Die in Wien arbeitende kanadische Musikforscherin Rita Steblin hat am Donnerstag Abend in Regensburg erstmals eine plausible Antwort auf die Frage präsentiert, wem Ludwig van Beethovens Klavierstück „Für Elise“ gewidmet sein könnte.
Zwar ist dieses Rätsel biografisch weitaus weniger bedeutsam als die Frage nach Beethovens „unsterblicher Geliebte“ (zu deren Beantwortung Rita Steblin maßgeblich beigetragen hat), seine Lösung dürfte aber angesichts der Berühmtheit des millionenfach gespielten a-Moll-Rondos auf breites Interesse stoßen.
Es war der Beethoven-Biograph Ludwig Nohl, der 1865 das heute verschollene Manuskript des Stücks in einem Münchner Nachlass fand und zwei Jahre später in einer Briefsammlung veröffentlichte. Er überlieferte auch den Wortlaut der Widmung: „Für Elise am 27. April zur Erinnerung von L. v. Bthvn.“. Die Echtheit der Komposition ist durch Skizzeneinträge Beethovens aus dem Jahr 1810 verbürgt, die somit auch eine Datierung ermöglichen. Weil sich lange Zeit keine Dame aus Beethovens Umfeld fand, die als Widmungsträgerin in Frage kam, wurde Nohl kurzerhand unterstellt, er habe sich bei der Transkription einfach verlesen und es sei Therese Malfatti gemeint, der Beethoven zu dieser Zeit den Hof machte und aus deren Nachlass das Werk ursprünglich stammte.
Einen weiteren Namen, der vor drei Jahren ins Spiel gebracht wurde (Elisabeth Röckel), hat der Musikwissenschaftler Michael Lorenz kurze Zeit später als falsch „enttarnt“. Sein im Internet verfügbarer Artikel ist ein höchst vergnüglich zu lesendes Kabinettstückchen in wissenschaftlicher Akribie und beißender Kollegenschelte.
Eine solche muss Rita Steblin nun nicht befürchten, zu seriös wägt sie die Faktenlage ab, wenn sie zu dem Schluss kommt: Elise Barensfeld, die einige Zeit als Wunderkind herumgereichte spätere Kammersängerin der Großherzogin von Baden, die am 27. August 1796 in Regensburg als „Juliane Katharine Elisabet Barensfeld“ geboren wurde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Beethovens „Elise“.
Steblins Argumentationskette ist überzeugend: „Elise“ Barensfeld (so die mehrfach belegte Namensvariante) war spätestens seit 1809 mit niemandem Geringeren als dem Regensburger Mechanikus und Beethoven-Freund Johann Nepomuk Mälzel auf Konzerttourneen unterwegs und setzte ihre Gesangsausbildung im selben Jahr unter anderem bei Antonio Salieri in Wien fort. Dort lebte sie mit Mälzel unter etwas dubiosen Umständen zusammen, ein Zustand, den sie 1813 mit ihrem Fortgang aus Wien beendete.
Die Verbindung zur späteren Besitzerin des „Elise“-Manuskripts Therese Malfatti ist eine geografische: Sie lebte direkt gegenüber von jenem Haus, das Mälzel und die „Demoiselle Barensfeld“ bewohnten. Rita Steblin geht nun – einzig hier fehlt noch ein eindeutiger Beleg – davon aus, dass die Malfatti die 13-jährige Elise Barensfeld (in einem späteren Dokument wird sie auch als Pianistin bezeichnet) nicht nur als Nachbarin gekannt haben muss, sondern auch deren Klavierlehrerin gewesen sein könnte. Deshalb habe Beethoven Elise das leichte Rondo gewidmet, „um der heißgeliebten Therese einen Gefallen zu tun“, so die Forscherin, die im Gespräch durchaus zugibt, dass es hinsichtlich der Beethoven’schen Widmung letzte Fragezeichen gibt: „Natürlich habe ich auch Zweifel, aber Elise Barensfeld ist ab jetzt meine Kandidatin.“
Die Spuren der Sängerin, die im November 1812 in jenem Konzert als Solistin auftrat, das als Geburtsstunde der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde gilt, verlieren sich im Jahre 1820 ziemlich plötzlich. Rita Steblin, die sich selbst schmunzelnd als „Miss Marple der Musikwissenschaft“ bezeichnet, bleiben als noch einige Rätsel zu lösen.