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Es werde Klang – am Wochenende wurde die Musiktriennale Köln eröffnet

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„Alle Jahre wieder.“ Dieses Motto gilt in Köln für christliche Feiertage und kostümfreudige Bacchanale. Nicht jedoch für eines der größten Musikfestivals der Republik: die Musiktriennale, die bislang - wie der Name besagt - alle drei Jahre das musikalische Menü der Domstadt um manches Filetstück bereichert. Rund 100 Veranstaltungen zählt der Musikinteressierte in den drei Wochen zwischen 24. April und dem 16. Mai.

Als Bilanz der Musik des 20. Jahrhunderts wurde die Musiktriennale 1994 von Franz Xaver Ohnesorg, dem Gründungsintendanten der Kölner Philharmonie, gemeinsam mit Vertretern des WDR, der Stadt und des Landes ins Leben gerufen. In diesem Jahr findet die MusikTriennale zum zweiten Mal unter der Intendanz von Louwrens Langevoort statt. Haben die letzten beiden Triennale-Jahrgänge mit Luigi Nono und Luciano Berio jeweils einen herausragenden Komponisten ins Zentrum gestellt, sucht das Programm der Musiktriennale 2010 sichtbar nach einer inhaltlichen Neubestimmung – ist doch der Wunsch, mit dem zu Ende gehenden Jahrhundert Bilanz zu ziehen, vielleicht der Aufgabe gewichen, eine Standortbestimmung für das 21. Jahrhundert zu geben.

"Heimat-heimatlos" lautet in diesem Jahr die inhaltliche Klammer, von der die heterogenen Programmteile zusammen gehalten werden. Mit keiner Kunstform ist ein Thema wie Heimat oder Heimatlosigkeit so sehr verbunden wie mit Musik. Die Lieder und Klänge der Heimat begleiten den Reisenden wie den Vertriebenen, sie können ihm nicht geraubt und müssen nicht verzollt werden. Das spiegelt sich nicht zuletzt in den angekündigten Uraufführungen. Tigran Mansurian, der armenische Komponist, brachte in seinem neuen Cellokonzert, das im Eröffnungskonzert an der Seite von Revueltas und Strawinskij einen moderat-modernen Auftakt bot, das traumatische Erlebnis des Brudermords durch die türkischen Nachbarn zur Sprache. Traditionell wurde dieses Konzert vom WDR Sinfonieorchester bestritten.

Mit weiteren Konzerten bereichern die WDR Klangkörper das Programm: am darauffolgenden Sonntag wurde vom WDR Rundfunkchor unter Leitung von Rupert Huber ein neues Werk für Flöte und Chor von Samir Odeh-Tamimi uraufgeführt - es gab einen Ausblick auf das Musiktheater, das Odeh-Tamimi derzeit für die Ruhrtriennale erarbeitet und war eingebettet in ein Programm, das den Blick weit über den (europäischen) Tellerrand hinaus schweifen ließ. Ein neues, großes Orchesterwerk von Mark Andre macht den Glauben als existenzielle Heimat des Menschen zum Thema - am kommenden Freitag, 30. April, in einem Konzert mit Werken von Luigi Nono und Karl Amadeus Hartmann, dem die Musik Heimat wurde in der inneren Emigration. Misato Mochizuki schreibt gegenwärtig an einem neuen Werk für das Ensemble Resonanz, das am 10. Mai seine Uraufführung erleben wird. (Die geplante Uraufführung von Enno Poppe musste leider verschoben werden.)

Im Leitungsteam der Musiktriennale findet sich neben dem Intendanten der Musiktriennale-Gesellschaft, des WDR und der Stadt immer auch ein Vertreter der "freien Szene", die das Festival schon um facettenreiche Programme zwischen alter und neuer, improvisierter und komponierter Musik bereichert hat.

In diesem Jahr wird das seit einigen Jahren in Köln ansässige Landesensemble musikFabrik zu einem Hauptakteur der Triennale. Mit einer Aufführung der Dritten Region aus Stockhausens „Hymnen“ setzt sie am 5. Mai den polyglotten Auftakt zur Gesamtaufführung des Fragment gebliebenen letzten Werkzyklus von Karlheinz Stockhausen KLANG. An zwei Tagen und an zehn verschiedenen Spielstätten werden die 21 Stunden des Tages, die Stockhausen vollenden konnte, zu hören sein – mit einem online verfügbaren Klangplaner lässt sich die Route durch die Stunden zwischen URANTIA, GLANZ, FREUDE und PARADIES bis zur HIMMELS-TÜR individuell gestalten.

Mit einer Neuinszenierung von „Love and other demons“ trägt auch die Kölner Oper in diesem Jahr zur Musiktriennale bei - Premiere ist am kommenden Donnerstag. Jazz-Liebhaber freuen sich unter anderem auf Erika Stuckys Bubble Family am 6. Mai und Evan Parkers Electro Acoustic Ensemble Break-ups am 13. Mai. Der anarchische "shreefpunk" des in Köln beheimateten Trompeters Michael Schriefl kommt erstmals zur Triennale-Weihen und setzt am 6. Mai sicherlich einen frischen Akzent.

Mit mehreren Konzerten und einem "Selbstporträt" ist Thomas Adès ein kleines Personale gewidmet, das auch vom Gürzenich-Orchester unter Leitung von Markus Stenz gestaltet wird. Im Abschlusskonzert am 16. Mai setzt das Kölner Orchester auf archaische-erdverbundene Töne: mit Wolfgang Rihms "Das Gehege" und Harrison Birtwistles "Earth Dances".

Bis dahin werden Tausende Zuschauer in den erfolgreichen Lunch-Konzerten in das Programm hinein geschnuppert haben, sicher werden Zahlreiche die Gelegenheit nutzen, sich nach dem Konzert mit den Künstlern zum Künstlergespräch im angenehmen Ambiente des Museums Ludwig einzufinden. Und die Unermüdlichen werden sich nach dem Philharmonie-Konzert noch zum Trip-Clubbing bemühen, wo Künstler wie Oval, Zeitkratzer und Mira Calix Experimentelleres in zwangloser Atmosphäre präsentieren.

Programme wie das Gastspiel des SWR Sinfonieorchesters am 2. Mai, das einen weiten Bogen von Mozart bis zu Lachenmanns "Tanzsuite mit Deutschlandlied" (mit den Ardittis als Soloquartett) schlägt, könnten das Programm stärker prägen. Denn wie in den vergangenen Ausgaben auch, kommen nicht zuletzt die Freunde der sinfonischen Musik auf ihre Kosten - ob mit den Wiener Philharmonikern unter Daniele Gatti oder den Münchner Philharmonikern unter Christian Thielemann. An solchen Stellen wird die konzeptionelle Ausrichtung der Musiktriennale als Festival für zeitgenössische Musik freilich arg strapaziert und die weite inhaltliche Klammer von "Heimat-heimatlos" ist zu schwach um das Programm an solchen Stellen zusammen zu halten. Aber dies ist vielleicht zu verschmerzen, denn Musiktriennale in Köln verheißt nicht zuletzt: drei Wochen aufregende, gute Musik. Doch könnte es nicht schaden im Falle der geplanten jährlichen Auflage des Festivals das Profil noch etwas zu schärfen.

Hoffnungsvoll lässt daher ein erstmals ausgelobter Kompositionswettbewerb in die Zukunft blicken, der am 1. Mai von einer Jury unter Vorsitz des Komponisten und Dirigenten Peter Eötvös seinen Preis vergeben wird. Die gekürten Stücke werden im Finalkonzert neben einem neuen Werk der Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendiatin Brigitta Muntendorf vom Kölner Thürmchen Ensemble unter Leitung von Peter Rundel uraufgeführt. Ende der Vorschau. Fortsetzung folgt.

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