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Instrument des Jahres 2024: Tuba. Serienbild.

Instrument des Jahres 2024: Tuba. (c) nmz/huf

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Das Musikinstrument des Jahres 2024: Tuba – Teil 1: Tief entspannt

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Der Staffelstab wandert von der Mandoline zur Tuba. Die Tuba wurde für das Jahr 2024 von den Landesmusikräten zum „Instrument des Jahres“ gekürt. Sie ist so ganz anders als die Mandoline, kein Exot – oder doch irgendwie? In jedem Fall kann sie ganz schön laut und den Gesamtklang eines Orchesters tragend sein. Das hat ihren Siegeszug durchaus mit beflügelt – war die Bassregion in Orchestern und Ensembles doch vor ihr nicht gerade ausdrucksstark besetzt. Musik ohne Tuba – nein, das ist heute kaum mehr vorstellbar!

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Musikalisch krasser kann ein Jahreswechsel wohl kaum vollzogen werden! Da ist Silvester, diese geradezu magische Nacht zwischen altem und neuem Jahr. Sie ist voller Energie und Hoffnung und sie macht alles neu, zumindest anders. Mit großem Getöse, Feuerwerk und Glockengeläute lässt man (vermeintlich) alles Schlechte im vergangenen Jahr zurück, vertreibt es wie man böse Geister vertreiben würde. Dann fängt das neue Jahr man mit einer Vielzahl guter Vorsätze an. Die aber sind bald vergessen und mal ehrlich: so schlecht war das vergangene Jahr auch nicht!

Musikalisch krass ist der Übergang vom Instrument des Jahres 2023, der Mandoline, zu dem neuen Instrument dieses Jahres. Lange wurde gerätselt, welches Instrument denn auserkoren worden war. Die allermeisten „bekannten“ und „gängigen“ Instrumente waren seit Beginn der Aktion 2008 schon einmal mit ihrem je eigenen Jahr bedacht worden. Fast alle Orchesterinstrumente waren vorgestellt worden, nur die Querflöte, die Tuba und ein Teil des Schlagzeugs (Mallets = Stabspiele) fehlten aus dieser Kategorie noch. Dann waren einige einzelne Instrumente in den Blickpunkt gerückt worden, die im klassischen Orchester nicht vorkommen: die Gitarre, das Saxophon, die Orgel, das Schlagzeug (Drumset) und die Mandoline. Wenn man beim Raten realistisch bleiben wollte und nicht auf Kazoo, Maultrommel und Triangel verfallen wollte, kamen noch das Klavier und die menschliche Stimme, die Mutter aller Musikinstrumente, in Betracht.

Krasser als die Übergabe des Staffelstabs von der Mandoline hin zur Tuba, die das Rennen für das Jahr 2024 gemacht hat, geht es wohl nicht. Die beiden verbindet – außer ihrer Fähigkeit Töne zu produzieren – wirklich wenig! Es wundert daher auch nicht, dass es – trotz sorgfältiger Recherche – offenbar nur eine Komposition gibt, in der nur diese beiden Instrumente solistisch gemeinsam auftreten: „Concertante. 9 kurze Stücke“ des US-amerikanischen Komponisten Václav Nelhýbel.

Die Unterschiede zwischen Mandoline und Tuba liegen in fast allen Facetten, die ein Musikinstrument ausmachen. Stichpunktartig einige Beispiele: Zupfinstrument – Blasinstrument, Leichtgewicht – Schwergewicht, Sopraninstrument – Bassinstrument, Instrument aus Holz – Instrument aus Metall, leises Instrument – lautes Instrument, heller Sound – dunkler Sound, Solo-Instrument – Orchester-Instrument, Instrument der Arbeiter – Instrument der Soldaten, „exotisches“ Instrument – verbreitetes Klischee-Instrument usw. Auf alle diese Themen werden wir in diesem Jahr eingehen. Dabei werden wir das Ganze, in Themenfeldern und Reihenfolge, ein wenig anders angehen als im vergangenen Jahr.

Zur Erinnerung: Mit der Initiative „Instrument des Jahres“ steht ein Jahr lang ein einzelnes Musikinstrument mit seinen nächsten Verwandten im Mittelpunkt des Interesses. Die Aktion wird seit 2008 von den Landesmusikräten durchgeführt und will ein breiteres Interesse für das jeweilige Instrument und seine Bedeutung wecken. Ein besonderer Blick geht hier in Richtung der Nachwuchsförderung, aber auch der Vernetzung der Tubisten untereinander. Die Idee für diese Aktion kam einstmals vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein; mittlerweile beteiligen sich 14 Landesmusikräte.

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Eine der ältesten erhaltenen Basstuben in F des Berliner Instrumentenbauers Johann Gottfried Moritz aus dem Jahr 1839. Sie ist aus Messing und Neusilber gefertigt und befindet sich im Musikinstrumenten-Museum SIMPK in Berlin (Kat.-Nr. 4456). © schnepp renou

Eine der ältesten erhaltenen Basstuben in F des Berliner Instrumentenbauers Johann Gottfried Moritz aus dem Jahr 1839. Sie ist aus Messing und Neusilber gefertigt und befindet sich im Musikinstrumenten-Museum SIMPK in Berlin (Kat.-Nr. 4456). © schnepp renou

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Ein paar Eckdaten: Die Tuba ist das tiefste Blechblasinstrument und gehört zur Familie der Bügelhörner. Sie hat ein nach oben gerichtetes Schallstück, drei bis sieben Ventile, wird mit einem sogenannten Bechermundstück gespielt und ist zumeist aus Messing gefertigt. Der Begriff Tuba leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet Rohr oder Röhre. Da die Tuba sehr tiefe Töne produzieren kann, muß das Rohr entsprechend lang sein. Aus praktischen Gründen hat man das Rohr „aufgewickelt“, so dass es ein einzelner Spieler gut handhaben kann. Würde man das Rohr einer Tuba „ausrollen“, käme man immerhin auf eine Länge von etwa 3 ½ bis 5 ½ Metern. Das Gewicht einer Tuba liegt bei um die 10 Kilogramm.

Die Erfindung der Tuba geht auf den Direktor der königlichen Militärmusikkorps Wilhelm Wieprecht und den Instrumentenbauer Carl Willhelm Moritz aus Berlin zurück. Diese beiden hatten ein neues Ventilsystem erfunden, die sogenannten „Berliner Pumpen“. Durch ihre Präzision und Zuverlässigkeit fanden sie schnell Zuspruch. Die von den beiden entwickelte Tuba ging auf verschiedene Vorläufer, etwa die Ophikleide und den Bombardon, zurück. Das neue Instrument konnte mit seiner Verstärkung des Bassregisters überzeugen und trat seinen Siegeszug zunächst in Militärkapellen. Insbesondere, wenn diese draußen spielten, war das klare Bassfundament eine große klangliche Hilfe. Nach den Militärkapellen gelangte die Tuba bald schon in die Sinfonieorchester. Heute gibt es unterschiedliche Ausführungen der Tuba: als Basstuba in F oder Es, als Kontrabasstuba in B oder C und auch als Tenortuba oder Euphonium. In Marschkapellen erscheint sie auch als Sousaphon oder Helikon, einer Form, bei der das Instrument quasi um die Schultern des Spielers „gewunden“ wird.

Vielleicht bedingt durch den Gebrauch der Tuba in volkstümlichen Blaskapellen und die Verstärkung des Bassregisters dort, kam ein Klischee auf, unter dem die Tuba und ihre Spieler noch heute leiden: Sie kann ja wohl nur zwei Töne spielen, vielleicht mal eine kleine verbindende Tonleiter zwischen diesen. In einem Kinderlied heißt es über die Pauke: „Die Pauke hat’s leicht, denn sie spielt nur zwei Töne: Fünf, eins, eins, fünf, bumm, bumm, bumm, bumm, bumm“. Dieses „fünf, eins“ spielt auf die Grundtöne, ja, Grundlagen, unseres harmonisch-tonalen Denkens zwischen Dominante und Tonika an. Auch die Pauke ist ein Bass-Instrument, ein Instrument, dass letzten Endes mit der Tuba (und den Fagotti und den Kontrabässen) gemeinsam das klangliche-harmonische Fundament des gesamten Orchesterapparates legt. Die Tuba aber kann mehr als das!

Im Orchester bekommt die Tuba bald Solostellen anvertraut, etwa bei Richard Wagner. Aber auch außerhalb des Orchesters bekommt sie etwa seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Solostücke anvertraut – etwa in Paul Hindemiths „Sonate für Basstuba und Klavier“ aus dem Jahr 1955. Auch zahlreiche Solokonzerte für Tuba und Orchester wurden komponiert, zum Beispiel von Edward Gregson oder Ralph Vaughan Williams.

Seine Arbeit beschreibt der schleswig-holsteinische Botschafter für dieses Jahr der Tuba, Jörgen Roggenkamp, so: „Im Orchester sorgt die Tuba mit ihrem tiefen und voluminösen Ton für das Fundament des Blechsatzes, übernimmt als Bassinstrument aber oft auch eine rhythmische Funktion. Tritt sie solistisch hervor, geht es oft um dunkle Vorahnungen, bösartige Kreaturen oder groteske Situationen.“ Augenzwinkernd fügt er hinzu: „Dies steht allerdings im deutlichen Gegensatz zu den entspannten und freundlichen Tubist*innen, die ihnen in den meisten Orchestern begegnen werden.“

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In guter alter Tradition bekommt nach der Pressekonferenz die schleswig-holsteinische Landtagspräsidentin und Schirmherrin der Aktion „Instrument des Jahres“, Kristina Herbst, eine Anfängerunterweisung vom Instrumentenbotschafter Jörgen Roggenkamp. Foto: © Christoph Edelhoff, LMR SH

In guter alter Tradition bekommt nach der Pressekonferenz die schleswig-holsteinische Landtagspräsidentin und Schirmherrin der Aktion „Instrument des Jahres“, Kristina Herbst, eine Anfängerunterweisung vom Instrumentenbotschafter Jörgen Roggenkamp. Foto: © Christoph Edelhoff, LMR SH

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Ein letzter Gedanke: Der „Tagesspiegel“ titelte vor einigen Tagen zum Instrument des Jahres „Tiefenentspannt am Orchesterrand“. Möglicherweise könnte man aus einem solchen Titel herauslesen, dass Tubisten dereinst weniger Rente zusteht, als anderen Musikern – einfach, weil sie weniger arbeiten, weniger Töne spielen. Das ist mitnichten der Fall, denn immerhin stellen sie das Fundament des musikalischen Satzes, des ganzen Orchesters dar – und sind damit immer präsent. Vielmehr könnte einem der Gedanke kommen, dass hier ganz scheu eine Gemeinsamkeit mit den Mandolinisten aufscheint. 

Im vergangenen Jahr haben wir die Mandoline als Exoten dargestellt, ein Instrument, das es eben nicht so oft gibt, das nicht so oft gespielt wird. Das war nur bedingt richtig, wie wir gesehen haben. Bei der Tuba gab es im Jahr 2021 bundesweit nur 46 Tubaschüler an Musikschulen – vielleicht ist die Tuba ja doch viel exotischer als man denken mag. Obendrein gibt gibt es in den Orchestern zumeist nur eine einzige Tuba, ganz selten zwei. Wir werden uns daher wohl in diesem Jahr neben der Tiefenentspanntheit am Orchesterrand auch mit der Einsamkeit an nämlichem Orte zu beschäftigen haben.

Ein allerletzter Gedanke: Die Aktion „Instrument des Jahres“ ist eine Aktion der deutschen Landesmusikräte und damit auf Deutschland beschränkt. Schaut man über den Tellerrand hinaus, stolpert man über eine Aktion der Vereinten Nationen. Die haben nämlich das Jahr 2024 zum „Internationalen Jahr der Kamele“ ausgerufen, um auf die „ökologische und ökonomische Bedeutung dieser Tiere für die Bevölkerung in unterentwickelten Teilen der Welt aufmerksam zu machen“. Ob es einen Zusammenhang zwischen den Tönen von Tuba und Kamel gibt – das wollen wir zunächst einmal nur im Hinterkopf behalten.

Immerhin mag es verwirrend sein, dass wirklich fast jeder „Fachbereich“, jede Interessengruppe, ihr ganz persönliches Fest- und Gedenkjahr ausruft. Am Ende aber geht es um unseren gemeinsamen Lebensraum exemplarisch betrachtet an der Ausrottung von Blumen und Tieren, dem Klima usw. Am Ende gehören alle Themen zusammen und beschreiben gemeinsam die uns umgebende Lebenswelt, die eben alle diese kleinen Einzelheiten benötigt, um als Ganzes gemeinschaftlich lebensfähig zu sein – uns so haben Kultur und Kamel für ein Jahr lang die aufgestaute Last und die gesamten Freuden unseres Lebensraumes auf den Schultern!

Klänge:

Eine Tonaufnahme von Mandoline und Tuba gemeinsam gibt es leider nicht. Um den Klang von Zupfinstrument und Tuba genießen zu können, mögen zwei wunderbare CDs ganz besonders ans Herz des geneigten Lesers gelegt sein:

  • Why not? Andreas Martin Hofmeir, Tuba, und Andreas Mildner, Harfe
    Genuin classics, Leipzig. EAN: 4260036252781
  • Miniaturen. Daniel Ridder, Tuba, und Miroslava Stareychinska, Harfe
    Vertrieb über: http://www.danielridder.de

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