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Sag zum Abschied lieber gar nix

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Ferchows Fenstersturz 2011/05
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Schäm Dich, ZDF! Heimtückisch leise setzt der Sender „Weihnachten mit Marianne und Michael“ ab. Ein finaler GAU für die dauerstrahlenden Volksmusik-Atomkraftwerke Marianne und Michael. Nachdem die beiden schon im kalten Entzug die Sendungen „Superhitparade der Volksmusik“ und „Lus­tige Musikanten“ verloren hatten, ist das der Exitus. „Grüß Gott“ bei 9Live und im Heimwerkerkanal. Wobei ich nicht wirklich sehen möchte, wie Michael als gebürtiger Österreicher – nur mit einem Werkzeuggürtel umhüllt – einen Spreizdübel in die Rigips-Wand zimmert, oder Marianne im BH bekleidet ab 23.30 Uhr nach Städten fragt, die mit „Ph“ beginnen und pro erratenem Buchstaben noch mehr Kleidungsstücke fallen lässt. Aber, das Aus hat einen Grund.

Das ZDF möchte den Heilig­abend neu gestalten. Doch mit einem Faltenpolieren per Bügeleisen in einer Münchner Vorstadt-Klinik scheint es nicht getan. Das ZDF will weg vom friedlichen Familienimage am Heilig­abend. Das Glühweinkuscheln mit Superbrennstab Hansi Hinterseer und den Radio aktiven Zillertalern wird ausradiert. Das ZDF will Action. Ab 19.00 Uhr nietet Bruce­ Willis 19 Terroristen um, dann melden sich Claus Kleber und Marietta Slomka mit schrecklichen, aber immerhin weihnachtlichen Nahkampfgefechten im Gaza-Streifen, beim folgenden Pilcher-Streifen wird die Familien-Inzucht gerade noch vermieden (mögliche Schwester ist doch nur eine Cousine des Stiefvaters, weil der bei der Firmenübernahme nach dem Tod des Patriarchen mit der eigentlichen Mutter nur gerüchteweise eine Affäre hatte). Und wer nach der nächtlichen Weihnachtsmesse Gas gibt, kann in HD miterleben, wie Dolph Lundgren zum stilvollen Abschluss des Abends russische Atomsprengkopfbesitzer per Genickbruch erledigt.

Dem ZDF allein die Schuld zu geben, scheint etwas berechenbar zu sein. Ich behaupte, M & M hätten sich schon mal updaten können. Ein chirurgischer Eingriff da, ein schaler Sexskandal im Swinger-Club dort. Förderlich erwiesen sich auch rassistische Andeutungen im Stile Karl Moiks (Italiener gleich Spaghetti-Fresser). Tja, und den Crossover zum Pop haben die „Ms“ ja nie geschafft. Wo sich im Musikantenstadl selbst ein Stefan Raab für eine zotige Einlage nicht zu schade war, hätte eine obszön gekleidete Lena bei „Weihnachten mit Marianne und Michael“ die Herzschrittmacher auf Dauersinus gestellt und den Vorrat mobiler Sauerstofftanks der umliegenden Kliniken erheblich dezimiert. Und dann der größte Fehler: Die „Ms“ sind ja nie zum Volk gekommen. Das Volk musste sich zu ihnen quälen.

Mit Rollstuhl, Zivi und Atemmaske. Volksnähe hätte ihnen gut gestanden. Eine „meals on wheels“- Tour, Seminare zum Thema „Wie haften die Vierten über den Dritten?“, „Nachts trocken durchschlafen“ oder eine Benefiz-Show vor den zerstörten Atommeilern in Fukushima hätten eine wichtige Botschaft transportiert: „Wir lieben euch alle“. Weihnachten wie wir es kannten, wird nie mehr das gleiche sein.

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