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Foto: Erich Malter
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Ein Musikereignis sorgt für großen Wirbel

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Der 41. Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ versetzte Villingen-Schwenningen und Trossingen in den Ausnahmezustand
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Ein freundlicher Herr aus der Jury kündigte das nächste Wertungsspiel an. Vier junge Mitglieder eines Vokalensembles traten auf die Bühne, blickten sich bedeutungsvoll an, holten noch einmal tief Luft und los ging es. Im Zuschauerraum war es mucksmäuschenstill. Spannung lag in der Luft, kein Laut war zu hören. Die Jurymitglieder machten Notizen und nickten das eine oder andere Mal anerkennend. Dann brandete Beifall auf, das Quartett hatte eine gute musikalische Leistung gebracht. Vor der Tür des Theatersaals warteten andere Bundeswettbewerbs-Teilnehmer voller Unruhe darauf, loslegen zu dürfen. Toi, toi, toi wurde schnell noch einmal über die Schulter gespuckt und weiter ging es.

Szenenwechsel – vor der Tür eines Wertungsraumes eine Musiker-Mama aus Villingen-Schwenningen, die vor Aufregung nicht zum Vorspiel mitgegangen war. Ihr Sohn, Michael Kopp, das große Talent aus der Gastgeberstadt stellte sich gerade der Jury. Mit wehenden Fahnen stürmte der Oberbürgermeister der Doppelstadt in das Theater. Eigens wegen des 14-jährigen Schlagzeugers war er gekommen, doch wie viele andere zu spät. Das Vorspiel hatte 20 Minuten früher begonnen. Den einheimischen Fans blieb nur das Lauschen an der Tür.

Dann ging diese auf und ein lachender Michael Kopp kam aus dem Saal. Es war gut gelaufen.
Nur eine von unzähligen Szenen, in denen strahlende Gesichter, Spaß bei der Sache und voller Einsatz zeigte: Der Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ bewegt die Gemüter. Nicht nur in den Wertungsstätten war das Musikfieber ausgebrochen, die beiden Städte und ihre Einwohner schienen infiziert. Mehr als gut besuchte Wertungsspiele, teilweise ausverkaufte, immer aber volle Konzertsäle verkündeten, dass der Bundeswettbewerb die Gastgeberstädte in einen mentalen Ausnahmezustand versetzt hatte. Die Musik schien eine gemeinsame Ebene zu schaffen und anders als in Großstädten kreuzten sich die Wege der Organisatoren, Musiker, Zuhörer und Journalisten ständig. Euphorie machte sich breit, gute Laune war angesagt und ein „Ach Hallo“ war geradezu an der Tagesordnung.

Es waren Wertungsspiele der kurzen Wege und viele Termine konnten problemlos unter einen Hut gebracht werden. Journalisten tummelten sich den ganzen Tag über in der Stadt und die kleine „Plauderecke“ in der Organisationszentrale blieb selten verwaist. Während sich Geigen einsangen, Bögen geschwungen wurden und Finger über Saiten sausten, blieb den Berichterstattern nicht viel Zeit für musische Pausen. Den Redaktionsschluss im Nacken war man unterwegs auf der Jagd nach Geschichten rund um die Musik. Die Zeitungen der Region zollten dem hohen Stellenwert des musikalischen Ereignisses mit zahlreichen Sonderseiten Anerkennung. Doch auch weit über die Stadtgrenzen hinaus verfolgte man den Wettbewerb und neugierig kamen auch der Freiburger Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg, der Stuttgarter Ministerialdirigent Thomas Halder und andere Landesprominenz nach Villingen-Schwenningen/Trossingen. Es war der größte Bundeswettbewerb aller Zeiten und dies in den kleinsten Städten, in denen er je war. Das Musikereignis sorgte für Wirbel und war Gesprächsthema Nummer eins. Reinhart von Gutzeit, Leiter der Gesamtjury wurde am Stuttgarter Bahnschalter beim Fahrkartenkauf gefragt, was denn in Villingen-Schwenningen los sei. Der Bahnbeamte war neugierig geworden, da er nach eigener Aussage noch nie so viele Fahrkarten in diese Richtung verkauft habe. Schon während des Wettbewerbs lobten die Organisatoren vom Deutschen Musikrat die Gastgeber und zeigten sich beigeistert von so viel Anteilnahme seitens der Bevölkerung. Die Innenstädte lebten auf und geschäftstüchtige junge Musiker verdienten sich nicht nur Bundespreise, sondern mit ihrer spontanen Straßenmusik gleich auch noch ein paar Euro dazu. Der Wettbewerb samt seinen zehn Konzerten im Rahmenprogramm verteilte sich auf drei Spielstätten: Villingen, Schwenningen und Trossingen. Am Ende fühlte sich jedoch keiner benachteiligt und die Fahrzeiten übertrafen die in einer Großstadt auf keinen Fall. Die Bevölkerung zog mit, die Einzelhändler dekorierten ihre Schaufenster passend zum Thema und professionelle Rahmenbedingungen waren für die Gastgeber ein Muss. Nicht alle jungen Musiker waren sich einig darüber, ob der Wettbewerb in Großstädten wie Hamburg, Berlin oder Köln besser aufgehoben gewesen wäre. Während es vielen gefiel, dass es sich nicht im Großstadtdschungel verlief und man den anderen Teilnehmern immer wieder begegnete, vermissten manch andere das Nachtleben einer Metropole. Als der Bundeswettbewerb nach neun Tagen endete, machten die Eingespannten der Gastgeberstädte einen erschöpften Eindruck, schienen aber dennoch glücklich. Das Urteil der Verantwortlichen variierte nur leicht: Der Bundeswettbewerb mit seinen zahlreichen Wertungsspielen und Konzerten wurde ausschließlich mit „erfolgreich“, „fantastisch“ und „hervorragend“ charakterisiert. Übrig blieb eine tolle Werbung für die Städte, ein wirtschaftlicher Erfolg und der Wunsch, im Jahr 2012 wieder Austragungsort von “Jugend musiziert“ zu sein.

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