Hauptbild
Charmante Teilnehmerin am „Tag der Musik“. Foto: Romanus Fuhrmann
Charmante Teilnehmerin am „Tag der Musik“. Foto: Romanus Fuhrmann
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Jeder Tag ein Tag der Musik?

Untertitel
Gedanken zu einer neuen Kampagne des Deutschen Musikrates · Von Christian Höppner
Publikationsdatum
Body

Wozu denn noch ein Thementag? Gibt es nicht schon genug Gedenk- und Feiertage? Nach dem Valentinstag, Muttertag, Tag der Arbeit und vielen Tagen mehr nun auch noch ein Tag der Musik, der noch nicht einmal arbeitsfrei ist? Leben wir denn nicht sowieso schon in einem multimedial überfluteten Geräuschoverkill, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr?

Die Statistik zum Tag der Musik, der in diesem Jahr zum ersten Mal vom 12. bis 14. Juni bundesweit veranstaltet wurde, spricht für sich: 1.500 Veranstaltungen, 90.000 Mitwirkende und rund 560.000 Besucherinnen und Besucher.

Damit wurden alle Erwartungen des Deutschen Musikrates und des Vereins Tag der Musik e.V., die diese Initiative partnerschaftlich verantworten, weit übertroffen. Allein das begeisternde Engagement und der Enthusiasmus, der sich in den vielen Kontakten mit den Akteuren vor Ort vermittelte, ließ die Frage, ob wir noch einen Tag der Musik brauchen, verblassen. Der Blick auf die aktuellen Entwicklungen im  Musikland Deutschland beantwortet endgültig diese Frage mit einem klaren Ja!

Es ging und geht den Ideengebern dieser bundesweiten Aktion ja nicht in erster Linie darum, noch mehr Musik auf die Straße und die Veranstaltungsbühnen zu bringen, sondern das Bewusstsein dafür zu schärfen, über welche musikkulturellen Schätze unser Land verfügt: gehobene und ungehobene Schätze. Dieser Schaufensterfunktion steht die Idee zur Seite, zugleich mit musikpolitischen Veranstaltungen Perspektiven für den Erhalt und Ausbau dieser kulturellen Vielfalt aufzuzeigen. Durch Kürzungen und Streichungen in der professionellen Musikszene, dem Laienmusizieren und dem Ausbildungsbereich ist diese kulturelle Vielfalt genauso gefährdet wie durch den zunehmenden Verlust an der Wertschätzung des schöpferischen Schaffens der Urheber. Dabei ist die Formel so einfach: ohne Komponisten keine Musik. Ohne die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe, den zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksformen (einschließlich der bekannten Jugendkulturen) und den Kulturen anderer Länder in unserem Land – den drei gleichberechtigten Grundsäulen der UNESCO Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen – wird es keine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft geben.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Anderen werden wesentlich von der eigenen Wahrnehmung und der Impulsgebung von außen bestimmt. Im Sinne des Leitsatzes des 2. Berliner Appells des Deutschen Musikrates „Wer das je Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen, geschweige denn schätzen lernen“ bildet die kulturelle Vielfalt das Fundament, auf dem sich kulturelle Identitäten ausprägen können. Dazu bedarf es aber nicht nur der Erkenntnis, sondern auch des Handelns.

Dem Deutschen Musikrat ist es mit dem Tag der Musik gelungen, Kampagnefähigkeit zu zeigen – ein Grundpfeiler jeder politischen Arbeit zivilgesellschaftlichen Engagements. Diese musikpolitische Arbeit ist Voraussetzung für die dringend notwendige Weiterentwicklung unseres Musiklebens. Die Eventisierung der musikalischen Bildung – mit vielen impulsgebenden Projekten – darf nicht darüber hinweg täuschen, dass sich mit dem Blick auf Kindertagesstätten, Schule und Musikschule die wichtigsten Faktoren einer nachhaltig angelegten musikalischen Prägung, nämlich Kontinuität und Qualität, an diesen Orten kultureller Grundprägung kürzungsbedingt immer weiter auf dem Rückzug befinden. Hier gilt es gerade in Krisenzeiten Prioritäten neu zu setzen, denn ausfallender Musikunterricht und bundesweit 100.000 Schülerinnen und Schüler auf den Wartelisten der kommunalen Musikschulen sind ein gesellschaftspolitischer Skandal. Diese Kampagnefähigkeit auszubauen und für das Ziel der musikkulturellen Teilhabe für jede Bürgerin und jeden Bürger zu nutzen, wird ein Schwerpunkt für den Tag der Musik 2010 werden.

Die Politik hat die Impulsfunktion des Tages der Musik erkannt und mit dazu beigetragen, dass der Start in diesem Jahr ein Erfolg wurde. Die Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Horst Köhler, das Engagement etlicher Bundestagsabgeordneten in ihrem jeweiligen Wahlkreis, die Unterstützung durch die Bundesministerin Ursula von der Leyen, Kulturstaatminister Bernd Neumann, mehrere Ministerpräsidenten, die ARD, den Deutschen Kulturrat, den Deutschen Bühnenverein und weitere Partner setzen Signale für ein stärkeres Engagement für das Musikland Deutschland.

Grundlage für die bundesweite Wirksamkeit des Tages der Musik 2009 war das besondere Engagement der Landesmusikräte und einiger Bundesverbände, wie beispielsweise des Verbandes deutscher Musikschulen und des Verbandes Deutscher Schulmusiker. Das Spektrum der Veranstaltungen reichte von Konzerten aller Stilrichtungen über Workshops, Klangmeilen und musikpolitische Veranstaltungen bis zu einem Bergwerkskonzert in 800 Metern Tiefe. Zudem gibt es einen Wettbewerb für die besten Beiträge zum Tag der Musik, der als kurzes Video auf die Homepage www.tag-der-musik.de hochgeladen werden kann. Die Gewinner in den sechs Kategorien werden unter anderem im Musikforum, dem Magazin für das deutsche Musikleben vorgestellt.

Die föderale Schwerpunktsetzung soll 2010 durch eine zentrale Veranstaltung in Berlin ergänzt werden. Zudem wird eine enge Kooperation mit der Fete de la musique angestrebt, deren Konzept sich gut mit dem Konzept des Tages der Musik ergänzt. Für die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach einem weiteren Thementag gibt es ein vielfaches Ja. Alle genannten Gründe beziehen sich auf den Nutzeffekt der Musik. In einer zunehmend ökonomisierten Verwertungsgesellschaft mag die Botschaft, dass Musik auch ein Wert an sich ist, naiv erscheinen – wir werden sie zum Tag der Musik 2010 deutlicher denn je vermitteln. Das ist auch ein wesentlicher Grund für einen dauerhaft angelegten Tag der Musik. Jeder Tag sollte ein Tag der Musik sein – im Denken und Handeln der Menschen, die unser Land durch ihr Engagement jeden Tag auf das Neue prägen.

Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates

Print-Rubriken
Unterrubrik