Hauptbild
Finnischer Akkordeon-Husar: Kimmo Pohjonen. Foto: Ralf Dombrowski
Finnischer Akkordeon-Husar: Kimmo Pohjonen. Foto: Ralf Dombrowski
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Das Besondere wagen: zum Münchner Festival „jazz lines“ 2011

Publikationsdatum
Body

Mit dem Dreigestirn Das Kapital, Django Bates, Trygve Seim und einer musikalischen Lesung ging am Sonntag das jazz lines Festival 2011 in München zu Ende. Acht Tage gab es Klänge, die begeisterten, polarisierten, überraschten. Ein Festival, wie es sein soll.

Annelie Knoblauch ist zufrieden. „Für uns war es ein immenser Kraftakt“, meint die Veranstalterin, die zusammen mit Josef Dachsel das Programm des jazz lines Festival zusammengestellt hat, „aber wir haben eigentlich keine Abstriche machen müssen. Alle Tage sind so geworden, wie wir es und gedacht und gewünscht hatte“. Und dann erklärt sie weiter, dass hinter dem Veranstaltungsmarathon mit mehr als zwei Dutzend Konzerten, Lesungen, Filmvorführungen und Diskussionen vor allem das Bedürfnis stand, die zeitgenössische improvisierende Musik in möglichst vielen Facetten zu präsentieren. Schließlich gebe es derzeit so viele spannende Entwicklungen, dass es viel zu kurz greifen würde, sich auf eine oder wenige zu beschränken.

Die Konzerte gaben ihr recht. Denn sehr viel weiter als bei jazz lines – sieht man einmal von der streng traditionalistischen Swing- und Bebop-Szene ab – hätte der Bogen kaum gespannt sein können. Da gab es amerikanische Wurzelsuche mit Bill Frisells Disfarmer Quartet und nahöstliche Neue Musik mit dem israelischen Komponisten Yitzhak Yedin, junges, post-experimentelles Frankreich mit Les 100 Cris und britisch abstrakten Humor mit dem Django Bates Trio, anspruchsvolle Energieausbrüche mit dem Hanns Eisler-Programm des Trios Das Kapital und klassische Moderne mit dem Saxofonensembles Four Tenors um den Bassisten Henning Sieverts. Manches ging sogar weit über die üblichen Experimente hinaus, als etwa das Münchner Kammerorchester sich innerhalb der Arrangements von Beat Furrer zusammen mit Jazzkollegen wie Saxofonist Frank Gratkowski an Improvisatorisches innerhalb neumusikalisch komponierter Vorgaben wagte.

Manches war aber auch einfach schön, wie beispielsweise das Programm des Gitarristen Ralph Towner mit dem Trompeter Paolo Fresu. Beide profunde Ästheten genehmigten sie sich kammermusikalisch gelassene Dialoge in der Allerheiligenhofkirche, die sich sanft und stellenweise verschmitzt an die Seele schmiegten. Weit hinaus wiederum wagten sich der Gitarrist Fred Frith, der Klarinettist Louis Sclavis und der Schlagwerker Jean Pierre Drouet, die in der Muffathalle mit Klischees der freien Szene jonglierten und über eine Stunde hinweg eine geräuschdurchzogene Musikinstallation gestalteten.

Bei dem finnischen Akkordeon-Husaren Kimmo Pohjonen schließlich schieden sich die Geister, stellte er sich zusammen mit dem E-Pad-Perkussionisten Juuso Hannukaien doch zum einen als großer Poser das, der die Folktöne seiner Heimat schredderte, um dann aber doch mit einem wunderbar absurden Zugabensong aus Traktorgeräuschen Sinn für skurril stimmige Klanggebilde zu dokumentieren. Unterm Strich jedenfalls zeigten solche Programmeckpunkte, dass die These der Vielfalt sich an der Wirklichkeit belegen lässt. Und das ein Festival wie jazz lines zu den wichtigen Terminen im Kulturkalender gehört.
 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!