Man kann nicht sagen, dass diese ordentliche Mitgliederversammlung der GEMA im Zentrum der Öffentlichkeit stand. An drei Tagen haben sich die Mitglieder zusammengerauft, um ein Pensum von gut 122 Seiten mit Tagesordnungspunkten und Anträgen abzuarbeiten. Das ganze lief, während der Wirbel um neue Tarife für Musiknutzer sich hochschaukelte, dessen Höhepunkt eine Demonstration vor dem Mitgliederfest in Berlin, Prenzlauer Berg, darstellte. An den Shuttle-Bussen der GEMA-Mitglieder wurde getrommelt und gerüttelt. Ein bisschen vom dem ganzen Tohowabohu entlud sich auf der abschließenden Hauptversammlung während der Aussprache im Hotel Maritim, Berlin.
So viel Presse die letzten Meldungen zur GEMA aufwirbelte, so wenig war sie bei der Mitgliederversammlung zugegen. Allein ein Vertreter der nmz bat und erhielt den Status eines Gastes. Im Prinzip ist so einer Hauptversammlung streng strukturiert. Es gibt den Jahresbericht des Vorstandes und eine Aussprache dazu, Ehrungen für Mitglieder und in diesem Jahr die Verleihung der Richard-Strauss-Medaille an den Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Im Vorstand gab es einen Wechsel: für den scheidenden Rainer Hilpert tritt Lorenzo Colombini die Nachfolge an. Anschließend werden die Anträge abgestimmt, über die die drei Kurien der GEMA (Textdichter, Verleger und Komponisten) tags zuvor sich einigten.
Und das war die erste Überraschung: Noch nie waren bei den Kuriensitzungen zuvor so viele Mitglieder oder Delegierte zusammen. Allein bei den Komponisten waren es zeitweise um die 400 – und wie es hieß, vor allem jüngere. Bei der Hauptversammlung, die eigentlich nur noch die Ergebnisse der Vortage bestätigt, waren es etwa 550 GEMA-Mitglieder und Delegierte insgesamt. Aus dem Bereich der E-Musik waren nach internen Schätzungen zirka 50 Mitglieder vor Ort.
Der Reihe nach: Der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Harald Heker, stellte die Ergebnisse des Inkasso-Unternehmens vor, so wie man sie bereits kennt. Einnahmen, Ausgaben, Stand der Dinge auf dem Verhandlungssektor, das Berufungsverfahren in Sachen YouTube und das Urteil in Sachen VG Wort, das kürzlich durch die Medien lief. Nach Ansicht der GEMA-Justitiare wird es eine zweite Überprüfung durch die nächste Instanz nicht überleben. Aus diesem Grunde schüttet die GEMA auch wie gewohnt am 1. Juli an ihre Mitglieder aus. In Sache „Diskothekensterben“ geht es auch voran. Nachdem die GEMA die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Überprüfung angerufen hat, scheint sich der größte Verband, der bislang nicht zu Verhandlungen bereit war, an den Diskussionstisch zurückzubewegen. Für Juli gibt es Verhandlungstermine mit der DEHOGA (dem deutschen Hotel und Gaststättenverband). Vielleicht nimmt man dort die Probleme der Berliner Clubszene endlich ernst und verhandelt in deren Sinne.
Im weiteren Rahmen der Veranstaltung erhielt Kulturstaatsminister Bernd Neumann die Richhard-Strauss-Medaille der GEMA. Der Geehrte dankte es den Anwesenden mit einer Rede. Er sehe sich wirklich als Freund und Anwalt der Urheber, kreative Leistungen müssten nicht nur geschätzt sondern auch geschützt werden. Ob Neumann wirklich nichts dazu gelernt hat? Für ihn ist die Rechnung Urheber = GEMA. Aber dies hat früher nicht so gegolten und es gilt heute wahrscheinlich noch weniger. Auch er hat den Trubel um die aktuellen Bewegungen in der GEMA mitbekommen und sagte, dass es Verbesserungsbedarf wie in jeder Institution gebe. Am Ende der Rede kritisierte er unumwunden und namentlich die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sie sei in Sachen Reform des Urheberrechts auf Tauchstation gegangen.
Es folgte die Aussprache zur Ansprache des Vorstandsvorsitzenden Harald Heker in der vor allem über die Art und Weise der Öffentlichkeitsarbeit der GEMA gesprochen wurde. Einige Mitglieder fühlen sich offenbar schlecht vorbereitet auf die Dinge, die sie draußen erdulden müssen, wenn die GEMA mal wieder irgendetwas in die Wege leitete. Rolf Zuckowski fasste die Stimmung draußen in einer Reaktion zusammen: „Die GEMA ist fürchterlich und du gehörst dazu.“ Man wünsche sich mehr Informationen vorab, um mit diesen Reaktionen umgehen zu können. Imagekampagnen seien das eine, letztlich aber wohl eher ein wenig ertragreiches Element der Arbeit. Harald Heker antwortete darauf: Man könne nicht einfach den Etat für Imagekampagnen erhöhen, weil dies schließlich Geld sei, das dann an die Urheber nicht mehr ausgeschüttet werden könne. Und er verteidigte die Haltung des GEMA-Vorstandes, dass nach einer längeren Phase der Ruhe jetzt doch die Zeit sei, offen in Konflikte hineinzugehen und sich gegebenenfalls auch mit Verhandlungspartnern anzulegen, die mächtiger sind als die GEMA. Man werde nicht vor Drohungen zurückweichen. Die Folge ist dann auch schon einmal ein Streit, der in der Öffentlichkeit hohe Wellen schlage. Viele Mitglieder forderten sich selbst auf („Wir müssen selbst ran!“), den Kern ihrer Tätigkeit besser nach außen darzustellen. 60.000 Mitglieder werden doch etwas erreichen können? Vor diesem Hintergrund wirkt es dennoch ein wenig komisch, wenn Heker die Initiative „Wir sind die Urheber“ lobt, die interessanterweise natürlich nicht alle Urheber, aber auch nicht einmal alle der in der GEMA Vertretenen unterzeichneten.
Beklagt wurde in der Aussprache auch eine gewisse Informationsresistenz der Öffentlichkeit. Man könne die Dinge darstellen oder erklären wie man wolle, die Ohren bleiben demgegenüber taub. Auf den Marktplätzen des Internets kocht die Seele eines Teils der Volkes dann besonders hoch und es ist nicht gerade einfach, sich den Anwürfen aus- und widerzusetzen. Vielleicht wäre dies dem letztes Jahr verstorbenen GEMA-Mitglied Vicco von Bülow gelungen mit einem Film wie „GEMA ante Portas“.
Die eigentliche Sensation ist jedoch die Abschaffung des GEMA-Verteilungsplans „Pro“, der seit Jahren in der Kritik stand. Auf der Mitgliederversammlung wurde „INKA“ (Inkassobezogene Abrechnung im Bereich U-Musik) endlich beschlossen.
PS: Beachten Sie auch die zahlreichen Einträge zum Thema von Alexander Strauch und Moritz Eggert im Bad Blog Of Musick