Einen entsprechenden Platz vorausgesetzt, genügte es an diesem Abend, auf den Wuschelkopf zu schauen, der da aus dem Graben der Berliner Lindenoper ragte. An Gustavo Dudamels Mimik und Gestik war jene Don-Giovanni-Dramatik abzulesen, die man auf der Bühne weitgehend vermisste.
Im Mittelpunkt des Interesses stand bei dieser Wiederaufnahme aber auch nicht Peter Mussbachs ursprünglich für die Mailänder Scala konzipierter Regie-Minimalismus, sondern die Frage, wie der venezolanische Wunderknabe – schon in Mailand hatte er Daniel Barenboims Produktion zeitweise übernommen –seinen ersten Mozart an der Staatsoper meistern würde.
Höchst beachtlich lautet die Antwort, was daran lag, dass Dudamel sein Augenmerk fast ausschließlich auf den Kontakt zum Sängerensemble legte. Von wenigen Momenten abgesehen war sein Blick nach oben gerichtet, schmiegte sich sein Dirigat förmlich den Gesangslinien an.
Entsprechend Geschmeidiges kam mitunter auch zurück: Allein in Aga Mikolajs glockenklaren und doch ausdrucksgesättigten Elvira-Koloraturen („Mi tradi“) und Tomislav Mužeks nicht bloß edel langweilenden Ottavio-Ansprachen war mehr an Gefühlsregungen gebündelt, als Mussbachs Inszenierung seinen gern immer mal wieder vor den beiden aussageneutralen Monolithen zu Boden stürzenden Darstellern entlockte.
So sicher Dudamel dank dieser Priorität die Ensembles zu führen vermochte, so wenig durchdifferenziert war freilich der Orchesterklang. Zügig und mit symphonischem Nachdruck angesteuerte Höhepunkte gab es einige zu bestaunen, doch war im durchweg etwas pauschalen Breitwandsound die Balance immer wieder zu Ungunsten der prächtig aufspielenden Staatskapellen-Bläser verschoben. Markantere Streicherphrasierungen hätten ebenfalls nicht geschadet.
Am Ende gab es großen Jubel für ein gutes bis ausgezeichnetes Sängerensemble (der Leporello Hanno Müller-Brachmanns stahl seinem Arbeitgeber Andrea Concetti vokal die Show) und ein Operndirigat, das einmal mehr das enorme Potenzial Gustavo Dudamels erkennen ließ. Wenn er sich am Bühnengeschehen satt gesehen hat, riskiert er vielleicht auch mal einen Blick ins Orchester.