„Der Diktator“ von Ernst Krenek und „Der Zar läßt sich photographieren“ von Kurt Weill am Anhaltischen Theater. Der Punktesieg im Duell der beiden Komponisten geht an Kurt Weill, meint Joachim Lange.
Wenn schon das Motto des 24. Weill-Festes „Krenek, Weill & die Moderne“ heißt, dann liegt die Idee, nach Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Komponisten zu suchen geradezu auf der Hand. Der Geburtsjahrgang 1900 verbindet dann ebenso wie ihre künstlerische Teilhabe an der Moderne, die Unverträglichkeit mit den Nazis und das Exil. Weill ging 1935 und Krenek 1938 in die USA. 1928, als noch nichts entschieden war, brachten beide eine jener kurzen Zeitopern heraus, die damals Mode waren, und die Oper mit der Gegenwart kurzschlossen. Was ein Vorzug war, doch mit wachsendem zeitlichen Abstand auch das Problem dieses Genres ist.
Das Anhaltische Theater in Dessau hat jetzt Ernst Kreneks „Der Diktator“ und Kurt Weills „Der Zar lässt sich photographieren“ als Doppelopernabend zum aktuellen Jahrgang des Weill Festes beigesteuert. Vergleicht man die Theaterwirksamkeit und Überlebensfähigkeit der Musik und der Stücke heute, dann geht diese Runde ziemlich eindeutig an Weill. Was auch, aber nicht nur, an der auf‘s Illustrieren beschränkten Regie von Doris Sophia Heinrichsen gelegen haben mag. Dabei sind die beiden hauseigenen Dessauer Publikumslieblinge Ulf Paulsen (als Diktator und Zar) und Iordanka Derilova (als in beiden Stücken scheiternde Attentäterin) mit voller Stimmkraft und spielerischem Einsatz bei der Sache.
„Der Diktator“ von Ernst Krenek
Kreneks Diktator ist aus heutiger Sicht ein seltsam verquerer Halbstünder. Da scheitert nämlich das Attentat der Kriegsgegnerin Maria, deren Mann (Albrecht Kludszuweit) schwer verwundet aus dem vom Diktator angezettelten Krieg zurückgekehrt ist und zu erblinden droht, auf den am Genfer See kurenden und sich mit der Aura des Lebemanns umgebenden Diktator daran, dass sie als Frau seiner Faszination als Mann erliegt. Was als Korrekturversuch der Weltpolitik losspringt, landet hier als Bettvorleger eines Eifersuchtstragödchens. Nicht der Diktator wird aus politischen Gründen erschossen, sondern dessen eifersüchtige Gattin (Stefanie Kunschke) erschießt die Rivalin um die Gunst ihres Mannes. Alles gebettet ins Format eines orchestralen Alpenpanoramas. Fehlten bloß noch Kuhglocken zu den kriegerischen Fanfaren und dem Paukengrollen beim Auftritt des Diktators. Das ist näher am italienischen Verismo als an seinem eigenen vom Jazz beflügelten „Jonny spielt auf“. Die projizierten Bergpanoramen und die eingespielten Weltkriegsbilder wirkten jedenfalls etwas arg um Größe bemüht, wie die armerudernden Zitate der sattsam bekannten Rhetorikshow von Diktatoren, die Paulsen drauf hat. Das gilt selbst für sein an Chaplins Großen Diktator erinnerndes Spiel mit der Weltkugel. Die Alphatier-Faszination, die das Attentat verhindert, bleibt da mehr eine Psychostörung im Dunkeln – und die berühmten Fragen, zur Halbzeit also offen.
„Der Zar läßt sich photographieren“ von Kurt Weill
Die Einheits-Bühne, für die Nicole Bergmann ein Gerüst mit Dreiecksgrundriss, samt Vorhängen mit einem roten Chaiselongue mittendrin, genügt. In der altmodischen Fotoapparatur auf dem Stativ ist genügend Platz, um die Waffe für‘s Attentat zu verstecken, wenn der Zar zum Fototermin aufkreuzt. Auch dieser hohe Herr ist auf Vergnügungstour. In Paris und beim Cherchez la femme. Der imaginäre Russenkaiser hat im Atelier von Angèle (Stefanie Knuschke) einen Termin, von dem die nichts weiß. Kein Wunder, denn eine Gruppe von Attentätern, die sich selbst gegen das Atelierpersonal austauscht, hat ihn arrangiert, um aus dem Schnappschuss einen tödlichen zu machen. Der Anführer der Attentäter ist Albrecht Kludszuweit, Alexander Nicolic ersetzt als falscher Gehilfe den echten (David Ameln) und Kristina Baran als falscher Boy den richtigen (Anne Weinkauf). Aus dem eingefädelte Attentat wird aber aber nicht nur wegen der rechtzeitig dazwischen funkenden Pariser Polizei (Stephan Seefeld und Tizian Steffen sind die die beiden Kriminalbeamten), sondern vor allem wegen der amourösen Ambitionen des Zaren nichts. Ulf Paulsen und Iordanka Derilova als falsche Angèle sind da in ihrem komödiantischen Element. Der aufmarschierte und kommentierende Herrenchor (Leitung Sebastian Kennerknecht) sorgt für eine Art sympathischen Verfremdungseffekt. Die Vorlagen für den Spielwitz aber liefert vor alle die Musik von Weill. Mit dem populären Tango für Angèle der vom Grammphon kommt, oder den Auftritts Foxtrott für den Zaren oder die Versatzstücke aus Walzer, Bolero oder Marsch im Orchesterpart. Daniel Carlberg geht auch diesen Teil orchester-großformatig an. Gleichwohl klingt das oft ironisch witzig, scheint gar den Parlandostil von Strauss zu veralbern, fasziniert aber vor allem mit dem eigenen Weill-Sound im Dreigroschen- oder Mahagonny-Format. Da sprühen dann doch die Funken, die den Doppelabend lohnend machen. Mit einem Punktsieg für Weill – was ja zum Weill Fest ganz gut passt.