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Trossingen und Nanchang in Berlin. Foto: MHS Trossingen
Trossingen und Nanchang in Berlin. Foto: Stefan Günther
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Zukunftsmusik mit Geschichte: Trossingen trifft Nanchang – Das Projekt „Seidenstrasse 21“ wurde in Baden-Württembergs Berlin präsentiert

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Baden-Württemberg kann – wenn es nur will – auch chinesisch. „Seidenstraße 21“ war ein opulent gefördertes Stipendien-Projekt übertitelt, das der Trossinger Musikhochschule einen höchst leibhaftigen – aber auch elektronischen – Austausch mit der Partner-Universität im chinesischen Nanchang ermöglichte. „Wir stiften Zukunft“ lautet das Leitmotiv der Landesstiftung Baden-Württemberg, deren Wirken sich manch anderes Bundesland gut und gern zum Vorbild nehmen könnte.

Das Ergebnis dieser musikalischen Kooperation gab es vergangenes Wochenende in Baden-Württembergs Berliner „Kanzleramt“, der Landesvertretung zu bestaunen. Ein Konzertabend, der in jeder Hinsicht überraschte: Statt vielleicht zu erwartender additiver deutscher und chinesischer Folklore eine dramaturgisch sinnlich-sinnvoll durchkomponierte Sinfonie, die alle erdenklichen Klangfarben der uns wohl bekannten und der viel weniger bekannten Instrumente aus China authentisch und stimmig aufklingen ließ.

Weltmusik nicht als plumpes „Mash-Up“ – sondern als die Ohren für Musik der Welt erschließendes Medium. Verbunden und auch kontrastiert dank elektronisch generierter Zukunftsmusik, die den positiven Aspekt solchen Titels belegte. Wer die krampfhaften Versuche, Science-Fiction-Filme adäquat mit Musik auszustatten schon belächelt hat, konnte hier streckenweise überzeugende Gegenentwürfe vernehmen.

Dass Zukunft einen gewachsenen geschichtlichen Boden ebenso benötigt wie technische Innovation und kulturelle Kreativität, lässt sich am „Seidenstraßen-Projekt“ also bestens belegen. Die Geschichte startet eigentlich im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt. So alt sind Seiden-Funde aus chinesischer Produktion im Kreis Sigmaringen. In der Gegenwart hat man fantasievoll und konsequent den edlen Raupen-Faden zum Kommunikationsstrang in Form der Glasfaser umgewidmet: Das Material für lichtschnellen Informationsaustausch. Eigentlich wertfrei. Aber oft verschmutzt, missbraucht. Deshalb stimmte die „Reinigungswirkung“ des musikalischen Datenaustausches zwischen Trossingen und Nanchang auch Technik-Skeptiker gewissermaßen optimistisch.

Unter der Leitung des portugiesischen Komponisten Luis Antunes Pena – er betreut auch den Studiengang Klangdesign in Trossingen (und ließ gelegentlich ein wenig Fado einfließen) – entstanden computergenerierte Zwischenspiele, die den Zeitstrahl vom Barock bis zum Rock ebenso glaubwürdig flüssig erklingen ließen wie sie vermutbare Inkompatibilität europäischer und chinesischer Instrumente Lügen strafte.

Lorenz Duftschmid, eigentlich Experte für sogenannte „Alte Musik“ gelang gemeinsam mit seiner Kollegin Weihong Dong die Ausgestaltung eines Klang-Erlebnisses, in dessen stets schlüssiger Intensität vermeintliche Unvereinbarkeiten europäischer und chinesischer Musik-Ästhetik gar nicht erst aufkamen. Ein Konzert gegen Vorurteile also, ein Staunen machender, beglückender Abend, den die Studierenden aus Trossingen und Nanchang dem durchaus gemischten und durchwegs begeisterten Publikum hochprofessionell bereiteten. Schade nur, dass dieses Projekt nicht auf ausgedehnte Tournee geht.

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