Die GEMA ist von der Petition voll erwischt worden. Wie die Mexiko-Grippe, so der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Frank Dostal, habe sich das Thema im Internet verbreitet und eine Eigendynamik entwickelt, die zu Beginn der Initiative niemand erwartet hatte. Mit geballter personeller Präsenz versuchte die GEMA nun auf einer Pressekonferenz die Epidemie einzudämmen, von der mittlerweile über 95.000 Mitzeichner angesteckt wurden.
Neben den üblichen Verdächtigen, dem Vorstandsvorsitzenden Harald Heker, den Aufsichtsratsmitgliedern Frank Dostal, Jörg Evers und Karl-Heinz Klempnow sowie Pressesprecherin Bettina Müller, waren mit Markus Lehmann-Horn und Norbert Stammberger auch zwei Delegierte der angeschlossenen und außerordentlichen Mitglieder auf dem Podium vertreten. Die GEMA als fest verschweißte Solidargemeinschaft – so wollte man sich den zahlreichen Medienvertretern auch jenseits der Fachblätter präsentieren.
Und den inhaltlich zum Teil haarsträubenden, aber publikumswirksamen Beiträgen im Online-Forum zur Petition etwas Markiges entgegensetzen. Dort könne sich doch jeder unter dem Namen „Gurkengustav“ oder einem anderen Pseudonym zu Wort melden, polterte Dostal. Ihm falle es aber schwer mit Kritikern ins Gespräch zu kommen, die ihm nicht in die Augen blickten. Überdies versuchte Dostal die rasant steigende Zahl der Mitzeichner durch eine Art Verschwörung der großen Konzertveranstalter zu erklären, mit denen die GEMA über eine schrittweise Erhöhung der Tarife streitet, worüber derzeit eine Schiedsstelle entscheidet. Karl-Heinz Klempnow rechnete noch vor, dass ein Großveranstalter mehr für die Bereitstellung von Mobiltoiletten berappen müsse als für die GEMA-Gebühren.
Von geringerem Unterhaltungswert waren die Ausführungen Harald Hekers, der mit einiger Berechtigung die verschiedenen Interessenlagen auseinanderzuhalten versuchte, die sich bei der Diskussion über die Petition überlagerten:
Da seien zum einen die Kleinveranstalter, zu denen die Initiatorinnen der Petition zählten. Diese forderten geringere und einfacher zu handhabende Tarife sowie mehr Transparenz. Heker räumte die Kompliziertheit des Systems ein, verwies aber auf die seit Jahren stabilen und von den geplanten Erhöhungen nicht betroffenen Tarife sowie neu eingeführte Regelungen für Härtefalle (wenn nach dem Konzert klar wird, dass Verlust gemacht wurde) und Veranstaltungen mit Nachwuchsförderungscharakter.
Zum zweiten hätten sich die Großveranstalter das Petitionsforum für ihre Zwecke zu eigen gemacht und die Falschmeldung von einer 600-prozentigen Tariferhöhung in die Diskussion gemischt.
Drittens gebe es unzufriedene GEMA-Mitglieder, die nun eine Möglichkeit gesehen hätten, ihrem Unmut Luft zu verschaffen. Hier verwiesen Dostal, Evers und Lehmann-Horn auf die Möglichkeiten der Mitbestimmung, die von vielen Mitgliedern nicht wahrgenommen würden. Heker betonte aber, dass man die Kritik der Mitglieder (Stichwörter: ungerechte Verteilung und mangelnde Transparenz) sehr ernst nehmen müsse. Die Verteilung sei aber gerade deswegen kompliziert, weil eine Umverteilung von oben nach unten vorgenommen werde. „Das wird aber häufig nicht verstanden“, so Heker: „Die GEMA muss versuchen noch mehr zu tun, um ihre Mitglieder auch tatsächlich mit den komplizierten Dingen, die bei uns laufen, zu erreichen.“ Man habe in der Kommunikation schon einiges getan (gemeint ist offenbar das Hochglanzmagazin „virtuos“ und der neue Internetauftritt…), wolle in diesem Bereich aber weiter zulegen.
Offen zeigte sich Heker auch für eine stärkere Aufsicht durch das Patent- und Markenamt, die von der Enquete-Kommission gefordert worden war: „Die GEMA hat überhaupt kein Problem mit mehr Aufsicht. Je sorgfältiger und detailreicher die Aufsicht ist, umso leichter tun wir uns ja auch. Wir haben nichts zu verbergen. Mehr Aufsicht nützt uns nur.“ Hier könnte es also losgehen…
Nur am Rande tauchten weitere Fragen auf. So räumte Heker ein, dass das jüngst zuungunsten der Verwertungsgesellschaft ergangene Urteil im Fall myvideo.de gegen CELAS keinen Rückenwind für die Verhandlungen mit YouTube bedeute. Von Markus Lehmann-Horn ins Spiel gebracht wurde auch die Frage, für wen sich eine GEMA-Mitgliedschaft überhaupt lohne.
Und zum guten Schluss musste Heker noch eine Formulierung gerade rücken, die er im Zusammenhang mit der Frage gewählt hatte, wie weit die Verantwortung der GEMA für die Belange der Kleinveranstalter in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gehe: „Die GEMA ist ja keine Kulturförderungseinrichtung, sondern eine Solidargemeinschaft von Urhebern, die dafür sorgen soll, dass die Urheber zu ihrem Geld kommen,“ hatte er da forsch argumentiert, um am Ende auf Nachfrage einen zweiten Versuch zu machen: „Der Zweck der GEMA ist es nicht, Kultur in dem Sinne zu fördern, dass sie verpflichtet wäre, andere Kulturschaffende oder Kultureinrichtungen, etwa Veranstalter, zu fördern, sondern sie ist dafür verantwortlich ihre Mitglieder, die Textdichter und Komponisten zu fördern. Nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern indem sie einen Humus bildet, aus dem Kultur für ihre Mitglieder entstehen kann. Dafür ist sie da und da sieht ja auch das Regelwerk extrem viel an Aktivitäten vor, wo wir versuchen diesen Kulturauftrag der GEMA umzusetzen.“
Frank Dostal sprang helfend ein: „Der Zweck der GEMA ist es, möglichst viel Geld für möglichst viele Mitglieder zu kassieren; der Sinn der GEMA ist es, die Interessen der Mitglieder zu fördern, auch in kultureller und sozialer Hinsicht.“
Einen Zweck scheint die Petition also jetzt schon zu erfüllen: Die Fronten klären sich, es wird Klartext geredet.
Anmerkung: Der Deutsche Kulturrat stellte sein vor eineinhalb Jahren erschienenes Dossier zur Arbeit und Zukunft der GEMA und der anderen Verwertungsgesellschaften zum kostenlosen Abruf ins Netz. Das Dossier kann als pdf-Datei abgerufen werden.