Im Zuge seines „Strategieprozesses“ plant der SWR offenbar, seine beiden traditionsreichen und äußerst profilierten Orchester zu fusionieren. „Völlig ergebnisoffen“, so SWR-Intendant Peter Boudgoust gegenüber der Stuttgarter Zeitung vom 4. Februar prüfe man gegenwärtig die Möglichkeiten, die Sparvorgabe von 25 Prozent, die der SWR angesichts erwarteter Wenigereinnahmen, Tariferhöhungen und anderer Belastungen über sich verhängt hat, auch bei den beiden SWR-Orchestern zur Anwendung zu bringen.
Nach Informationen der neuen musikzeitung sind diese Überlegungen weit weniger ergebnisoffen, als Intendant Peter Boudgoust den Anschein erwecken möchte. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen beide Orchester internen Plänen zufolge zu einem „Superorchester“ von 115 Musikern fusioniert werden. Diese Zusammenlegung der beiden Orchester mit 102 Musikern beim RSO Stuttgart und 98 Musikern im SWR Sinfonieorchester soll, wie Intendant und Hörfunkdirektor in einem der nmz vorliegenden Brief an die Orchestermusiker bekunden, „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ vonstatten gehen. Musiker befürchten jedoch, dass die Klangkörper im Laufe des langwierigen Fusionsprozesses „ausgeblutet“ sein werden.
Wo das neue Orchester angesiedelt sein soll, wie ein Konzertbetrieb mit einem schrumpfenden Klangkörper aufrecht erhalten und wie renommierte Chefdirigenten gehalten werden sollen, um diesen einschneidenden Prozess künstlerisch zu gestalten, ist offenbar noch ungeklärt – erst an diesem Wochenende seien die Chefdirigenten vom Intendanten über die Planungen in Kenntnis gesetzt worden. Beide Chefdirigenten sind erst seit dieser Spielzeit im Amt: François-Xavier Roth am Pult des SWR Sinfonieorchesters und Stéphane Denève beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. „Eine solche Fusion zerstört alles, was wir waren“, klagen die Musiker – „und das ist nicht wenig“.
Die Nachricht dringt unmittelbar vor einer zehntägigen Japan-Tournee des SWR Sinfonieorchesters an die Öffentlichkeit. Bereits Boudgousts Vorgänger als SWR-Intendant, Peter Voß, hat beim SWR Vokalensemble 2004 einen schmerzhaften und noch nicht abgeschlossenen Verkleinerungsprozess von 36 auf 24 Stimmen in Gang gesetzt. Die Orchester des SWR zählen zu den herausragenden deutschen Klangkörpern mit einer einzigartigen Profilierung.
Über die kulturpolitische Tragweite einer Zusammenlegung der Orchester der zweitgrößten ARD-Anstalt hat Gerhard Rohde bereits in der Februar-Ausgabe der nmz räsoniert.