Schon vor 20 Jahren kam er nach München und prägt seither das hiesige Musikleben sowohl als Komponist, als auch als umtriebiger Cellist mit. Obgleich in beiden Rollen von Publikum und Kollegen hochgeschätzt, bleibt Graham Waterhouse schwer zuzuordnen, und damit in gewisser Weise ein Außenseiter. Allerdings ein überaus beliebter, wie sein euphorisch umjubeltes Konzert zum 50. Geburtstag im Kleinen Konzertsaal am Münchner Gasteig eindringlich offenbarte.
In England hätte er es wohl leichter haben können, weiß dort jeder, dass Graham der Sohn des berühmten Fagottisten, Musikwissenschaftlers und Pädagogen William Waterhouse ist. Aber im Schatten seines Vaters zu arbeiten, verwarf er konsequent, auch wenn er immer wieder an sein frühes Wirken in der Heimat anknüpft und dort erfolgreich konzertiert und seine Werke vorstellt. Das Heraustreten aus dem Schatten war überhaupt schon früh seine Motivation, zu komponieren, verriet er in einem früheren Interview. Damit er auch mal die Führungsrolle in den Hauskonzerten der Familie Waterhouse übernehmen konnte, schrieb er eigene Werke mit entsprechendem Cellopart.
Heute ist er ein gefragter Interpret insbesondere der zeitgenössischen Musik und hat bereits bei Uraufführungen von Werken so angesehener Komponisten wie Iannis Xenakis, Beat Furrer und Klaus Huber mitgewirkt. Als Komponist erhielt er hochdotierte Aufträge etwa von der Münchener Biennale, der International Double Reed Society, dem Orchestre de Chambre de Lausanne, dem Schleswig-Holstein Musik Festival und der Park Lane Group, London. Sein aktivstes Wirkungsfeld ist zweifelsohne die Kammermusik, im Geburtstagskonzert mit Quintetten im Mittelpunkt.
Als Komponist muss Waterhouse im engen Zusammenhang zu seiner Konzerttätigkeit als Cellist betrachtet werden. Er ist kein Avantgardist – und will es auch nicht sein. Graham Waterhouse knüpft an tradierte Kompositionstechniken an, greift aber auch gerne folkloristische Elemente auf, insbesondere aus der polnischen Bergregion des Hohen Tatra, die er vor Ort studieren konnte. Auch Werke polnischer Komponisten wie Karol Szymanowski oder Witold Lutoslawski gaben ihm wichtige Anregungen für seine Arbeit. Mit der deutschen, allzu verkopften und abstrakten Kompositionsweise kann er sich bis heute nicht so recht anfreunden, schreibt auch lieber für Dudelsack oder Didgeridoo. Dies mag auch seine Sonderstellung in der hiesigen Musiklandschaft begründet haben.
Die Quintette seines Geburtstagskonzerts trugen jeweils deutlich Züge von Instrumentalkonzerten. Mit Fagott (Lyndon Watts), Piccolo (Andrea Ikker)und Klavier (Valentina Babor) setzte er auch deutlich auf einen Kontrast zum Streichquartett. Immer wieder kam es zu solistischen Einlagen, ja selbst virtuosen Kadenzen. Aber den Werken von Graham Waterhouse ist neben einer Prise britischen Humors auch nicht selten eine nahezu klassisch-romantische Ensemble-Balance zu Eigen, die gerade im Streichquartett mit Clément Courtin und Namiko Fuse an den Violinen, Valentin Eichler an der Viola und Waterhouse selbst am Cello zu überaus klangsinnlichen Qualitäten gelangte. Klangästhetik, Atmosphäre, melodische Schönheit sind dem Londoner kein Widerspruch zu zeitgemäßer Musizierweise mit unorthodoxen Spieltechniken. Seine instrumentalen Sätze sind sorgfältig ausgearbeitet, harmonisch behutsam über den spätromantischen bis expressionistischen Reichtum in die Freitonalität oder Diatonik geführt. Bisweilen überrascht Graham Waterhouse aber auch mit Kompositionen, die aggressive, ja gewaltsame Passagen enthalten. Geradezu brachial donnerte Valentina Babor im Klavierpräludium op. 32 von 1992 in die Tasten, zog dann auch im Sword Dance stellenweise die erst 13-jährige Valerie Steenken (Violine) in die Abgründe des musikalischen Wütens hinab.
Mit seinen thematischen Rückgriffen ist Waterhouse gerne ein Geschichtenerzähler, nicht nur in seinen melodramatischen Werken, wie es zum Konzertabschluss das Cello-Oktett Celli con Carne aus Köln – Schüler von Waterhouse bei den Hombroicher Streichertagen – mit „Fälle“ nach Daniil Charms in Uraufführung demonstrierte. Ritueller Schwerttanz aus Nordengland (Sword Dance), Erinnerungen an in Weihrauch getränkte, liturgische armenische Kirchengesänge (Mittelsatz im Fagott-Quintett), oder Orlando di Lassos Motette „Prophetiae Sibyllarum“ (gleichnamiges Streichquartett) kamen im Konzert als Ideengeber und erzählerische Motive zum Tragen. Für die kraftvolle, überaus intensive Stimme des Komponisten stand die „Rhapsodie Macabre“ von 2011, in der sich Waterhouse – Liszt folgend – mit vier signifikanten kompositorischen Elementen befasste: virtuose Elemente, harmonische Farbigkeit, strukturierende Klangfarbe und Verwandlung der Hauptthemen. Ein packendes Werk, das einmal mehr die Begeisterung des Publikums zu entfachen vermochte.