Vor wenigen Wochen erst wurde das Orchester Symphonia Momentum gegründet; es handelt sich um ein Projekt des auch als Autor und Musiker-Coach bekannten Celibidache-Schülers Christoph Schlüren. Ziel ist es, Musiker aus aller Welt zusammenzuführen, Brücken zwischen Ost und West zu schlagen.
Derzeit spielen 20 Musiker aus 12 Ländern und fünf Kontinenten in dem Ensemble. Im Großen Saal der Musikhochschule München gab die Symphonia Momentum am 20. November ihr zweites Konzert. Das Motto des Abends, "Orient & Occident", gibt bereits über die Absicht der Musiker Aufschluss, sowohl Kontraste zu schaffen als auch den Bezug zwischen den kontrastierenden Elementen herzustellen. So stand einerseits die polyphone deutsche Tradition im Vordergrund: Von Bach über Mozart und Beethoven bis hin zu Reinhard Schwarz-Schillings tief beeindruckendem frühen Streichquartett f-Moll, von der Symphonia Momentum erstmals in einer Fassung für Streichorchester dargeboten. Dazwischen erklang Arvo Pärts mottosstiftende Komposition "Orient & Occident", eine Uraufführung von Peter Michael Hamel und Anders Eliassons Solo-Violinstück "In medias".
Gleich in Bachs einleitender Fuge BWV 578 beeindruckte die klangliche Homogenität und der vorbildliche Ensemblegeist des jungen Ensembles. Man spürt einerseits den Enthusiasmus, andererseits die entspannte Stimmung unter den Musikern, die sich unmittelbar auf die von ihnen gespielte Musik übertrug. Bachs Polyphonie eröffnete unter Schlürens souveränem Dirigat ihre natürlich fließende, leichtfüßige Qualität. Die vorbildliche Phrasierung des Ensembles ließ die Musik förmlich tanzen. Der Eindruck eines unaufgeregten und dennoch temperamentvollen Bach-Spiels setzte sich im E-Dur-Violinkonzert fort, dessen Solopart Rebekka Hartmann mit glasklarer Intonation und ebenso schlankem wie beherztem Ton gestaltete. Die Geigerin beeindruckte im zweiten Teil des Abends mindestens ebenso mit ihrer beseelten, konzentrierten und mitreißenden Interpretation von Eliassons "In medias" von 1971 – dem frühesten Werk, das der schwedische Komponist aus seinem Œuvre gelten lässt.
In Beethovens "Cavatina" aus dem Quartett op. 130 gelang es dem Ensemble, ein geradezu ätherisches Pianissimo zu kultivieren – keine geringe Leistung angesichts der gnadenlosen Akustik des Großen Saals der Musikhochschule. Pärts Komposition bildet in ihrem steten Wechsel von einstimmiger, mit Glissandi durchsetzter, orientalischer Melodik und "westlicher" Akkordik einen Prüfstein für jedes Streichorchester. Die Symphonia Momentum bestand diese Prüfung mit Bravour; die Intonation der Unisono-Partien kaann man nur als maßstabsetzend bezeichnen. Auch Peter Michael Hamels "Ulisono" kombiniert westliche und östliche Elemente. Das Stück ist eine berührende Hommage an Hamels verstorbenen Freund und Kollegen Ulrich Stranz, mit dem er vor langer Zeit im Ensemble Between gemeinsam musizierte. Stranz spielte die Bratsche, und so findet sich in dem Werk sowohl thematisches Material von Stranz aus jenen Jahren als auch ein prominenter Bratschenpart, bei der Münchener Uraufführung gespielt von Helmut Nicolai.
Den Höhepunkt des Abends bildete aber zweifelsohne das Schwarz-Schilling-Quartett, von Schlüren persönlich für Orchester bearbeitet. Die polyphone Tradition Bach-Beethoven-Bruckner findet sich in diesem Werk in die Gegenwart übertragen – unter Umgehung der Moderne. Es ist eine Musik ohne Moden, faszinierend allein durch die unmitttelbar ansprechende, sinnfällige Architektur und die tief ernste Intensität ihres Ausdrucks. Spieltechnisch und gestalterisch fordert Schwarz-Schillings' Opus die Ausführenden bis an die Grenzen – was aber in der Interpretation der Symphonia Momentum kaum je spürbar wurde. Bereits zu Beginn der Introduktion entstand eine atemlose Spannung, die über die gut 40 Minuten Spieldauer aufrecht erhalten wurde. Christoph Schlüren hat betont, wie sehr ihm gerade dieses Werk am Herzen liegt, und sein persönliches Engagement teilte sich dem Publikum unmittelbar mit. Nicht nur angesichts der zahlreichen anvisierten zukünftigen Projekte der Symphonia Momentum ist zu hoffen, dass man von diesem viel versprechenden Orchester in Zukunft noch oft hören wird.