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Schluss mit versteinerten Verhältnissen

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Gemeinsam gegen prekäre Beschäftigung in der Musikerziehung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
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Von den Kitas über die Grundschulen und kommunalen Musikschulen bis hin zu den Lehrbeauftragten an Musikhochschulen: Es werden überall auf den deregulierten und „flexibilisierten“ Arbeitsmärkten in der Bundesrepublik auch in Bereichen musikalischer Bildung die prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet.

Es sei kein Geld mehr vorhanden, der allgegenwärtige finanzielle „Sachzwang“ bestimme die dahinschwindende Decke, nach der sich alle zu strecken haben, um den musikalischen Bildungsbetrieb irgendwie aufrecht zu erhalten, behaupten die derzeitigen Verwalter der Misere. So werden hochqualifizierte Absolventen von Musikhochschulen zu billigen Erbringern von Bildungs-Dienstleis­tungen degradiert.

Und dies geschieht auf dem arbeitsrechtlichen Niveau von „Tagelöhnern“ und „Wanderarbeitern“, die von einer befristeten geringfügigen oder Teilzeit-Beschäftigung, oft als Scheinselbständige, bereits unterwegs zur nächsten „Baustelle“ sind, mit einer Bezahlung für die genau gleiche Arbeit, die erheblich unter der ihrer (noch) fest angestellten Kollegen/-innen liegt – ohne eine ausreichende Absicherung durch die Sozialversicherung und ohne arbeitsrechtliche Schutzrechte. Viele Musikpädagogen können von dieser Arbeit kaum leben und tragen ein deutlich erhöhtes Armuts-Risiko.1

Bezeichnend für ihre soziale Lage ist das objektive Fehlen von Aufstiegsmöglichkeiten und -hoffnungen. Rea­listische Aussichten auf Festanstellungen in nennenswertem Umfang gehen gegen Null. Dennoch gelingt es den Anhängern der „Flexibilisierung“ immer noch, Perspektivlosigkeit und Existenzangst der prekär beschäftigten Musikschullehrer in deren „Motivation“ zur selbstausbeuterischen Anpassung zu wenden.

Kulturelle, musikalische Bildung unter kulturfreien Arbeitsbedingungen zu vermitteln – das ist ein Widerspruch in sich und beileibe nicht „normal“, obwohl der gesellschaftliche Druck, sich dieser Misere zu beugen, zunimmt. Dabei ersetzt das mediale Mantra angeblicher Alternativlosigkeit jeglichen offenen demokratischen Diskurs über die Begründetheit staatlichen Handelns, das sich einzig im Sparen an Sozialem, Bildung und Kultur erschöpft.
Sozial oder sicher?

Die wegen ihrer Rettungsversuche des in der Krise kollabierten Finanzsektors weltweit zu beobachtende enorme Zunahme der Verschuldung der Staaten hat dort zu einer rigiden Sparpolitik geführt, die längst auch zu einem Abbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienst übergeht. Gleichzeitig ist der behauptete Sparzwang aber auch Gelegenheit und Anlass, die Umwandlung des Sozialstaats in einen Sicherheitsstaat und die Deregulierung des Arbeitsmarktes als Kernelemente der herrschenden neoliberalen Ideologie weiter voranzutreiben.

Sozial gerechte Politik

Im Januar dieses Jahres hat der Vorsitzende des DGB, Michael Sommer, angekündigt, dass 2011 ein Jahr werden soll, in dem „dem Missbrauch der Leiharbeit, prekärer Beschäftigung und dem Ausbau des Niedriglohnsektors der Kampf angesagt wird“ – eine neue soziale Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sei mehr als überfällig. „Im Zentrum der Arbeit des DGB und der in ihm organisierten Gewerkschaften in den kommenden Wochen und Monaten steht die Auseinandersetzung für eine sozial gerechte Politik für die arbeitenden Menschen. Wir werden mit der zunehmenden Entsolidarisierung unserer Gesellschaft, der Zunahme von prekärer Beschäftigung und dem Missbrauch der Leiharbeit keinen Frieden machen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Würde der Menschen im Mittelpunkt des Handelns steht und nicht die Profitgier einiger weniger“, so Michael Sommer.

Am 24. Februar fand unter dem Motto „Arbeit – sicher und fair“ ein ers­ter Aktionstag des DGB statt, an dem 210.000 Beschäftigte aus 1.360 Betrieben teilgenommen haben. So muss es weitergehen!

Proteste gegen Sparpolitik

In London sind am 27. März nach Schätzungen bis zu 500.000 Menschen auf die Straße gegangen, aus Protest gegen die Sparpolitik der britischen Regierung. Nachdem fast alle Staatsbetriebe bereits privatisiert wurden, sollen im öffentlichen Sektor rund 500.000 Stellen gestrichen, die Sozialleistungen um 18 Milliarden Pfund (20,5 Milliarden Euro) gekürzt und das Renteneintrittsalter bereits 2020 auf 66 Jahre angehoben werden.2
Drei Wochen lang, von Februar bis März, besetzten Demonstranten – unter Teilnahme und mit einer vielbeachteten Rede des weltbekannten Filmemachers Michael Moore3 – das Kapitol in Madison, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Wisconsin, nachdem Gouverneur Scott Walker Kürzungen im Staats-Etat von drei Milliarden Dollar hat vornehmen lassen und in einem ers­ten Schritt die Streichung von 1.500 Stellen im öffentlichen Dienst angekündigt hat.
Seit dem 14. Februar gingen dort Zehntausende auf die Straße, um gegen Gesetze zu demonstrieren, die die Rechte der Gewerkschaften des öffentlichen Sektors beschneiden sollen. Davon betroffen wären unter anderem die Löhne und Gehälter, die Altersversorgung und die Gesundheitsvorsorge der in diesem Sektor Tätigen.4 Derartige Protestaktionen würden die „versteinerten“ Verhältnisse auch hierzulande „zum Tanzen zwingen“5!

DGB-Aktionen anschließen

Wir in der musikalischen Bildung und Ausbildung Beschäftigte, sowohl diejenigen, die sich noch in sozialversicherungspflichtigen und tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen befinden, als auch die als Honorarlehrkräfte arbeitenden, nehmen es nicht länger hin, dass wir aller kulturbeflissenen Sonntagsreden von Seiten der herrschenden Politik zum Trotz unsere gesellschaftlich wichtige Aufgabe in immer größerem Umfang unter weitgehend kulturfreien Arbeitsbedingungen erfüllen müssen.

Schluss mit den befristeten, in Teilzeit gefassten Stellen und Honorarbeschäftigungsverhältnissen bei „JeKi“, in den Musikschulen und an den Musikhochschulen. Schließen wir uns den Aktionen des DGB und von ver.di für sichere und faire Arbeit an und fordern wir nachdrücklich: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Anmerkungen

  1. vgl. z.B. Umfrageergebnisse der Fachgruppe Musik zur sozialen und Einkommenssitua­tion von Musikschullehrern und Privatmusiklehrkräften (2009), nach denen das Jahres-Brutto-Einkommen von Musikschullehrern im Bundesdurchschnitt 13.535 Euro beträgt.
  2. www.welt.de: „Protest gegen Sparkurs“
  3. www.jungewelt.de: „Amerika ist nicht pleite“ – Rede von Michael Moore
  4. www.welt.de: „Wisconsin ist pleite – Lehrer besetzen das Kapitol“
  5. Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. MEW 1, ­S. 378, 1844
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