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Am Anfang steht der Appell an die Neugier

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Das Erfolgskonzept des Berliner Jugendorchester-Festivals „Young Euro Classic“
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Wer ein Konzert des Festivals „Young Euro Classic“ besucht, fühlt sich wohl. Das ist natürlich ein subjektiver Eindruck, aber es scheint, als ginge es vielen Konzertbesuchern so. Das allgemeine Wohlgefühl bestimmt die lockere und doch festliche Stimmung, die vor dem Konzert und in der Pause gewissermaßen in der Luft liegt. Woran liegt das? Nur an dem Produkt, also der im Konzertsaal vernommenen Musik, mag der Purist sagen, der das ganze „Drumherum“ für überflüssig hält. Doch er täuscht sich. Zum einen ist das Festival ein Gesamtkunstwerk, dessen Kern natürlich die – in der Regel hochwertige – musikalische Darbietung bildet, das jedoch auch darüber hinaus mit vielerlei Instrumenten Sinne und Emotionen der Menschen berührt. Zum anderen, weil ohne das „Drumherum“ ein Festival wie dieses erst gar nicht stattfinden könnte. „Die Devise ‚Friss oder stirb‘ – vornehmer ausgedrückt: ‚Jedes Kunstprodukt erklärt sich aus sich selbst‘ – ist ebenso arrogant wie falsch“, so die Aussage der für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlichen Mitarbeiter des Festivals, Julia Becker-Döring und Michael Horst.

Young Euro Classic lockte in diesem August bereits zum vierten Mal Besucher nach Berlin. Das künstlerische Konzept: Jugendorchester aus ganz Europa werden eingeladen, im Konzerthaus am Gendarmenmarkt ihr Können zum Besten zu geben. Bedingung ist, dass die zeitgenössische Musik in jedem Konzert eine wichtige Rolle spielt. In der Regel werden Orchester von nationalem oder internationalem Niveau eingeladen. In Deutschland sind dies zum Beispiel die Junge Deutsche Philharmonie, das Bundesjugendorchester (das in diesem Jahr pausierte) oder das – international besetzte – Schleswig Holstein Jugendorchester. Künstlerische Qualität und Professionalität sind wichtige Faktoren im Festival-Konzept – aber eben nicht die einzigen.

Enorme Presseresonanz

16 Konzerte und ein „Epilog“ standen auf dem Programm, die Veranstalter konnten sich über eine hohe Auslastung und eine enorme Presse-Resonanz freuen – und das, obwohl die Kombination: Jugendorchester-Konzert plus zeitgenössische Musik keinesfalls automatisch große Publikumsströme oder ein ausgedehntes Medien-Echo erwarten lässt. Den Initiatoren des Festivals war denn auch „bewusst, dass wir zwar Kunst für das Publikum machen, aber nicht automatisch nach dem Geschmack des Publikums.“ Vielleicht aber ist gerade dies das Erfolgsrezept: Am Anfang steht der Appell an die Neugier des Publikums; der Hörer wird aufgefordert, sich auf Unbekanntes einzulassen – gewissermaßen ein neues „Produkt“ auszuprobieren, – um dann im Idealfall zu erkennen, dass das Produkt seinen Bedürfnissen gerecht wird. Beides ist gelungen: Die „Kunden“ kamen und blieben. Inzwischen hat sich eine Fan-Gemeinde gebildet; Young Euro Classic ist zur „Marke“ geworden. Dass man im August ein musikalisches Sommerloch füllt, trägt dazu bei, gegenüber einer – gerade in der Bundeshauptstadt unübersichtlichen und vielseitigen – „Konkurrenz“ eine Nische zu erobern.

Konzept und Publikum

„Wir gehen davon aus, dass jedes genau durchdachte und in sich stimmige Konzept auch sein Publikum findet“. Das inhaltlich-künstlerische Konzept wird dabei ergänzt durch die Idee des Festes. Dazu gehört eine speziell für Young Euro Classic komponierte Hymne, die zu Beginn jedes Konzertes erklingt – von den Blechbläsern des jeweiligen Orchesters teilweise sehr unterschiedlich interpretiert. Dazu gehört außerdem die Idee der „Paten“: Prominente aus Politik und Kultur, die einem Konzert ihren Namen leihen und zu Beginn einführende Worte sprechen.

Natürlich würde man das Tschechische Studentenorchester auch genießen, ohne dass Dominique Horwitz zunächst ein paar Minuten lang amüsant über die Unterschiede zwischen tschechischem und deutschem Humor nachdenkt. Tiefe gibt es dem künstlerischen Erlebnis nicht, – aber eine Note, die das Festival zu etwas Besonderem mit Wiedererkennungswert macht – zur Marke eben. Weitere „Noten“ dieser Art: das „Bergfest“ zur Hälfte des Festivals und die Empfänge im Rahmen jedes Konzertes, die zumeist in den Botschaften stattfinden und die Gäste, Musiker und Sponsoren zusammenbringen.

Ein blauer „Europa-Teppich“ führt das Publikum die Stufen zum Konzerthaus hinauf – weit sichtbar ebenso wie das große Transparent, das während des ganzen Festivals über dem Haus hängt und auch flanierende Touristen und Berliner neugierig macht. Darüber hinaus verteilen Roller-Blader, in Festival-T-Shirts gekleidet, Prospekte. Soweit zum „Drumherum“.

Erfolgsfaktor Inhalt

Der eigentliche Erfolgsfaktor des Festivals bleibt die inhaltliche Idee. Die „Fans“ kommen weder der Roller-Blader wegen, noch um ein weiteres Mal die blaue Treppe hinaufzugehen. Sie kommen auch nicht, um einen Promi als Paten zu erleben. Sie kommen, weil sie von der besonderen Atmosphäre, die ein Jugendorchester ausstrahlt, von der künstlerischen Qualität begeistert sind. Und offenbar sogar von der doch teilweise fremd anmutenden modernen Musik. Ein Produkt, das kein schon zumindest latent vorhandenes Bedürfnis anspricht, so eine Marketing-Regel, ist in der Regel nicht erfolgreich. Offenbar stößt das Produkt Young Euro Classic auf ein Bedürfnis bei Musikliebhabern, aber auch bei Menschen, die gerade erste Gehversuche mit der klassischen Musik machen. Ein Bedürfnis, das zum Teil vielleicht erst zu wecken ist. Ein Verdienst des Festivals ist es im Übrigen, dass es – teils wegen der jugendlichen Akteure, teils aufgrund der moderaten Eintrittspreise – viele junge Menschen anlockt. Zum Erfolgskonzept gehört daneben auch, dass das Festival langfristig, über mehrere Jahre hinweg angelegt ist und eine nachhaltige Wirkung erzielen will.

Young Euro Classic beweist, dass es möglich ist, ein hochwertiges künstlerisches und „kantiges“ Produkt zu entwickeln und dabei gleichzeitig von Anfang an den „Markt“ im Auge zu haben. Man kommuniziert mit den Menschen, die man ansprechen möchte: Publikum, Medien, Sponsoren – lange vor dem eigentlichen Konzertbeginn. „Man möchte von seinem Gegenüber verstanden werden“, sagen Michael Horst und Julia Becker-Döring. Das ist gelungen!

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