Der eingefleischte Opernfan kann dem Produktionsteam von Siegfried Wagners Märchenoper „An allem ist Hütchen schuld“ nur dankbar sein, immerhin sind dessen Opern äußerst selten auf den Spielplänen vertreten und die wenigen und dabei leider auch nicht wirklich immer brillanten Aufnahmen ermöglichen zudem kein eindeutiges Bild von den möglichen Qualitäten der fast vergessenen Werke.
Am vergangenen Sonntag war die Oper im Audimax der Bochumer Ruhr-Universität in einer Inszenierung des Siegfried-Wagner-Spezialisten Peter Paul Pachl mit dem pianopianissimo-musiktheater aus München, den Bochumer Symphonikern und dem Sonderchor der Ruhr-Uni unter der Leitung von Lionel Friend endlich einmal live zu hören und zu sehen.
„An allem ist Hütchen schuld“ ist ein im guten Sinne merk-würdiges Stück. Dabei besteht es weniger aus einer klar erzählten Märchenhandlung, wie viele andere Werke aus der Feder des Wagner-Sohnes und anderer Märchenoper-Komponisten der Jahrhundertwende. Vielmehr ist „An allem ist Hütchen schuld“ eine Oper über Märchenopern, treten in ihr doch nicht nur über 40 verschiedene Märchen-Figuren aus dem Grimmschen Märchen-Kosmos auf den Plan, sondern geraten sich darüber hinaus auch die Gebrüder Grimm mit dem Komponisten selbst in die Haare ob der verwirrten Handlungsstränge und des erstaunlich überbordenden Figurenklumpatschs. Schuld an der Verwirrung, das erfahren wir in Pachls Inszenierung bereits in der pantomimisch nacherzählten Ouvertüre, ist allerdings nicht eine ausgeuferte Intertextualitätsdebatte, sondern allein ein Kobold, der übles Chaos im Märchenbuchreich angerichtet hat. Zuweilen macht es durchaus Laune beim Hören, wenn Siegfried – ohne aber wirklich zu zitieren – den Sound des Vaters gerade an solchen Stellen heraufbeschwört, die auf textlicher Ebene eher absichtsvoll banal daherkommen.
Das sind dann zahlreiche kleine Gemeinheiten und Watschen in Richtung Papa, die faszinieren können und Spaß machen. Auffällig ist auch das extrem klein- und feingliedrige motivische Gewebe in Wagners Partitur, das blitzschnell und theaterwirksam auf die vielen Stimmungswechsel reagieren kann. Allerdings könnte gerade darin zugleich eine der Schwächen insgesamt liegen, denn wirklich aufregend musikalische Bögen spannen sich recht selten und so dümpelt die Musik doch häufig zäh und wenig inspiriert vor sich hin. Große Freude fürs Ohr brachten dennoch insbesondere immer wieder die wunderbar gespielten Soli der Bochumer Symphoniker, gerade in den Holzbläsern. Auch der überaus volle und warme Klang der Streicher konnte für das oft doch etwas wenig anpackend-inspirierte Dirigat von Lionel Friend entschädigen.
Dem offensichtlichen Mangel, dass ein Audimax nun einmal kein Opernhaus ist und folglich nicht mit Bühneneffekten und überbordender Theatermagie gespielt werden kann, begegnete das Regieteam sehr charmant, indem mit den unperfekten Möglichkeiten der atmosphärisch nicht unbedingt einnehmenden Spielstätte gearbeitet wurde. Ein umherlaufendes Filmteam projizierte dabei Live-Videos von Requisiten und Figuren auf eine große, zweigeteilte Leinwand – besonders auffällig dabei, da sich alles in einem Käselager abspielte, ein omnipräsentes Milchproduktsortiment sowie Zippo-Plastik-Tüten aus einem Drogeriemarkt. Die vorproduzierten Projektionen, beeindruckend insbesondere der Zoom ins Innere von chaotischen Gouda-Molekülen, substituierten das Bühnenbild und gaben Auskunft über den jeweiligen Ort des Geschehens. Während das Unfertige und Improvisierte in Requisite, Bühne oder Kostüm durchaus erfreute, ermüdete hingegen das typisch Opernhafte, das (womöglich ungewollt?) immer am Rande der Satire zu sein schien. Die Gestik der Sänger, die Auftritte, die Personenführung erschöpfte sich doch sehr schnell und ließ einen durchweg heiteren, aber ob der Harmlosigkeit doch etwas zwiespältigen Eindruck zurück.