Für Stephan Märki fällt letzter Vorhang am Thüringer Staatstheater +++ 2010 endet seine DNT-Intendanz in Weimar +++ OB Wolf spricht von «gestörtem Vertrauensverhältnis» +++ Grüne sehen «Kleingeist und Provinzialität»
Weimar/Erfurt (ddp-lth). Der Vertrag von Generalintendant Stephan Märki soll nach dem Willen des Aufsichtsrats des Deutschen Nationaltheaters (DNT) Weimar am 31. August 2010 auslaufen. In einer Sitzung des Gremiums am Dienstagabend sei keine Einigung über eine Vertragsverlängerung über dieses Datum hinaus erzielt worden, sagte der Aufsichtsratschef und Thüringer Kultusminister Bernward Müller (CDU) am Mittwoch. Vertreter der Stadt Weimar hätten von ihrer Sperrminorität Gebrauch gemacht.
Weimars Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvize Stefan Wolf (SPD) sprach von einem «gestörten Vertrauensverhältnis». Märki – seit September 2000 DNT-Intendant - habe mit den Aufsichtsratsmitgliedern nur noch über Anwälte oder die Presse kommuniziert. Eine intensive Diskussion über die Lösung wirtschaftlicher und struktureller Probleme des Theaters sei nur denkbar, wenn der Intendant dazu auch bereit sei und nicht jedes Gespräch sofort an die Öffentlichkeit gelange, sagte Wolf. Nach zehn Jahren könnten zudem mit einem Wechsel in der künstlerischen Leitung des Hauses auch neue Impulse gesetzt werden. Den Vorwurf eines «Ränkespiels» wies Wolf zurück.
Die Kulturexpertin der Linken, Birgit Klaubert, hatte die Entscheidung als «abgekartetes Spiel» bezeichnet. Dass Wolf einen eigenen Antrag mit dem Ziel einer Vertragsverlängerung dann mit seiner eigenen Stimme abgelehnt habe, sei eine «schändliche Aufführung». Statt in der DNT-Aufsichtsratssitzung über Inhalte zu reden, sei durch ein «infames Verfahren ein Intendant aus dem Amt gejagt» worden, der für Freiheit und Autonomie der Kunst eintrete und sich seit Jahren für den Erhalt der reichen Thüringer Kulturlandschaft engagiere.
Grünen-Landeschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte, der «Putsch» stehe für «Kleingeist und Provinzialität sowie Arroganz der Macht einer unheiligen großen Koalition von CDU und SPD». Die Folgen seien für die Kultur und Thüringen verheerend. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) fügte hinzu, offenbar sei bei den Weimarer Stadtbürokraten jemand, der eigene, kreative und auch ungewöhnliche Wege gehe, nicht erwünscht.
SPD-Chef Christoph Matschie sprach von einer «krassen Fehlentscheidung» des Aufsichtsrats, die revidiert werden müsse. Märki habe eine hervorragende Arbeit geleistet und das DNT zu einem «kulturellen Mittelpunkt Deutschlands» gemacht.
Die Kulturinitiative Thüringen forderte die Abwahl von Wolf. Dieser habe mit seiner Entscheidung gegen Märki seine privaten Interessen über die der Stadt und der Bürger gestellt, sagte der Gründer der Initiative, Peter Mittmann. Er kritisierte auch CDU-Stadtrat Peter Krause, der zu den sechs Märki-Gegnern im Aufsichtsrat zählte: Dieser versuche, «persönliche Eitelkeit mit Vetternwirtschaft zu kombinieren, wenn er jetzt seinen Freund Dominique Horwitz als neuen Intendanten ins Gespräch bringt». Medienberichten zufolge sollen auch Schauspieler Thomas Thieme und Dramaturgin Nike Wagner Interesse an der Intendanz gezeigt haben.
Die drei Aufsichtsräte Martin Kranz (weimarwerk bürgerbündnis), Rudolf Keßner (Grüne) und Dirk Möller (Linke) distanzierten sich von der Entscheidung des Aufsichtsrates. Es sei nicht hinnehmbar, die Verhandlungen mit Märki ohne inhaltliche Begründung abzubrechen. «Die Art und Weise des Vorgehens hat uns entsetzt», teilten sie in einer Erklärung mit. Der Intendant sei vom Stuhl gestoßen worden ohne die Chance, selbst Stellung zu nehmen.
David Rollik (ddp)
Nachtrag:
Als Nachfolger kommen laut Zeitungsbericht die Schauspieler Thomas Thieme, Dominique Horwitz sowie Kunstfest-Intendantin Nike Wagner in Frage. Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung Ende Oktober soll eine Entscheidung getroffen werden.
Stephan Märki ist seit September 2000 Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Der Schauspieldirektor führte dort auch Regie bei den "Comedian Harmonists" von Gottfried Greiffenhagen (1998), "Lulu" von Frank Wedekind (2001), "Werther. Sprache der Liebe" (2003) von Kristo Sagor nach Goethe und "Maria Stuart" von Friedrich Schiller.