondern um die Gefahr einer Zerstörung der kulturellen Infrastruktur geht. Darum ist es erforderlich, neben der dringend notwendigen grundlegenden Stärkung der kommunalen Finanzen, jetzt Hilfen bereit zu stellen, damit kein zu großer Schaden entsteht.
 
Von Seiten der Verfassungsrechtler wurde erklärt, dass dem vom Deutschen Kulturrat vorgeschlagenen Nothilfefonds Kultur verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stehen. Die Föderalismusreform I aus dem Jahr 2006 hat die zuvor möglichen Wege einer unmittelbaren Hilfe des Bundes in der Kulturfinanzierung der Länder und Kommunen abgeschnitten. Die „Schleichwege“, die im Rahmen der Föderalismusreform II gefunden wurden, damit der Bund in außergewöhnlichen Notlagen Ländern und Kommunen bei Investitionen doch helfen kann, gelten nach Meinung der angehörten Verfassungsrechtler nur für Investitionen im Sinne von Baumaßnahmen.
 
Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. Meyer wies zugleich als „schlitzohrigen Ausweg“ darauf hin, dass entgegen der Verfassungslage der Bund dennoch politisch tätig werden könnte, denn „wo kein Kläger, da kein Richter“. Rolf Bolwin erinnerte an die Übergangsfinanzierung des Bundes für kulturelle Infrastruktur in den neuen Ländern, die Anfang der 1990er Jahre aus politischen Gründen zügig auf den Weg gebracht wurde. Jetzt besteht ebenfalls eine besondere Situation und politisches Handeln wäre nötig.
 
Nachdem der Nothilfefonds Kultur auf verfassungsrechtliche Bedenken stieß, unterbreitete der als Experte eingeladene Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, zwei zusätzliche Lösungsvorschläge, um die kulturelle Infrastruktur in den Kommunen zu sichern. Zum einen könnte der Etat der Kulturstiftung des Bundes deutlich aufgestockt werden, damit von ihr in einem befristeten Zeitraum Projektmittel zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur vergeben werden könnten. Hier könnte an eine bestehende Struktur angeknüpft werden, die über umfassende Erfahrungen in der Projektförderung verfügt. Zum zweiten könnten auch die Länder die Kulturstiftung der Länder finanziell stärken und dort einen entsprechenden Projektfonds einrichten. Darüber hinaus könnte sich der Bund an einem solchen Fond finanziell beteiligen. Da der Bund lange Jahre die Kulturstiftung der Länder mitfinanziert hat, dürften diesbezüglich eigentlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
 
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Ein bisschen skurril ist es schon, wenn bei der Anhörung aus den Reihen der Unionsfraktion ständig betont wird, dass eine Hilfe für notleidende Kultureinrichtungen in den Kommunen mit einem Nothilfefonds des Bundes, aufgrund der verfassungsgemäßen Zuständigkeit der Länder für die Kulturförderung nicht gewährt werden darf und gleichzeitig Kulturstaatsminister Bernd Neumann, MdB (CDU), dessen Partei bei der Schaffung des Amtes auch grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken hatte, der Anhörung zuhörte. Vielleicht sollte die Union einmal der „schlitzohrigen Empfehlung“ des angehörten Verfassungsrechtlers Prof. Meyer folgen und für die Unterstützung der Kultur einfach mal etwas mehr wagen.“

Autor