Die Voraussetzungen für eine Fusion der Orchester des Südwestrundfunks (SWR) sind weitgehend beschlossen. Der SWR-Rundfunkrat stimmte am Freitag einer Vorlage des Intendanten Peter Boudgoust zu, die eine Fusion des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg vorsieht. Für die Vorlage votierten 30 Mitglieder, dagegen 10. Ein Mitglied des Gremiums enthielt sich.
In einer Ergänzung der Vorlage wurde festgelegt, dass der Intendant bei der Sitzung des Rundfunkrats im September über mögliche Alternativen berichten muss. Sollten sich keine bieten, wird die Fusion der Klangkörper umgesetzt.
SWR-Intendant Peter Boudgoust will aus Kostengründen die beiden namhaften Orchester zusammenlegen. Bis 2020 muss der Südwestrundfunk 166 Millionen Euro einsparen. Das Budget des Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg und des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart inklusive der Personalkosten liegt dem SWR zufolge derzeit bei zusammen 20 Millionen Euro jährlich. Künftig sollen fünf Millionen Euro weniger ausgegeben werden.
Intendant Boudgoust betonte, dass das Modell eines großen fusionierten Orchesters die größten Zukunftschancen für die beiden SWR-Orchester in Baden-Württemberg biete und gleichzeitig die beschlossene Einsparquote erbringe. Frühestens umgesetzt werden könne die Fusion 2016.
Kritik des Deutschen Musikrats
Der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, sprach von einem "kulturpolitischen Offenbarungseid" durch Intendant Boudgoust. Unabhängig davon, ob es gelinge, bis September ein Alternativkonzept zu erarbeiten, mache er sich zum "Totengräber" für zwei international renommierte Orchester.
Mit der verharmlosenden Darstellung der Auswirkungen einer Fusion würden "potemkinsche Dörfer" aufgebaut, kritisierte Höppner. Intendanten, die die Suche nach Alternativkonzepten anderen überließen und ihre Aufgabe offenkundig nicht mit einer kultur- und medienpolitischen Prioritätensetzung verbänden, gefährdete einen Teil der im Rundfunkstaatsvertrag definierten Alleinstellungsmerkmale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Rund 27.000 Musikfreunde haben bislang mit ihrer Unterschrift gegen die Zusammenlegung der beiden SWR-Orchester protestiert. Die Online-Petition gegen die Sparpläne des Südwestrundfunks vereint viele bekannte Namen wie die Pianistin Martha Argerich, den Sänger Thomas Quasthoff, den Dirigenten Mariss Jansons, die Bratschistin Tabea Zimmermann und den Violonisten Rainer Kussmaul.
Hier der Wortlaut der Pressemitteilung des Deutschen Musikrates:
Der Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) stimmte in seiner heutigen Sitzung der geplanten Fusion des Sinfonieorchesters Baden-Baden / Freiburg und des Rundfunksinfonieorchesters Stuttgart zu. Nur für den Fall, dass ein belastbares Alternativkonzept zu Einsparvorgaben des SWR vorliegt, werde sich das Gremium in seiner nächsten Sitzung Ende September erneut mit dem Thema befassen. Sollte die Erarbeitung eines solchen Alternativmodells nicht gelingen, gelte die Fusion als beschlossene Zukunftsoption.
Hierzu Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Unabhängig davon, ob es gelingt, bis September ein Alternativkonzept zu zaubern, ist die geplante Fusion der beiden SWR-Orchester ein kulturpolitischer Offenbarungseid von Intendant Peter Boudgoust, mit dem er sich zum Totengräber von zwei international renommierten Orchestern macht. Die Reduzierung der Kulturellen Vielfalt und die Zerstörung gewachsener Klangprofile stellen einen Verstoß gegen die UNESCO-Konvention zur Kulturellen Vielfalt dar. Dass ‚Aus-zwei-mach-eins‘ nicht funktionieren kann, ist offenkundig derzeit auch der Mehrheit der Rundfunkratsmitglieder nicht vermittelbar.
Mit der verharmlosenden Darstellung der Auswirkungen einer Fusion werden potemkinsche Dörfern aufgebaut. Intendant Boudgoust ist und bleibt in der Pflicht, in der Fürsorge für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Bürgerinnen und Bürger, die Prioritäten zugunsten der Kultur zu setzen und dem Rundfunkrat ein Alternativkonzept vorzulegen. Aus dieser Verantwortung sollte ihn niemand entlassen. Intendanten, die die Suche nach Alternativkonzepten anderen überlassen und ihre Aufgabe offenkundig nicht mit einer kultur- und medienpolitischen Prioritätensetzung verbinden, gefährden einen Teil der im Rundfunkstaatsvertrag definierten Alleinstellungsmerkmale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“
In der Formulierung der SWR-Pressestelle liest sich die Entscheidung wie folgt:
Rundfunkrat unterstützt Pläne des SWR zur Zukunft seiner Orchester
Stuttgart. Der Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) unterstützt die Pläne des Senders zur Zukunftssicherung seiner Orchester. In der Sitzung am Freitag, 29. Juni 2012, in Stuttgart stimmte das Gremium einer Vorlage zur Zukunft der Orchester zu, die die Fusion des Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg und des Rundfunksinfonieorchesters Stuttgart des SWR als die realistischste Zukunftsoption vorsieht. Sollte bis zur nächsten Rundfunkratssitzung Ende September ein belastbares Alternativkonzept vorliegen, das die Einsparvorgaben des SWR nachhaltig erfülle, die programmlichen Erfordernisse im Blick habe und auch rechtlich umsetzbar sei, werde sich das Gremium erneut mit dem Thema befassen. Sollte die Erarbeitung dieses Alternativmodells nicht gelingen, gelte die Fusion als beschlossene Zukunftsoption. Der Rundfunkrat unterstrich, dass er die Sparvorgaben des SWR akzeptiere und dass die Orchester nicht aus dem Sparprozess ausgeschlossen werden könnten.
SWR-Intendant Peter Boudgoust betonte, dass das Modell eines großen fusionierten Orchesters für das Programm und künstlerisch die größten Zukunftschancen für die beiden SWR-Orchester in Baden-Württemberg biete und gleichzeitig die beschlossene Einsparquote erbringe. Frühestens umgesetzt werden kann die Fusion 2016. SWR-Intendant Peter Boudgoust: „Mit einem großen fusionierten Orchester hat die Musik beim SWR weiter eine gesicherte Zukunft. Damit können die Rahmenbedingungen für die Musiker geschaffen werden, um die Qualität der SWR-Orchestermusik weiterzuführen. Und auch das Publikum kann darauf vertrauen, dass die Abonnementkonzerte in Freiburg und Stuttgart sowie wichtige Gastauftritte und die Jugend- und Vermittlungsarbeit an beiden bisherigen Standorten fortgesetzt werden.“ Je nach Profil könne das Orchester rund 90 Konzerte in großer Besetzung bestreiten. Im Übergang könnten sich Orchestermusiker, die zeitweise in der großen Orchesterbesetzung nicht eingeteilt werden, in unterschiedlichen Ensembles formieren und Konzerte sowie Musikvermittlung gestalten. Darüber hinaus werde die Beteiligung bei den Donaueschinger Musiktagen, den Schwetzinger SWR Festspielen und beim Festival Rheinvokal auch mit dem neuen fusionierten Sinfonieorchester gewährleistet.
Der SWR hat im Jahr 2010 einen strategischen Spar- und Umbauprozess eingeleitet, der für nahezu alle Bereiche des SWR Einsparvorgaben über einen Zehnjahreszeitraum definiert. Während die Programme, der Verwaltungs- und Technikbereiche sowie die Intendanz bereits mit der Umsetzung der Vorgaben begonnen haben, werden jetzt auch die Orchester strukturelle Sparmaßnahmen erbringen. Dabei verbiete sich eine Einsparung nach dem Rasenmäherprinzip. SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann: „Beide Orchester stehen personell wie bei den zur Verfügung stehenden Mitteln für Solisten und Dirigenten am absolut unteren Limit. Eine Fortführung lediglich des Status quo würde die Orchester in absehbarer Zeit in die Drittklassigkeit führen.“ Auch deshalb habe sich die SWR-Geschäftsleitung für eine zügige Entscheidungsfindung ausgesprochen.
Alle denkbaren Lösungsmodelle, auch die jüngst eingebrachten Idee der Auslagerung beider Orchester in eine GmbH, wurden intensiv geprüft und bewertet. Kriterien hierfür waren:
Wird die Sparquote, bzw. Sparsumme von 25 Prozent oder 5 Millionen Euro erfüllt?
Wird es keine betriebsbedingten Kündigungen geben und werden die Interessen der Musiker berücksichtigt?
Gibt es Auswirkungen auf die Verträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ist die Lösung rechtlich möglich?
Hält die Lösung einer künstlerischen Bewertung nach qualitativen Kriterien Stand?
Ist die Lösung belastbar und nachhaltig?
Wahrt die Lösung die programmlichen Erfordernisse?SWR-Intendant Peter Boudgoust: „Wir prüfen seit einem Jahr sämtliche Handlungsalternativen. Wir haben unsere Aufsichtsgremien von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbezogen. Wir diskutieren mit den Orchestermanagern und den Musikern. Wir legen der Öffentlichkeit alle Zahlen, Daten und Fakten offen. Mehr Transparenz geht nicht.“ Nach diesem langen Prüfprozess sei die Zeit jetzt reif für eine Entscheidung. Diese müsse mit Rücksicht auf die betroffenen Musiker sowie die langfristige Planung bei Programm, Personal und Profil bald kommen, sagte Boudgoust.