Heute muss man das „Weiße Rößl“ gegen die schmalzigen Verfilmungen aus der Heimatfilmzeit nicht mehr in Schutz nehmen. Mit einigem Abstand werden selbst Peter Alexander oder Vicco Torreani zu Verteidigern gegen die Verflachung, die ihnen folgte. Das sind aber ohnehin nur theoretische Einwände. Die wohl berühmteste Operetten Absteige im Salzkammergut ist längst vergnügungsrentabel. Die Ohrwürmer von Ralph Benatzky von 1930 zu den Texten von Robert Gilbert kennt sogar jeder Operetten-Verächter. Musikalisch funktioniert das alles fabelhaft.
Selbst ein so auf Hinterfragen setzender Regisseur wie Sebastian Baumgarten, hat dieses Stück an der Komischen Oper nahezu unangetastet gelassen. Eine der erfolgreichsten Rößl-Sausen war die Version der Geschwister Pfister in der Berliner Bar jeder Vernunft. So ähnlich und in deren Gefolgte rüstet auch Regisseur Ronny Jakubaschk mit den Schauspielern in Halle und einer kleinen aber feinen Bühnen Combo unter Leitung von Alexander Suckel musikalisch ab. Und bei den Schauspieler und ihren Schauspielersingstimmen auf. Die Sprechtexte werden dabei ja eh zum Vorzug, wenn man sie am Wolfgangsee vom Schauspiel her kommend anlegt.
Eigentlich wird das Ganze mit einem Auftritt von Kaiser Franz Josef gekrönt. In Halle ist das anders. Der kaiserliche Abstecher an den Wolfgangsee ist „nur“ ein Traum der Wirtin, in dem die von oben einschwebende Majestät ihrem Zahlkellner und Verehrer Leopold zum Verwechseln ähnlich sieht. Was den Vorteil hat, dass ihr Sinneswandel in Sachen Leopold zum Ergebnis ihres Unterbewussten wird. Außerdem darf der fabelhafte Alexander Pensel in dieser Doppelrolle, neben seinem Talent fürs Singen und Tanzen als Kellner auch noch nach Herzenslust wie der Kaiser wienern.
Überhaupt ist am neuen theater in Halle eine typgerecht besetzte Truppe beisammen, der man den Spaß an der Freude anmerkt. Die Rößl-Belegschaft wird von der sowohl beim Singen als auch beim Personal-Zusammenbrüllen stimmstarken Lena Zipp als handfester Wirtin Josepha angeführt. Unter Leopolds Anleitung räumen aber auch Max Ratestock als Piccolo und Maria Radomski als hinreißend treudoofes Zimmermädchen Kathi mit blonder Hochfrisur ab.
Unter den einfallenden Gästen ist Karl Fred Müller der geborene preußische Trikotagenhersteller Wilhelm Giesecke, der sowieso lieber nach Ahlbeck gefahren wäre. Im Schlepptau hat er seine Tochter Ottilie, die Sophie Lutz wunderbar aufgedonnert hinstöckelt. Als dann auch noch der Rechtsanwalt Siedler (Till Schmidt) aus Berlin und der Sohn seines Erzkonkurrenten Sülzheimer aus Sangerhausen (Hagen Ritschel ist jener schöne Sigismund, der nichts dafür kann, dass er so schön ist), sowie der schrullige Privatgelehrte Dr. Hintermann (Andreas Range) nebst lispelnder Tochter Klärchen (Louise Nowitzki) im Rössel auftauchen, geht die Komödienpost endgültig ab.
Das ist mit viel Sympathie für die Pfisters gemacht, mit einer Prise Herbert Fritsch beschleunigt, findet aber schnell und instinktsicher zu einem eigenen Sound. Der bewegt sich zwischen zackigen Bewegungen und mit ironischer Freude, aber ohne despektierliche Überheblichkeit, von einem Hit zum anderen. Und alle holen sie dabei raus, was rauszuholen ist. Vor der einfachen Wirtshauskulisse mit Plätzchen für die Minikapelle Broken Glass & Rusty Nails, mit Türen für den Auf- und Abtritts-Slapstick und einem Roten Teppich. Es ist eine rechte Gaudi mit flotter Zusammenfassung als Zugabe.