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Eins mit dem Klavier: Lucas Heidepriem. Foto: Anneke Brüning
Eins mit dem Klavier: Lucas Heidepriem. Foto: Anneke Brüning
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Sucht die perfekte Harmonik: Lucas Heidepriem Trio im Jazzclub Karlsruhe

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Es war, als ob einem vielversprechenden Sportler plötzlich ein Bein abgehackt worden wäre: Mit Anfang 30 bekam der Posaunist und Mangelsdorff-Schüler Lucas Heidepriem eine schmerzhafte Gewebekrankheit in den Lippen. So hart es damals für ihn war, das Blasinstrument aufzugeben und alles auf eine neue Karte zu setzen: heute, fast zwanzig Jahre später, scheint er geradezu froh über diesen Schicksalsschlag. Jetzt trat er seit langer Zeit wieder im Karlsruher Jazzclub auf. Diesmal an einem anderen Instrument: dem Klavier.

Lucas Heidepriems Worte überraschen, wenn man weiß, was er durchgemacht hat: „Die Posaune war einfach nicht mein Instrument – es war immer ein Kampf, obwohl ich das Spiel sehr leidenschaftlich betrieben habe. Das Piano ist meine Welt.“ Da klingt auch Stolz durch, und das zurecht. Das Klavierüben hat sich gelohnt. Nach siebzehn Jahren intensiver Arbeit kann Lucas, der Sohn des Freiburger Jazzpianisten Waldi Heidepriem, abendfüllende Konzerte am neuen Instrument spielen – und die kommen an. Beim Spielen hängt sein Oberkörper tief über den Tasten, als wolle er ins Instrument hineinkriechen, es komplett spüren. Der Zuhörer kann geradezu seine Bewunderung und seinen Respekt davor hören. Oft klingt der Anschlag nach einer Suche, niemals nach dahingespielter Routine. Es ist eine neugierige, aber vorsichtige Suche nach der perfekten Harmonik, Tüftelei, klingt aber so, dass die Seele darauf Urlaub machen kann – „ambient jazz meditations“ steht auf dem Konzertplakat.

Die Titel der Stücke für das Trio und die Kompositionen selbst klingen nach der Vertonung seines Lebens („New Steps“), Sachlichkeit und nordischer Kühle („12: Uhr 15“) und entstehen beispielsweise nach einer guten Bergwanderung („Mountain Dolphins“), Jazz-Standards wie „All Of You“ werden harmonisch komplett umgestaltet. „Meine Musik ist nicht emotionslos, aber kühl“, meint Heidepriem. Auch als Posaunist sei er ein zurückhaltender Spieler gewesen. Auf der aktuellen CD des Trios, „Next Return“, ist sein damaliges Posaunenspiel auf einem Bonus-Track zu hören: es klingt zart, sinnlich, eher introvertiert. Ein Auftritt als lauter Showmusiker ist ihm zuwider, auf der Bühne des Jazzclubs Karlsruhe ist er nicht der dominante Chef, sondern gleichberechtigter Teil eines Organismus und bewahrt, wie auch Dirik Schilgen am Schlagzeug und der für Johannes Schaedlich eingesprungene Bassist Thomas Stabenow am Bass einen individuellen Spielcharakter. Es ist Jazz für die dunkle Jahreszeit, nachdenklich, leise, für Genießer.

Nach dem Abschied von der Jazz-Posaune vor siebzehn Jahren hat sich Lucas Heidepriem nur noch der klassischen Musik gewidmet, studierte bei Erik Siefert. „Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf Jazz“, so Heidepriem. Das war auch aus Trotz vor seiner Familie – sein Bruder Thomas ist ebenfalls Jazzmusiker. Erst vor vier Jahren hat sich Lucas Heidepriem wieder den Jazz erarbeitet und sitzt auch heute noch vier bis acht Stunden am Klavier. Von Leichtigkeit in seiner musikalischen Karriere, egal bei welchem Instrument, spricht er nicht. Der Prozess zurück zum Jazz sei dann „brutal“ gewesen, teilweise habe er auf Konzerten „wirkliches Scheitern“ erlebt. Heute ist er glücklich um den Spielkontakt mit anderen Musikern und überrascht am Ende des Abends in Karlsruhe mit einer geradezu wilden „Miles Davis Session“, reiner Improvisation. Damit mag Heidepriem zwar aus der Not eine Tugend gemacht haben, denn mit Bassist Stabenow konnte in nur einer Probe nicht das komplette Repertoire des Trios erarbeitet werden, aber diese ausdrucksstarke, lautere Spontaneinlage macht neugierig auf den weiteren Weg des Freiburgers an den Tasten, an die ihn das Schicksal getrieben hat.

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