Angesichts der möglicherweise vorentscheidenden Sitzung im Rundfunkrat des SWR am 29. Juni bringen sich vor und hinter den Kulissen die Akteure in Sachen Orchesterzukunft in Position. Das vom Hörfunkausschuss vor gut einer Woche vorgeschlagene „Moratorium“ (allein schon diese Formulierung war im Anschluss umstritten) in Verbindung mit der Prüfung einer GmbH-Lösung könnte sich für die Gegner der Fusion von Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (RSO) und SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (SO) als Etappensieg mit Pyrrhus-Charakter erweisen.
Zunächst hatte es so ausgesehen, als könne das Votum des (beratende Funktion ausübenden) Hörfunkausschusses für die von den „Orchesterrettern“ herbeigesehnte Verschnaufpause sorgen. Das Gremium hatte sich, so die übereinstimmenden Eindrücke aus der Sitzung, von der Untauglichkeit einer Fusion überzeugen lassen. Im Zusammenhang mit der daraufhin vorgeschlagenen Prüfung einer GmbH-Lösung war dann nach der Sitzung von einem „Moratorium“ die Rede gewesen, eine Formulierung, die der SWR umgehend dementierte, obwohl sie, so verlautete aus Teilnehmerkreisen, durchaus eine Rolle gespielt habe.
Der Grund, warum die Intendanz auf diese Bezeichnung so empfindlich reagiert, liegt auf der Hand. Schließlich hatte der Freiburger Verwaltungsrechtler Friedrich Schoch in einem ausführlichen Beitrag in epd Medien und dann auch in einem Interview mit der Badischen Zeitung eben dies gefordert: ein Moratorium „mindestens bis Ende 2013“. Als Argumente dafür nannte Schoch unter anderem die „fehlende Entscheidungsreife“, schließlich gebe es für die Annahme des SWR, bis 2020 müssten aufgrund der Umstellung der Rundfunkgebühren auf ein geräteunabhängiges System 166 Mio. Euro eingespart werden, keine gesicherte Grundlage. Auch müsse der SWR zunächst einmal die Programmaufwendungen transparent machen, um darzustellen, inwieweit er dabei den im Rundfunkstaatsvertrag festgeschriebenen kulturellen Auftrag erfülle.
Das eigentliche Problem liegt aber nicht in der Diskussion über die Formulierung „Moratorium“, sondern darin, dass der Hörfunkausschuss vorgeschlagen hatte, eine Ausgliederung der Orchester in eine GmbH zu prüfen, ein Lösungsansatz, den keiner der Fusionsgegner befürwortet. Vielmehr haben die Freundes- und Fördervereine beider Orchester jeweils eigene Pläne, wie die Klangkörper trotz der Sparvorgaben des Senders in der jetzigen Form weitergeführt werden könnten.
Das Modell des Vereins der Freunde und Förderer des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg sieht vor, dass die Orchestermitglieder zum einen für einen gewissen Zeitraum auf Gehaltsanpassungen verzichten, was, so Arno Bohn, Vorsitzender des Vereins gegenüber der nmz, eine jährliche Ersparnis von etwa 430.000 Euro bedeuten würde. Überdies könnte ein Zusammenschluss von Unterstützern aus der trinationalen Metropolregion Oberrhein – der Verein denkt dabei vor allem an die Städte und Kommunen von Basel bis Landau – dabei helfen, den künstlerischen Etat des Orchesters mitzufinanzieren. Welche Rechtsform dieser Verbund annehmen könnte, diese Frage steht für Arno Bohn am Ende des Diskussionsprozesses, die Festlegung auf eine GmbH sei voreilig.
Die Freunde und Förderer des RSO Stuttgart stehen, so der Vereinsvorsitzende Uli Kostenbader, einer Verbreiterung der Trägerschaft der Orchester „eher zurückhaltend gegenüber“. Er hält die finanzielle Beteiligung von Kommunen angesichts leerer Haushaltskassen für wenig wahrscheinlich, überdies assoziiere man die Klangkörper nach wie vor mit einem „milliardenschweren Betrieb“. Dementsprechend gehen seine Überlegungen für das RSO in eine andere Richtung: Man prüfe die Möglichkeit, Synergien mit dem Stuttgarter Staatsorchester zu nutzen. Zum einen könne eine Zusammenarbeit beim Austausch von Aushilfen Kosten senken, zum anderen liege die Idee nahe, bei rechtlicher und künstlerischer Autonomie mittelfristig im Orchestermanagement zusammenzuarbeiten. Außerdem könne die natürliche Fluktuation dazu genutzt werden, die Zahl der Planstellen ohne künstlerische Einbußen über einen längeren Zeitraum geringfügig zu reduzieren.
Trotz der unterschiedlichen Ausgangslagen, die sich auch in Kostenbaders Formulierung widerspiegelt, das vom Hörfunkausschuss ins Spiel gebrachte GmbH-Modell sei „der untaugliche Versuch Zeit zu gewinnen“, wird eines deutlich: Die nun vor der Rundfunkratsitzung im Raum stehende Alternative, entweder zu einem künstlerisch mehr als fragwürdigen „Superorchester“ fusioniert, oder aber – mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen – in eine GmbH ausgegliedert zu werden, bedeutet für die Musikerinnen und Musiker ein kaum lösbares Dilemma.
Vieles wird nun davon abhängen, ob SWR-Intendant Peter Boudgoust den konstruktiven Vorschlägen aus den Orchestern zum Trotz bei seiner in einem Interview mit der Badischen Zeitung erneut dargelegten Haltung bleibt und auf seinem Fusionsplan beharrt (dass der SWR offenbar ausgerechnet eine wenig erfolgsträchtige GmbH-Lösung als einzige juristisch gangbare Alternative darstellen lässt, spricht dafür), oder ob er die Diskussion für einen dritten Weg offen hält. Alles weitere liegt in den Händen der Mitglieder des Rundfunkrates, die sich der Tragweite ihrer Entscheidung hoffentlich bewusst sind.