Wer war Velemir Dugina? Der Dresdner Autor Mathias Bäumel hat sich auf Spurensuche begeben und ein kleines, aber sehr feines Buch über den beinahe vergessenen Geiger geschrieben. Ein Grabmal ohne Kreuz. Das fiel schon Claudio Magris auf. Er hat diese Besonderheit ganz kurz in seinem Roman „Microcosmi“ (dt. „Die Welt en gros und en détail“, Hanser-Verlag 1999) notiert. Dem Dresdner Autor Mathias Bäumel war dies Anstoß zu einer Spurensuche, deren Ergebnis nun vorliegt.
Velemir Dugina ist – mit nur 28 Jahren – freiwillig aus dem Leben gegangen. Das war für die Kirche immer und überall, auch im sozialistischen Jugoslawien von 1987, eine Sünde. Gegen die Aufschrift „Professor Violine“ hatten die orthodoxen Pfaffen auf der heute kroatischen Adria-Insel Cres jedoch nichts einzuwenden. Solche Besonderheiten eines winzigen Friedhofs sind aufmerksamen Besuchern wie Claudio Magris und Mathias Bäumel aufgefallen. Letzterer, ein Dresdner Autor und bekennender Liebhaber eher randständiger musikalischer Ausdrucksformen, hat Velemir Dugina nun nachträglich ein Denkmal gesetzt.
Mathias Bäumel kennt und liebt die multikulturelle Region um Triest und Rijeka, beinahe zwangsläufig stieß er so auch auf die Bücher von Claudio Magris. Dessen Hinweise auf „Prof. Violine“ – so die karge Inschrift – und dessen Grabstätte im Dörfchen Stivan regten ihn an zu einer langen Recherche. Über mehr als zwei Jahre hinweg befragte er einstige Zeitzeugen nach jenem Velemir Dugina, entdeckte eine faszinierende Persönlichkeit und rettete ein kleines Mosaiksteinchen fast vergessener Musikgeschichte. Dugina wurde 1958 in Australien geboren, ein Jahr später war seine Familie nach Rijeka übersiedelt, musste 1968 Jugoslawien aber wieder verlassen und ging ins nahe Triest. Diese für das heutige Italien beinahe untypische Stadt ist seit jeher ein Schmelztiegel der Kulturen, und auch für Dugina müssen die Einflüsse dort ebenso fruchtbar wie verstörend gewesen sein. Er studierte Violine und gewann im Sommer 1972 in der DDR den Internationalen Wettstreit Junger Talente in der Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“ am Werbellinsee, wie Mathias Bäumel herausfand. Für sein Buch interviewte er auch einstige Lehrer Duginas, die von dessen sensibler Persönlichkeit schwärmten, sowie spätere Mitstreiter in diversen Orchestern und Bands.
Schon während seines „mit einem brillanten Diplom“ abgeschlossenen Studiums schloss sich der Geiger verschiedensten Ensembles an, später wirkte er sogar im Orchester bei den Festspielen in Verona mit, doch sein Herz schlug ganz offenbar für die Verbindung von Folklore und Jazz. Es gibt heute zwar nur wenige Aufnahmen seiner Musik – inzwischen teuer gehandelt –, die aber verraten einen virtuosen Meister, der seine slawischen Einflüsse mit der irischen Herkunft seiner Mutter fruchtbar vermengte. Selbst die so populäre „Riverdance“-Musik soll auf einen Titel Duginas zurückgehen.
Mathias Bäumel macht aus seiner Leidenschaft für „Prof. Violine“ keinen Hehl, hebt aber auf alle Nachfragen bescheiden hervor, nur eine Anregung leisten zu wollen, um dieses besondere Talent Duginas dem völligen Vergessen zu entreißen. So hat er auch nicht über die Umstände von Duginas Selbstmord gemutmaßt, sondern es bei den Fakten belassen.
Ein schön gestaltetes Büchlein ist da entstanden. Mit Lesebändchen, stimmungsvollen Fotografien des Autors Mathias Bäumel und obendrein zweisprachig, um auch das italienische Publikum auf die Stationen von Velemir Dugina einzustimmen. Zu wünschen wäre ihm ein vielfaches Echo, womöglich ist so noch mehr von diesem geheimnisvollen Musiker zu erfahren.
Mathias Bäumel: „Velemir Dugina. Eine Spurensuche / Una ricera di tracce“
Verlag SchumacherGebler, Dresden
ISBN 978-3-941209-27-5
90 Seiten, 12,95 Euro