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München diskutierte nicht nur, sondern spielte im Agora-Zelt mit drei Bands auf. Das jazzig angehauchte „Panzerballett“ (unser Bild) sowie die Gruppen „Die Drogen“ und „YAHA“. Foto: Musikmesse Frankfurt, Pietro Sutera
München diskutierte nicht nur, sondern spielte im Agora-Zelt mit drei Bands auf. Das jazzig angehauchte „Panzerballett“ (unser Bild) sowie die Gruppen „Die Drogen“ und „YAHA“. Foto: Musikmesse Frankfurt, Pietro Sutera
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Panzerballett, Münchner Philharmoniker und Harry Klein

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Die Musikmetropole München zu Gast auf der Musikmesse Frankfurt 2011
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Oktoberfest und Hofbräuhaus, Olympiagelände und Fasching, Viktualienmarkt und Schwabing – diese Schlagwörter stehen weltweit für München. Und Namen wie Lorin Maazel, Kent Nagano, Mariss Jansons und Alexander Liebreich sorgen für die internationale Reputation der Musikstadt an der Isar. Doch München will nicht nur „Musikstadt“ sein, man sieht sich als „Musikmetropole“, und das nicht zu Unrecht. Der Begriff Metropole meint das reiche musikalische Leben neben und mit den kulturellen Leuchttürmen wie Nationaltheater, Gärtnerplatztheater, Philharmoniker oder BR-Symphonieorchester. Dazu zählen, um nur einige wenige zu nennen, das Neue-Musik-Ensemble piano possibile und der Konzertsaal Schwere Reiter, der Jazzclub Unterfahrt, ein Clubleben von Harry Klein bis Feierwerk sowie eine mit 80 CD-Labels geradezu überschäumende Produktivität im Bereich der Tonträgerproduzenten.

Dese kulturellen Bodenschätze Münchens stärker als bisher ans Licht zu heben, sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsdezernat zu fördern und auch zusammen mit dem Tourismusamt als Musikmetropole München zu vermarkten, hat sich der seit 2007 in München wirkende Kulturreferent Hans-Georg Küppers zur Aufgabe gemacht. Zu den Aktivitäten, die er ergriffen hat, gehört auch die Public Private Partnership, die das Kulturreferat Münchens mit der neuen musikzeitung und nmzMedia im Rahmen der Musikmesse Frankfurt 2011 eingegangen ist. Die nmz, die nun seit drei Jahren auf der Messe mit ihren Partnerverbänden mit einem Gemeinschaftsstand vertreten ist und gemeinsam mit diesen dort ein anspruchsvolles Kulturprogramm mit Panels und Musikveranstaltungen kreiert hat, veranstaltete dieses Jahr gemeinsam mit der bayerischen Landeshauptstadt einen München-Tag unter dem Titel „Musikmetropole München“.

Live von der Musikmesse sorgte das Musikmagazins taktlos von Bayerischem Rundfunk und nmz für einen kulturpolitischen Vierklang der besonderen Art: Die Kulturhauptstadt-2010-Mitgestalterin und Vorsitzende der Berliner Kulturbrauerei e.V., Katja Lucker, Frankfurts Kulturreferent Felix Semmelroth und sein Kollege Hans-Georg Küppers aus München diskutierten über das „Kraftfeld Stadtkultur“.

So verschieden die Metropolen sind, so unterschiedlich stellten sich die Problemfelder im Einzelnen dar. Die Probleme einer wachsenden Stadt, auf die  Küppers hinwies, also außerordentlich teurer Wohn– und Arbeitsraum für die Künstler, die kennt man in Berlin so nicht. Dort sind die Mieten für Ateliers und Konzertsäle noch bezahlbar. „Mit arm aber sexy“ will man sich, das machte Lucker ganz deutlich, aber auch nicht länger abspeisen lassen: „Die Künstler entwickeln die Kieze. Dann kommen die Stadtplaner und Immobilienfirmen und die Kreativen müssen wieder weichen. Das ist eine Politik, die wir alle nicht mehr wollen.“

Frankfurt habe zwar mit 9,8 Prozent des Haushaltes den größten Kulturhaushalt der drei Städte, sagte Semmelroth, monierte aber fehlende Landeszuschüsse an die Stadt,  wie sie etwa bei den Landeshauptstädten gewährt werden: 90 Prozent seines Kulturhaushaltes würden aus dem kommunalen Etat stammen. Einen „gewissen neidischen Blick“ zur Landeshauptstadt  München wollte er da nicht abstreiten.

taktlos-Kommentator Martin Hufner stellte in einem Beitrag die These auf, dass die Kulturstadt der Zukunft im World Wide Web liege. Das wollten die Kulturpolitiker so nicht gelten lassen: Man war sich darin einig, dass Stadtkultur vor allem Live-Kultur sei. Nur das Live-Erlebnis bringe die Menschen dazu, ihren Platz vor Computer, TV-Gerät oder Stereoanlage zu verlassen und sich beim Konzert zu begegnen. „Das Kulturkraftwerk in der Stadt sind immer die Künstler“, so Küppers, „dass es neue Verbreitungsmöglichkeiten gibt, ist zweitrangig.“

Im Panel „Hightech, High Society und Hochkultur“ ging man der Frage nach, wo sich in München Wirtschaft und Kultur begegnen und welche Rolle Kultur für den Standort eines Unternehmens spielt. Thomas Girst, Leiter Kulturkommunikation bei BMW stellte die Frage: „Sind so viele DAX-Unternehmen wegen der Kultur in München oder ist so viel Kultur in München wegen der DAX-Unternehmen?“ Ein glaubwürdiger Auftritt von Unternehmensseite in der Kulturförderung, so Girst, sei nur möglich, indem man langfristige, tragfähige Partnerschaften platziere.

Innegrit Volkhardt, geschäftsführende Gesellschafterin des Hotels Bayerischer Hof, sprach über ihre Musikveranstaltungen im Hotel: „Jazz veranstalten, das kann man nie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten tun, nur aus persönlicher Leidenschaft für diese Musik und aus der Überzeugung, etwas für die Bürger der Stadt tun zu wollen. Ein Hotel will Menschen zu uns nach München holen, und das hat auch mit kulturellem Engagement zu tun, das das touristische Angebot verbessert.“

Andreas Schessel, Konzertveranstalter München Musik, erläuterte das München-spezifische an seinen Programmen. Ein großes Plus sei, dass München etwa im Vergleich zu Nürnberg eine große Zahl an verschiedenen Veranstaltungsräume biete. Und weiter: „Das schöne am Münchener Publikum ist, dass es, obwohl man ihm nachsagt, es sei sehr konservativ, doch eine große Offenheit hat. München gibt uns die Möglichkeit, sehr viele junge Künstler zu präsentieren. Und weil es eine Orchestertradition in München gibt, können wir viele Gastorchester präsentieren.“

Paul Müller, Intendant der Münchner Philharmoniker, war als Vertreter dieser Münchner Traditionslinie zu der Runde „Hochglanz, Club-Charme, Schwere Reiter“ geladen. Er griff die aktuelle Konzertsaaldiskussion in München auf: „Wir wissen, dass sich unser Publikum verändern wird: Wie sieht die Räumlichkeit aus, die wir in 20, 30 Jahren brauchen werden?“ Im Blick auch auf seine Mitdiskutanten David Süß, Clubbetreiber „Harry Klein“ und Karl Wallowsky, Veranstalter Schwere Reiter, meinte Müller: „Wir können sehr viel voneinander lernen. Die Raumfrage sollte qualitativ anders diskutiert werden.“

Während hier in Frankfurt drei Münchner Kulturmacher erstmals ins Gespräch miteinander kamen, die sich in München noch nie getroffen hatten, kannten sich die nachfolgenden Künstler zumindest dem Namen nach aus der Zeit, als beide noch in Holland tätig waren. Getroffen haben sie sich allerdings erst in München: Johan Simons, seit 2010/11 Intendant der Münchener Kammerspiele, und Alexander Liebreich, seit 2006 Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters. Der Theatermacher Simons liebt als ehemaliger Tänzer und Opernregisseur die Musik und der Musikmacher Liebreich holt sich gerne Inspiration für seinen Pult-Job aus anderen Sparten. So waren sie schnell aufeinander zugegangen, und das erste Ergebnis ihrer künstlerischen Neugier ist die Konzertreihe „Kammermusik-Nächte“ an den Kammerspielen, die einen Tag nach dem Frankfurter Gespräch, also am 8. April, Premiere hatte. Man ist sich auch bei der Konzeption dieser Konzertreihe durchaus bewusst über die Rolle, die man in München spielen will: „Der Begriff Kammer“, so Liebreich, „ist eine exquisite Auszeichnung: er steht für besonders gut. Man trifft ein ganz bewusste Auswahl von Künstlern.“

Über ihre Aufgabe als Münchner Talentscouts und Trüffelsucher machten sich Christiane Böhnke-Geisse, Programmverantwortliche für den Jazzclub Unterfahrt, Bernd Schweinar, Bayerischer Rockintendant und künstlerischer Leiter der Akademie ­Alteglofsheim, sowie der Komponist und frischgebackene Kompositionsprofessor an der Musikhochschule München, Moritz Eggert, ihre Gedanken. Und unter dem Slogan „Sage mir deinen Club und ich sage dir, wer du bist“ unterhielt sich Böhnke-Geisse mit Christoph Reiserer, Komponist, Klanginstallateur und Vorsitzender der Münchener Gesellschaft für Neue Musik sowie der Musikjournalist Oliver Hochkeppel über die Chancen und die Probleme der Freien Szene Münchens.

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