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Szenenfoto aus dem Ludwigshafener „Rheingold“. Foto: Gert Kiermeyer
Szenenfoto aus dem Ludwigshafener „Rheingold“. Foto: Gert Kiermeyer
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Ex oriente lux: Chopin-Preisträger und Wagners „Rheingold“ zu Gast in Ludwigshafen

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Die Zeichen stehen auf Sturm. Eine große deutsche Wochenzeitung hat den Kulturkampf und die Schlacht um Subventionen ausgerufen. In einer mehrseitigen Reportage wird die Frage nach der Existenzberechtigung mittlerer und kleinerer Opernhäuser gestellt. Gleichzeitig boomt der Starkult um Echo- und andere Sternchen, gehen Kulturmagazine der Frage nach, warum eine junge Pianistin Russisch lernen – wegen Dostojewski – und der große Stargeiger unser großes Boulevardblatt lesen muss. Und wo bleibt die Kunst?

Da war es beruhigend, wieder einmal nach Ludwigshafen zu fahren. Dort steht zwar keine Oper, aber Dank eines deutsch-deutschen Kulturexports wird Wagners Ring von Halle in den Westen und umgekehrt transferiert. Dem Dirigenten und Generalmusikdirektor des Opernhauses Halle und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz Steffens, ist es gelungen, einen Ring zu schmieden, den Hansgünther Heyme dramaturgisch zu verantworten hat.

Rheingold in Ludwigshafen, also am Ort von Hagens Mord an Siegfried, ist der Auftakt der Tetralogie, die seit den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhundert nicht mehr auf den Bühnen Rheinland-Pfalz' zu hören war. Ein kulturelles Begleitprogramm, das sich vor allem auf Kinder und Jugendliche fokussiert, ergänzt den Opernabend mit pädagogischem Impetus und will die Hochkultur aus der Halle des Pfalzbaus auf die Marktplätze der Stadt bringen.

Zwei ausverkaufte Vorstellungen zeugen vom Interesse der Bevölkerung, und auch die Politik will nicht im Abseits stehen: Kurt Beck und Wolfgang Böhmer haben das Ost-West Kulturereignis unter ihre Schirmherrschaft genommen. Das Ergebnis dieses Vorabends kann sich durchaus sehen lassen, wenngleich die dramaturgische Umsetzung den selbstgesteckten hohen Erwartungen nicht genügen kann. Dafür überzeugen die Leistungen der Sänger – grosso modo – und des Orchesters unter Karl-Heinz Steffens, dem ein kammermusikalischer Wagner im 1.100 Besucher fassenden Theaterrund gelingt. Besonders hervorzuheben sind die hübschen Rheintöchter Ines Lex, Sophie Klußmann und Sandra Maxheimer, sowie der die Aufführung dominierende Gerd Vogel in der Rolle von Wotans Gegenspieler Alberich.

Hansgünther Heyme bringt vieles und kann dem Werk gleichwohl nicht Neues abgewinnen. Ob Kapitalismuskritik oder Umweltzerstörung - diese und andere Konnotationen hat man so oder anders bereits in den letzten dreißig Jahren wiederholt gesehen. Darüber hinaus ist die Szene symbolisch überfrachtet, stehen sich die Protagonisten oft selbst im Weg. Die Walküre in Halle wird da neue Wege gehen müssen.

Neue Wege ging auch das Benefizkonzert von BASF, das tags zuvor bei Volodos und Friends die frisch gebackenen Chopinpreisträger in den deutschen Westen gelockt hatte. Dieser spektakuläre Wettbewerb findet lediglich alle fünf Jahre statt und kann so berühmte Preisträger aufweisen, wie Martha Agerich oder Maurizio Pollini. Manchmal reicht es für eine große Weltkarriere aber auch aus, prominent nicht zu gewinnen, so geschehen bei Ivo Pogorelich.

Wer sich auf das Ludwigshaferner Konzert vorbereiten wollte, konnte den gesamten Wettbewerb im live-stream verfolgen und daneben feststellen, dass in Twitter- und You Tube-Kommentare heftig Kritik an der Juryentscheidung geübt worden war. So war man gespannt auf die 1. Preisträgerin, die 25 jährige Russin Julianna Avdeeva, und den Österreicher Ingolf Wunder, der wider Erwarten nur Zweiter geworden war. Der Klavierabend erschien vielen Zuhörern wie eine Wiederholung des Warschauer Wettbewerbs. Zu nächtlicher Stunde - Volodos Auftritt begann um 21 Uhr und endete erst nach 80 Minuten – stand ausschließlich Chopin auf dem Programm.

Ingolf Wunder hatte dabei mit Nocturne H-Dur op. 9/3 sowie Andante spianato und Grande Polonaise Es-Dur op. 22, die besseren Karten. Sein Spiel verströmte subtil abgetönten Farbenreichtum und ließ die Vorliebe des Komponisten für die Werke Mozarts als pastosen Hintergrund immer wieder aufscheinen. Ganz anders die Interpretation der Klaviersonate b-moll opus 35 durch Yulianna Avdeeva. Sie wollte wohl das strukturelle Sonaten-Bauprinzip Chopins in den Vordergrund rücken, was ihr jedoch nur bedingt gelang. Zu hören war vor allem im 1. Satz eine stockende aneinander Reihung von Taktsequenzen, und auch in den übrigen Teilen des Werkes ließ die junge Russin eigenständige Interpretationsansätze vermissen.

Dass man ganz ohne Wettbewerbserfolge hervorragend Klavier spielen kann, bewies im ersten Teil des Abend Arcadi Volodos, der mit seiner Interpretation der Sonate Nr. 7, Fis-Dur, op. 64 von Aleksander Skrjabin das Publikum in seinen Bann schlug.

 

Freitag, 19.11., Premiere an der Oper Halle
2013  soll der gesamte "Ring" anlässlich Wagners 200. Geburtstag in beiden Städten aufgeführt werden.

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